„Vergessen zu träumen.“ Alles aus? – Der kongolesische Künstler Aimé Mpane stellt im MKK in Dortmund aus

Schweigende Opfer - Aimé Mpame schafft Spuren
Schweigende Opfer – Aimé Mpame schafft Spuren

Von Thomas Engel

Ein Goldbergwerk, irgendwo versteckt in der Demokratischen Republik Kongo, auf keiner Karte verzeichnet. Die Menschen müssen unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten, erklärt Aimé Mpane mit ruhiger Stimme, viele sterben, die Vergewaltigung von Frauen ist keine Seltenheit. Der kongolesische Künstler (Jahrgang 1968) deutet auf zwei kleine Darstellungen an der Wand. Die Wörter „Kivu Ituri“ (Gold) sind auf einer schwarzen Tafel verwischt, durchgestrichen. Daneben ein Gewirr von Zahlen. Sie sollen für den Reichtum durch den Goldabbau in den vielen Bergwerken des Kongos und zugleich für die riesige Zahl von Opfern unter denjenigen stehen, die diesen Reichtum tagtäglich an die Oberfläche schaffen.

Aimé Mpane: zeitgenössische Kunst eines politischen Künstlers

Aimé Mpané im Museum für Kunst- und Kulturgeschichte anläßlich der Vorstellung seiner Ausstellung
Aimé Mpané im Museum für Kunst- und Kulturgeschichte beim Pressetermin seiner Ausstellung

Nur wenige der vom bildenden Künstler Aimé Mpane ausgestellten Arbeiten, die ab dem 31. Oktober im Museum für Kunst- und Kulturgeschichte (MKK) zu sehen sein werden, bezeugen mit einer solch bedrückenden und geradlinigen Klarheit wie die Tafeln gegen das Vergessen ein zentrales Motiv seiner speziell für die Dortmunder Ausstellung entwickelten Werke(-Anordnung).

Zumeist ist es etwas komplizierter. Es geht aber immer um die (Variationen der) Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit und der postkolonialen Gegenwart in einem Land, das zu den rohstoffreichsten Ländern der Welt gehört. Wir sehen uns konfrontiert mit einem politischen Künstler aus „Schwarzafrika“.

Die jetzt beginnende Ausstellung ist eine von mehreren in diesem Quartal, die sich in Dortmund mit dem Kontinent Afrika auseinandersetzen. Parallel läuft die Schau „Afro-Tech and the Future of Re-Invention“ vom „Hartware MedienKunstVerein“ im Dortmunder U (seit dem 21. Oktober); außerdem eröffnet im MKK Ende November eines Ausstellung mit Bildern des südafrikanischen Fotografen Pieter Hugo.

Aimé Mpane lehrt und arbeitet in Brüssel und Kinshasa. Zuletzt war er in Dortmund im Jahr 2012 zu Gast: Während des Kongo-Festivals „Kinshasa – Stadt der Bilder“ kuratierte er bereits eine Ausstellung an Ort und Stelle im MKK. Diesmal hat er ihr den etwas verstörend wirkenden Titel gegeben: „J’ai oublié de rêver“ – Ich habe zu träumen vergessen. Allein, dies möchte man nicht so recht glauben. Zumindest nicht ganz.

Schmerz und Trauer, aber auch Hoffnung und Mut

"Afrikanische Erde": Reichtum als gleichzeitige Quelle des Bösen
„Afrikanische Erde“: Reichtum als gleichzeitige Quelle des Bösen

Schaut man sich die ausgestellten Arbeiten Mpanes nämlich genauer an, begegnen Objekte zeitgenössischer Kunst, in denen zwar das Erbe der kolonialen Vergangenheit in vielfältiger und häufig grausamer Weise gegenwärtig ist. Da gibt es nichts zu beschönigen. Und vieles erklärt sich von selbst, kann gewissermaßen aus den Installationen herausgelesen werden.

Da ist beispielsweise die Holzarbeit mit dem Titel „Afrikanische Erde“, die den Reichtum des Landes darstellen soll, aber zugleich seinen Bezug zum Leid der Bevölkerung.

Dies gelingt mit Rückgriff auf bildhaft satirische Elemente, durch das leuchtende Barbie-Pink auf der Rückseite der vielen kleinen Holztäfelchen, wodurch ein rötliches Schattenspiel auf die weiße Wand geworfen wird, vor der die Arbeit aufgehängt ist. Das Bild hinter dem Bild, das Blut hinter dem Reichtum, der nur unter wenige verteilt wird.

Die Arbeit hinter der Arbeit, das Blut hinter dem Reichtum
Die Arbeit hinter der Arbeit, das Blut hinter dem Reichtum

Aber da ist auch Wärme. Bunte Oberflächen, kräftig leuchtende Farben, Vielfalt. Als wären wir im Regenwald. Das scheint ein anderer Reichtum vor, den es zu gewinnen gibt. Der Mut macht, in dem Hoffnung steckt. – Vor diesem Hintergrund liest sich der Ausstellungstitel auch als gezielte Provokation.

