Umbau der Steinwache: Stadt Dortmund erhält Bewilligungsbescheid vom LWL über 600.000 Euro

"Umbau der Steinwache: Stadt erhält Bewilligungsbescheid vom LWL über 600.000 Euro". Auf dem Foto (vorne von links): LWL-Direktor Matthias Löb, Dr. Stefan Mühlhofer (Direktor des Stadtarchivs), Oberbürgermeister Ullrich Sierau 2. Reihe von links: Ratsmitglied Friedhelm Sohn (SPD), Dr. Ulrike Gilhaus (Leiterin des LWL-Museumsamtes für Westfalen), Ratsmitglied Heinz Dingerdissen (FDP-Bürgerliste) 3. Reihe v.li.: Ratsmitglieder Renate Weyer (SPD), Petra Tautorat (Die Linke) und Christiane Krause (CDU). Foto: Stadt Dortmund / Thomas Kampmann
LWL-Direktor Matthias Löb, Dr. Stefan Mühlhofer, OB Ullrich Sierau: Foto: Thomas Kampmann/ Stadt DO

Die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache gehört zu den fünf größten NS-Gedenkstätten in Nordrhein-Westfalen. Die 30 Jahre alte Dauerausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933-1945“ wird in den nächsten Jahren für rund 2,7 Millionen Euro modernisiert.

Innovative Vermittlungsarbeit an einem authentischen Ort von Repression und Folter

SteinwacheDie neue Ausstellung wird den aktuellen NS-Forschungsstand präsentieren und einen Schwerpunkt auf das Thema „Polizei im Nationalsozialismus“ legen.

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) fördert die Modernisierung und Weiterentwicklung der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache mit 600.000 Euro. Oberbürgermeister Ullrich Sierau erhielt den Bewilligungsbescheid über diese Summe aus der Hand von LWL-Direktor Matthias Löb.

„Die Steinwache ist ein zentraler Knotenpunkt im Netz der Orte, die in Westfalen an die NS-Gewaltherrschaft erinnern. Gerade in Dortmund muss es gelingen, durch innovative Vermittlungsarbeit an einem authentischen Ort von Repression und Folter für die Zukunft zu lernen. Ich freue mich deshalb, dass es für die Förderung der Steinwache durch den LWL einen breiten politischen Konsens gab“, so Löb.

Steinwache unverzichtbar für Erinnerungsarbeit und Kampf gegen Rechts

„Die Steinwache ist in Dortmund unverzichtbar – als Säule der Erinnerungskultur und im aktuellen und zukünftigen Kampf gegen Rechtsextremismus“, sagte Sierau: „Das Wissen um die NS-Verbrechen ist Anlass und Verpflichtung, rechtsextremer Gesinnung auch aktuell entgegen zu treten.“

Sierau dankte LWL-Direktor Löb, dass die Ausstellung künftig auch mit Unterstützung des LWL dem wissenschaftlichen Stand und modernen Rezeptionsgewohnheiten angepasst werden kann.

In den vergangenen Jahren hatte die Steinwache regelmäßig mehr als 20.000 Besucher pro Jahr. Um die Besucherzahl weiter zu steigern, sollen u.a. zeitgemäße pädagogische Angebote entwickelt werden. So werden sich Schülerinnen und Schüler in forschender Gruppenarbeit NS-Geschichte selbst erarbeiten können.

 Haus wird vom Herbst 2017 bis zur Neueröffnung im Herbst 2018 schließen

In den nächsten beiden Jahren (2016-2017) soll die neue Ausstellung konzeptionell und gestalterisch vorbereitet werden. Nach derzeitiger Planung wird das Haus im Herbst 2017 bis zur Neueröffnung im Herbst 2018 für ein Jahr schließen.

Mahn- und Gedenkstätte Steinwache
Die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache nach dem Zweiten Weltkrieg. Foto: Stadtarchiv

Mit der neuen Dauerausstellung entsteht eine bundesweit einzigartige Gedenkstätte, die exemplarisch die Geschichte eines ehemaligen Polizeigefängnisses als Schnittstelle zwischen reichsweitem Terrorsystem und Stadtraum beleuchtet und eine lokale Geschichte von Terror und Verfolgung erzählt.

