Überschuldung in Dortmund nimmt weiter zu: Jeder sechste Mann kann seine Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen

Nach Abschluss des Weihnachtsgeschäftes enden im Handel viele Verträge.
Die vollen Geschäfte täuschen darüber hinweg – viele DortmunderInnen können sich nichts mehr leisten.

Der Verband Creditreform hat den „SchuldnerAtlas Deutschland 2016“ vorgestellt. Die in Zusammenarbeit mit der Boniversum GmbH und microm GmbH durchgeführte Untersuchung hat für die Bundesrepublik eine Überschuldungsquote von 10,06 Prozent gemessen.

Dortmund belegt den vorletzten Platz bei bundesdeutschen Großstädten

Damit sind mehr als 6,8 Millionen BundesbürgerInnen über 18 Jahre überschuldet. Die Überschuldung von Privatpersonen in Deutschland ist damit zum dritten Mal in Folge angestiegen.

In Nordrhein-Westfalen liegt die Schuldnerquote bei 11,70 Prozent. Die Stadt Dortmund übertrifft diese mit 14,46 Prozent deutlich. Auch im Vergleich zum Vorjahr gibt es für Dortmund eine leichte Steigerung um 0,16 Prozent.

Im bundesdeutschen Vergleich der Großstädte mit mehr als 400.000 Einwohnern belegt Dortmund den vorletzten Platz. Schlechter steht nur noch Duisburg mit einer Überschuldungsquote von 16,64 Prozent da.

Hauptursachen sind mangelnde Finanzkompetenz, prekäre Beschäftigung und Altersarmut

Wolfgang Scharf ist Geschäftsführer der Kreditreform in Dortmund.
Wolfgang Scharf: Foto: Creditreform Dortmund

Als Hauptursachen für die aktuelle Verschuldungssituation in Deutschland sieht Wolfgang Scharf, Geschäftsführer der Creditreform Dortmund / Witten, im Wesentlichen drei Gründe.

Zum einen die mangelnde Finanzkompetenz gerade junger KonsumentInnen, die die zweitgrößte Gruppe der überschuldeten Personen stellen. Zum anderen ein deutlicher Anstieg der Altersarmut.

Hinzu kommt eine Zunahme sogenannter prekärer Beschäftigungsverhältnisse. „Die Einkünfte aus diesen Jobs reichen in der Regel nicht aus, um sich aus einer Überschuldungssituation zu befreien“, so Scharf.

In Dortmund sind laut der Untersuchung derzeit 69.113 Personen überschuldet. „Überschuldet“ bedeutet laut Scharf, dass eine Person ihre fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht begleichen kann – und dies auch in absehbarer Zeit nicht können wird.

Zur Deckung seines Lebensunterhalts stehen jemandem, der überschuldet ist, weder Vermögen noch Kreditmöglichkeiten zur Verfügung.

Schere zwischen Nord und Süd: Der typische Dortmunder Schuldner ist männlich und wohnt im Norden

In Dortmund beobachten die Creditreform-Experten, dass die Schere zwischen Armen und Reichen innerhalb der Stadtgrenzen immer weiter auseinander geht. „Laut unseren Daten ist der typische Dortmunder Schuldner zwischen 30 und 50 Jahre alt, männlich und wohnt im Norden der Stadt“, beschreibt Scharf den statistisch gesehenen „Musterschuldner“.

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Überschuldete Personen in Deutschland nach Altersgruppen. (Creditreform/ microm/ Boniversum)

So weisen die südlichen Stadtteile wie Kirchhörde, Kruckel und Holzen verhältnismäßig geringe Schuldnerquoten zwischen 6,11 und 6,78 Prozent auf. Im Norden, sprich, Lindenhorst, Deusen oder der Nordstadt (PLZ-Gebiete 44145 und 44147) liegen die Werte zwischen 26,10 und 27,96 Prozent und damit rund vier Mal so hoch.