Mit dem Leid der Bevölkerung Afrikas im Gepäck, das Bedrückende, manchmal Entsetzliche vor Augen, mag jemand seine Träume nicht mehr erinnern können, oder gar verlernt haben, überhaupt noch zu träumen.

Aber mit der Kraft, die viele seiner Objekte ausstrahlen, dürfte ein solches Versinken in Desillusion und Hoffnungslosigkeit kaum noch gelingen.

Nicht umsonst thematisiert Mpane daher mit einer ganzen Reihe von minutiös gestalteten Arbeiten die Frage nach Aspekten des Friedens, schafft damit einen Sehnsuchtspunkt, der ohne Träume kaum vorstellbar ist. Aber so einfach ist das wiederum auch nicht.

Was ist Frieden? Ja, was ist Frieden eigentlich? Aspekte und Fragilität

"Glück". Alles gut, alles normal. Bis auf den kleinen Blutfleck.
„Glück“. Alles gut, alles normal. Bis auf den kleinen Blutfleck.

„Schutz“, „Stille“, „Waffenstillstand“, „Sicherheit“, „Kooperation“, „Glück“, „Normalisierung“ – dies sind nur einige Begriffe, mit denen der Künstler sich dem Thema nähert. Wörter, die das Thema variieren, in sich aber uneinheitlich, vielschichtig, gar widersprüchlich erscheinen.

Indem er zu jedem dieser Aspekte von Frieden in einer Weise Darstellungen entworfen hat, die innehalten lassen, weil sich den BetrachterInnen sofort aufdrängt, dass hier etwas nicht stimmt.

Geht ja auch nicht anders; wir sind schließlich im Museum und nicht auf der Wambeler Rennbahn.

Also: Etwa, wenn „Glück“ unter einem großen Blutfleck im Brustbereich nicht zu haben ist. Da kommt natürlich die Frage auf, was denn das Eine mit dem Anderen zu tun habe.

Oder wenn „Normalisierung“ figürlich in einer Art Zombie-Haltung dargestellt wird. Keine sonderlich attraktive Vorstellung. Oder die „Schutz“ gewährende Kabine eher einem winzigen Gefängnis gleicht und zudem mit der Aufschrift „Bank“ versehen ist.

"Kooperation". Sieht nach pax americana aus. - Ainé Mpane
„Kooperation“. Sieht stark nach pax americana aus.

Und eine Darstellung von „Kooperation“ auf Augenhöhe sähe vermutlich auch anders aus. Um nur einige Beispiele zu nennen.

Über das Chimärische, das Fragile, mit so etwas wie plastisch-begrifflich zusammengesetzten Vexierbildern verunsichert der Künstler sichtlich.

Klar, will er ja auch. Gibt er unbesehen zu. Und selbstverständlich anregen zum Nachdenken. So weit, so gut; immer wieder gerne.

Aber: Aussehen, als hätte da einer aufgehört zu träumen, tut‘s nicht. Macht aber nichts, im Gegenteil.

Denn von solchen Spannungsverhältnissen leben die einzelnen Anordnungen, lebt die ganze Ausstellung.

Alles ist miteinander verbunden. Auch das, was nicht zueinander passt

Aimé Mpane drückt das so aus, dass er die Dinge „filtere“, so dass etwas entdeckt werden müsse. Nachbildungen eines Themas sind Umbildungen, die kritisieren, nuancieren, verschärfen, verfremden, letztlich dekonstruieren. Versöhnung ist hier nie Befriedung im Sinne einer pax americana; kann es nicht sein, wo der Friedensdiskurs noch in seiner Fragilität und Ambivalenz gezeigt wird, um schließlich scheinbar an sich selbst zu zerbrechen.

Das Leid, der Mammon, die Hoffnung
Das Leid, der Mammon, die Hoffnung

Und einem darüber hinaus an allen Ecken und Enden auf den Exponaten die Dollarscheine um die Ohren fliegen.

Die Ausstellung ist ein Focus der Vergewisserung: über die Last eines kulturellen Erbes, das von Fremden den afrikanischen Völkern aufgebürdet wurde, ohne das sie je gefragt wurden. Erst von den Arabern, dann waren es die europäischen Kolonialherren, die den Kontinent ausquetschen.

Aber ohne ihn schlussendlich seiner Identität vollständig berauben zu können. So sind die Darstellungen auch der Versuch von Vergewisserung, des Habhaft-Werdens einer afrikanischen, kulturgeschichtlichen Einheit. Ebenso wie von Vielfalt und Solidarität.

Eröffnet wird die Exposition am Sonntag, den 29. Oktober, im Museum für Kunst und Kulturgeschichte um 11.30 Uhr. Die Begrüßung erfolgt durch Stadtdirektor Jörg Stüdemann und den Museumsdirektor, Dr. Jens Völker. Der Kurator, das MKK und die Stadt Dortmund laden herzlich ein.

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