Die neue Präsentation wird dabei dem neuen Stand der NS-Forschung gerecht, die sich seit der Jahrtausendwende stark der Frage nach gesellschaftlicher Teilhabe an der nationalsozialistischen Politik und Verfolgung widmet.

Den Hauptteil der Kosten von rund 2,7 Mio. Euro trägt der Bund (rund 924.000 Euro). Der städtische Anteil beträgt 865.000 Euro, die Landeszentrale für politische Bildung fördert den Umbau mit 315.000 Euro.

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Reaktionen

  1. Ulrich Sander (VVN/BdA)

    Gedenkstätten im Widerstreit: Tendenz geht zu mehr höchst genehmer Auswahl des Gebotenen

    Der SPD-Politiker Mathias Platzeck sagte kürzlich, er wünsche sich, dass die sowjetischen Opfer genauso Platz in der Erinnerung finden, wie die Opfer des Holocaust. Der Aufsatz von Volkhard Knigge (Gedenkstätte Buchenwald) am 11.12.15 in der Süddeutschen Zeitung signalisiert hingegen erneut: Die Gedenkstättenleiter, und nicht nur sie, betonen, dass die Anerkennung des Holocaust „als Menschheitsverbrechen zur Staatsräson der Bundesrepublik gehört“. Also nicht ebenso die Anerkennung des faschistischen Vernichtungskriegs mit seinen über 50 Millionen Toten?

    Gedenkstättenarbeit tendiert in unserem Land immer mehr zu Erinnerungsorten vorwiegend an die Judenverfolgung – andere Verfolgtengruppen, die Sinti und Roma, die Toten der Widerstandsbewegung haben zurückzutreten oder werden nur noch in Einzelbeispielen genannt. Organisiert war der Widerstand wohl nicht? Kommunistischer Widerstand, der laut „Institut für Zeitgeschichte“ in München 70 Prozent des politischen Widerstandes ausmachte, bleibt somit weitgehend außen vor. Auch die Absicht, mehr „die Täter“ in den Blick zu rücken, bezieht sich ausschließlich auf KZ-Wächter und ähnliche Untergeordnete. Die Arisierungsverbrecher wie Flick und Quandt werden nicht benannt, wie auch insgesamt die Darstellung der Verbrechen der Wirtschaft von 1933 bis 1945 unterbleibt.

    Nach dem Anschluss der DDR – der verbunden war mit Bilderstürmerei, Straßenrückbenennungen, Gedenkstättenumwandlungen – da wurde im Landtag von NRW seitens der CDU verlangt, auch im Westen die Orte der „kommunistischen Verbrechen“ zu kennzeichnen. Das war den Gedenkstätten selbstverständlich nicht möglich, aber sie lösten das Problem dadurch, dass sie zum Beispiel aus dem gemeinsamen Gedenkstättenkatalog von NRW die VVN-BdA mit ihren Dokumentationszentrum in Duisburg herauszensierten. Duisburg ist nun nicht mehr unter den anerkannten Gedenkstätten vertreten.

    Kürzlich lud die Landeszentrale für politische Bildung zu einer Geburtstagfeier zu „20 Jahre Arbeitskreis NS-Gedenkstätten und Erinnerungsorte“ nach Düsseldorf ein. Hauptthemen waren: Wie bekommen die Gedenkstätten mehr Förderungsmittel und mehr Hauptamtliche. Ehrenamtliche Kräfte schienen nicht mehr so sehr erwünscht zu sein, nachdem die alten Zeitzeugen weg sind. Der VVN-BdA-Vertreter wollte gern Glückwünsche aussprechen – auch seitens der „Kinder des Widerstandes“, die sich bemühen, die Zeitzeugenarbeit ihrer Eltern und Großeltern fortzusetzen -, doch Wortmeldungen waren nicht möglich. Die größte Opferorganisation blieb von der Mitgliedschaft ausgegrenzt.