Für den PLZ-Bereich 44263 (Hörde) ermittelte Creditreform einen Wert von 20,20 Prozent. Hier ist allerdings ein leicht positiver Trend zu verzeichnen. Denn im Vergleich zu 2015 nahm der Wert um 0,58 Prozent ab.

Bei der Aufteilung nach Geschlechtern ist ebenfalls ein deutlicher Unterschied zu erkennen. So ist mit 10,71 Prozent jede zehnte Dortmunderin, mit rund 17,86 Prozent aber mehr als jeder sechste Dortmunder überschuldet.

Altersarmut ist ein immer stärker wachsendes Problem

Besorgt zeigt sich der Creditreform-Geschäftsführer, dass bundesweit gesehen gerade die Überschuldung im Alter stark zunimmt. So beträgt der Zuwachs seit 2013 in der Gruppe der über 70-Jährigen 57,7 Prozent, bei den 60- bis 69-Jährigen 20,4 Prozent.

Insbesondere durch mangelhafte Rentenvorsorge könne die Gefahr der Altersarmut weiter wachsen, warnt Scharf. Auch die Verschuldung bei den unter 30-Jährigen ist seiner Meinung deutlich zu hoch.

Um dem allgemeinen Trend effektiv entgegenzusteuern, rät Scharf zu höheren und gezielten Bildungsinvestitionen. Diese sollen die Finanzkompetenz der Bevölkerung, besonders die von jungen Verbrauchern, erhöhen.

Über Creditreform:

  • Die Creditreform Unternehmensgruppe agiert als Wirtschaftsauskunftei und Inkasso-Dienstleister sowie in anderen Geschäftsfeldern. Ein Unternehmen ist nicht Kunde, sondern Mitglied bei einem der lokalen Vereine Creditreform.
  • Die 130 regionalen Vereine in Deutschland sind unter dem Dach des „Verbandes der Vereine Creditreform e. V.“ mit Sitz in Neuss zusammengeschlossen und führen 123.000 Unternehmen als Mitglieder.
  • Mit 176 Geschäftsstellen in Europa ist Creditreform eine der größten Wirtschaftsauskunfteien.
  • www.creditreform-dortmund.de
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Reaktionen

  1. Linke & Piraten

    Insolvenzen 2016: Dortmund ist die Pleitehauptstadt Deutschlands

    Laut der Wirtschaftsauskunftei Creditreform belegt die Stadt Dortmund im Jahr 2016 bei der Insolvenzgefahr von Unternehmen, die ihren Sitz in der Stadt haben, mit 159 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen im Vergleich aller deutschen Großstädte bundesweit den ersten Platz.

    Dazu erklärt Ratsmitglied Carsten Klink (DIE LINKE), der finanzpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE & PIRATEN:

    „Dortmund ist leider die Pleitehauptstadt Deutschlands. Gefolgt von der Stadt Halle an der Saale (149 Insolvenzen), die rein zufällig die Geburtsstadt des Dortmunder Oberbürgermeisters ist. Da der Eigenbetrieb Wirtschaftsförderung die Stadt Dortmund jährlich rund 12 Millionen Euro kostet, hätte man eine niedrigere Insolvenzquote erwarten dürfen.

    Statt sich wie im Jahre 2016 mit einer kostspieligen Meinungsumfrage zu beschäftigen, die letztlich nur der Selbstdarstellung dient, sollte sich die Wirtschaftsförderung lieber auf ihre Kernaufgaben konzentrieren: Die Förderung der Wirtschaft, aber auch der Beschäftigung. Angesichts des unrühmlichen Pleitehauptstadttitels und einer fast doppelt so hohen Arbeitslosigkeit wie im Bundesdurchschnitt besteht hier reichlich Handlungsbedarf.“

    Platz 3 der Creditreform-Liste belegt Gelsenkirchen mit 146 Insolvenzen – gefolgt von Oberhausen und Duisburg mit jeweils 125 Insolvenzen. Unter den fünf Großstädten mit den höchsten Insolvenzquoten liegen somit vier Städte des Ruhrgebiets.

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