Thema „Einbahnstraße Autoverkehr“: Lebendige Diskussion zur Verkehrswende bei der Grünen-Ratsfraktion in Dortmund

BUZ: (v. l.) Dirk Jansen, BUND, Dr. Anton Hofreiter, MdB, Ingrid Reuter, Fraktionssprecherin Bündnis 90/Die GRÜNEN, Prof. Claudia Hornberg, Universität Bielefeld, Prof. Oscar Reutter, Wuppertal Institut.
Dirk Jansen (BUND), Dr. Anton Hofreiter (MdB), Ingrid Reuter (Fraktionssprecherin), Prof. Claudia Hornberg (Uni Bielefeld) und  Prof. Oscar Reutter (Wuppertal Institut) diskutierten im Rathaus zum Thema Verkehrswende. Foto: Grüne

So geht es nicht weiter – darin waren sich alle Diskussionsteilnehmenden im Dortmunder Rathaus einig. Die schlechte Luftqualität belastet unser aller Gesundheit, auch wenn Autos angeblich immer umweltfreundlicher werden. Wie ein Gesamtkonzept das Problem lösen kann, diskutierte die Grünen-Ratsfraktion in einer Runde aus Verkehrs-, Umwelt- und Gesundheitsexpert*innen. Das Motto der Veranstaltung: „Einbahnstraße Autoverkehr“ – das zahlreich erschienene Publikum diskutierte engagiert mit.

Trotz des Programms „Emissionsfreie Innenstadt“ kann auch Dortmund eine Klage drohen 

47 öffentliche Ladeeinrichtungen für jeweils zwei Fahrzeuge gibt es im Stadtgebiet.
Nur 47 öffentliche Ladeeinrichtungen für jeweils zwei Fahrzeuge gab es 2016 im Dortmunder Stadtgebiet.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Ingrid Reuter hatte zum Einstieg eine gute Nachricht: In Dortmund sind schon viele Dinge in puncto Luftverbesserung auf dem Weg. Unter anderem bewirbt die Stadt Dortmund sich aktuell für das Programm „Emissionsfreie Innenstadt“. Das Programm gehört zu einer langen Reihe von Ansätzen, die über die Jahre auch Mobilität umweltfreundlicher gestalten sollten.

Bisher haben sie aber leider nicht den nötigen Erfolg gebracht. Der gemeinsame politische Wille aller Fraktionen in Dortmund zu einschneidenden Maßnahmen fehlt. Obwohl an allen Dortmunder Messstationen die Grenzwerte für Stickoxide überschritten werden.

Das machte Dirk Jansen, Geschäftsleiter beim BUND, deutlich. Da Deutschland seit sieben Jahren die EU-weiten Grenzwerte nicht einhält, muss die Bundesregierung mit einem Vertragsverletzungsverfahren rechnen – und bleibt trotzdem untätig. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat deswegen Klagen gegen mehrere deutsche Städte eingereicht.

Ergebnis: Düsseldorf muss bis September einen neuen Luftreinhalteplan vorlegen und ist damit eine Pilotstadt. Für Jansen ist es wichtig, die notwendigen Maßnahmen zur Umsteuerung klar und deutlich politisch zu formulieren, auch wenn sie unter Umständen unbeliebt sind. Der BUND hatte jüngst mit der Unterstützung von 30.000 Menschen den Bundesverkehrsminister Dobrindt aufgefordert, den Verkauf von angeblich sauberen Dieselneufahrzeugen zu stoppen.

Jährlich 10.000 Tote durch Stickstoffdioxid – Neue Verkehrskonzepte sind nötig

Der Rat soll am 11. Juli grünes Licht für den neuen Radschnellweg geben. Foto: Alex Völkel
Neue Mobilitätskonzepte müssten endlich Vorrang erhalten. Fotos (3): Alex Völkel

Selbst mit grüner Plakette sind Autos mit Verbrennungsmotoren Luftverpester – egal, ob sie Diesel oder Benzin verbrennen. Feinstaub und Stickstoffdioxide in der Luft verkürzen unsere Lebenserwartung.