    Mitglieder und aktive Mitstreiter sind die VVN-BdA-Leute jedoch in örtlichen Fördervereinen für die Gedenkstätten. So erhielten wir von diesen Aktivisten aus Düsseldorf und Lüdenscheid begeisterte Zuschriften, in denen die dort neu erstandenen Gedenkstätten als sehr gelungen beschrieben werden. Kritik kam jedoch aus Oberhausen und Essen. Obwohl in Oberhausen das Schwerpunktthema nunmehr die Zwangsarbeit ist, wird kaum ein kritisches Wort über die industriellen Profiteure und Sklavenhalter verloren. Und in Essen ist seit 2008 die Ausstellung „Verfolgung und Widerstand in Essen 1933-1945“ geschlossen. Ernst Schmidts legendäre Sammlung über den Widerstand ist nur nach vorheriger Anmeldung einzusehen.

    Wie zu erfahren war, wird nun auch die Dortmunder Ausstellung zu „Widerstand und Verfolgung“ in Bälde „weiterentwickelt“, wie es heißt. In welche Richtung es geht, ist zwar beschlossen, aber nicht öffentlich bekannt. Jörg Stüdemann, Stadtkulturdezernent, hat schon in einem Schreiben an die VVN-BdA vom 14. 01 2009 angedeutet, wohin nach seiner Meinung die Ausstellung tendieren soll. Ausschlag gebend seien „Henry Ashby Turners 1985 in seinem zentralen Werk ‚German Big Business and the Rise of Hitler‘ dargestellten und in gründlicher Quellenarbeit erarbeiteten Ergebnisse.“

    In der jetzigen Ausstellung in der Dortmunder Gedenkstätte Steinwache heißt es zur Situation 1932/34: „Die Schwerindustrie setzt auf Hitler.“ Der amerikanische Historiker H. A. Turner (1932-2008) hingegen schreibt: „Entspricht die weit verbreitete Ansicht, dass der Faschismus ein Produkt des modernen Kapitalismus ist, den Tatsachen, dann ist dieses System kaum zu verteidigen.“

    Wir fragten: Soll die derzeitige Inschrift entsprechend dem Freispruch des Mr. Turner für den Kapitalismus verändert werden? Eine Antwort bekamen wir nicht. Allerdings kündigte Stüdemann eine „intensive Diskussion auf fachwissenschaftlicher Ebene“ an und zwar zur Frage Wirtschaft und Nationalsozialismus und diese „im Rahmen der Neugestaltung der Dauerausstellung der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache“. Ob es zu dieser Diskussion kam, ist nicht bekannt. Das Kuratorium der Gedenkstätte, einst vom Oberbürgermeister zusammen mit ehemaligen KZ-Opfern gegründet, wurde jedenfalls nicht einberufen.

    Die Hauptthese der Geschichtsschreibung a la Turner ist die, dass „die Wirtschaft“ erst nach dem 30. Januar 1933 sich notgedrungen mit dem NS und Hitler arrangierte und dass vorher keine wirklich bedeutenden Beziehungen zwischen ihnen bestanden, die dann zur „Machtergreifung“ führten. Deutsche Großunternehmer seien keine wichtigen finanziellen Unterstützer Hitlers gewesen, und der Nationalsozialismus sei nicht als Exponent des kapitalistischen Systems zu deuten, so Turner. Das wird durch Gustav Luntowski und Adam Tooze in ihren Büchern widerlegt. Tooze lässt zudem deutlich werden, dass auch die aufgenommenen Beziehungen von Industrie und Kapital zum deutschen Faschismus noch in der Zeit Januar 1933 bis Juni 1934 geeignet waren, das Regime entscheidend zu stärken, ja seine Existenz zu sichern. Industrie und Kapital hätten es auch nach dem 30. Januar 33 noch in der Hand gehabt, den Faschismus auszuschalten, wenn sie nur gewollt hätten. Sie wollten nicht, denn ihr politisches und ökonomisches Programm glich viel zu sehr dem der Nazis. [Um diese Bücher geht es uns: Gustav Luntowski, Hitler und die Herren an der Ruhr. Wirtschaftsmacht und Staatsmacht im Dritten Reich, Frankfurt am Main – Bern 2000; Adam Tooze, Ökonomie der Zerstörung. Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus, München 2007.]

    In den Beschlüssen des Rates der Stadt Dortmund zur Umwandlung der Gedenkstätte Steinwache (sie liegen uns vor) wird ausgeführt: Geld für die Umwandlung der Gedenkstätte wurde von außerhalb Dortmunds bewilligt. Fast eine Million Euro will die Bundesregierung beisteuern, sie setzt allerdings voraus, dass nach ihren in der „Gedenkstättenkonzeption“ dargelegten Vorgaben [Siehe „Fortschreibung der Gedenkstättenkonzeption des Bundes“, Drucksache 16/9875 vom 19.06.2008. Darin heißt es: Aufgabe „ist es aber auch, an das Unrecht der SED-Diktatur zu erinnern“, es gelte, den antitotalitären Konsens in der Gesellschaft zu festigen“.] gehandelt wird, die Antikapitalismus und einen fairen Umgang mit Kommunisten im Arbeiterwiderstand nicht vorsehen. Zudem sind Gedenkstätten zumeist auf Drittmittelfinanzierungen seitens der Unternehmen angewiesen – mit allen Konsequenzen.

    Erinnerungsarbeit wird somit Klassenkampf.

    Friedrich Engels schrieb vor über 140 Jahren: „Die Bourgeoisie macht alles zu einer Ware, also auch die Geschichtsschreibung. (…) Und diejenige Geschichtsschreibung wird am besten bezahlt, die im Sinn der Bourgeoisie am besten verfälscht ist.“ [Aus den Fragmenten zur Geschichte … In: MEW Bd. 16, S. 499/500]

    Die Gedenkhalle in Oberhausen trug bis zu ihrer Umgestaltung das Motto „Faschismus kommt nicht über Nacht, er wird vom Kapital gemacht“. Die neue Ausstellung kommt ganz ohne Aussagen dazu aus, wie „Faschismus kommt“. Er beginnt nun wirklich „über Nacht“, und zwar am 30. Januar 1933, er heißt nur noch „Nationalsozialismus“, denn der Begriff Faschismus ist aus der offiziellen Geschichtsschreibung vertrieben worden. An eine Beschreibung der Vorgeschichte des „Nationalsozialismus“ wagt man sich nicht mehr heran. Wer dazu etwas erfahren will, muss 700 km weit fahren – nach München. Das dortige neue „NS-Dokumentationszentrum“ beginnt mit einer großen Abteilung zum Thema „Ursprung und Aufstieg der NS-Bewegung 1918-1933“. Dieses Dokumentationszentrum läßt nichts aus, – und dies in Bayern, wo derjenige in den Verfassungsschutzbericht gelangt, der die enge Verzahnung von Faschismus und Kapitalismus aufzeigt. In München wird entsprechend dem Vermächtnis von Primo Levi gehandelt: „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“

    Im Vorwort von „Geschichte und Verantwortung“ zur Gedenkstättenarbeit in NRW wird hingegen ein anderer Auschwitzüberlebender abschließend zitiert, der meint, seine Erfahrungen von Auschwitz-Birkenau hätten für „ähnliche Situationen in der Zukunft“ null Bedeutung: „Gar keine. Aus dem einfachen Grund, weil es ähnliche Situationen nicht gibt.“ Da sind sich die Münchner Ausstellungsgestalter nicht so sicher: Ans Ende ihrer Dokumentation stellten sie einen großen Bildschirm mit den ständig neuen Meldungen von Brandstiftungen und Pogromen im heutigen Deutschland. Denkbar wäre auch, die sich häufenden Kriege, auch der deutschen, dort zu benennen.

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