Die Umweltmedizinerin Prof. Claudia Hornberg aus Bielefeld formulierte sehr deutlich, dass durch die zu hohen Emissionen die Gesundheit der Bürger*innen auch in Dortmund anhaltend gefährdet ist. Allein an der Stickoxidbelastung in der Luft sterben jährlich europaweit ca. 10.000 Menschen. Außerdem sei die Gesundheitsgefährdung auch ein soziales Problem, denn die Luftbelastung ist gerade an unattraktiven Straßen mit preiswertem Wohnraum besonders gravierend.

Die Dominanz des Autos in den Städten wird immer mehr zum Problem – wie kann es gelöst werden? Dazu hatte Prof. Oscar Reutter vom Wuppertal Institut klare Vorstellungen. Er forscht u. a. im Bereich Umwelt und Verkehr an der Bergischen Universität und lebt seit vielen Jahren – ohne Auto – in Dortmund. Reutter ist davon überzeugt, dass neue Verkehrskonzepte möglich sind – wenn der politische Wille da ist.

Seiner Ansicht nach sollten Anreize für umweltfreundliche Fortbewegung wie Radfahren, Zufußgehen und die Nutzung des ÖPNV gegeben werden. Dazu gehören auch Sharing-Systeme, Radschnellwege, autofreies Wohnen – es gibt ein großes Spektrum an Möglichkeiten. Andererseits müssen auch zunächst unangenehme Maßnahmen wie Fahrverbote oder Citymaut durchgesetzt werden, um zum Erfolg zu kommen.

Klare Forderung der Grünen: Die Kommunen brauchen die Unterstützung des Bundes

Mehr Unterstützung vom Bund zur Modernisierung der Bus- und Straßenbahnflotte fordert Grünen-Fraktionssprecher Anton Hofreiter.
Mehr Unterstützung vom Bund für die Verkehrswende fordert Grünen-Fraktionssprecher Anton Hofreiter.

Anton Hofreiter, Vorsitzender der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die GRÜNEN, brachte den GRÜNEN Ansatz auf die Formel „Vermeiden, Verlagern, Verbessern“. Für ihn sind nicht nur Luftschadstoffe ein großes Problem des zunehmenden Autoverkehrs, sondern ebenso krankmachender Lärm, der Flächenverbrauch und die Gefährdung von Kindern.

Grünes Ziel ist es deshalb, den motorisierten Individualverkehr zu vermeiden. Das Auto müsse nicht komplett verteufelt werden, aber zukünftig müsse es bei der Stadtplanung darum gehen, dem Auto weniger Raum zu geben. Gleichzeitig müssen die Autos selbst emissionsärmer werden. Die Bundesregierung dürfe sich nach dem Abgasskandal nicht aus ihrer Verantwortung ziehen, wie sie das bisher tue.

Dabei gelte es auch, nicht diejenigen allein zu lassen, die sich guten Glaubens noch vor einigen Jahren ein Dieselauto gekauft hätten, dessen Antrieb ja noch bis heute steuerlich subventioniert werde. Kommunen haben nach Hofreiter die originäre Aufgabe und auch Handlungsmöglichkeit, durch eine entsprechend ausgerichtete Stadtplanung die Lebensqualität in den Städten zu erhöhen.

Kritik: Windschutzscheibenperspektive bestimmt auch im Rat der Stadt Dortmund die Politik

In ihrem Fazit betonte Ingrid Reuter noch einmal, wie schwer es ist, gegen die Windschutzscheibenperspektive anzukommen, die auch im Rat der Stadt Dortmund tagtäglich die Politik bestimmt. Umso wichtiger sind Initiativen wie z. B. an der hochbelasteten B1, die seit Jahrzehnten mit allen Mitteln auf die Problematik von Lärm- und Luftbelastung hinweisen und immerhin schon das Verbot für den Lkw-Durchfahrtsverkehr bei Nacht erstritten haben.

Denn auch wenn die Rahmenbedingungen in Europa und vor allem in Berlin definiert werden, muss die Verkehrswende vor Ort und letztlich in den Köpfen der Verkehrsteilnehmer*innen stattfinden.

 

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