Nordstadt: Auch SPD-Fraktion will Abwahl der stv. Bezirksbürgermeisterin nach islamfeindlichen Äußerungen

Muslimische Frauen auf dem Wochenmarkt
Die undifferenzierte Kopftuch- und Islamkritik ist Grund für die Abwahlforderung. Foto: Klaus Hartmann

Nach den Grünen will nun auch die SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung der Innenstadt-Nord die Abwahl von Gerda Horitzky (CDU) beantragen. Dies gab die SPD auf einer Pressekonferenz bekannt. Hintergrund sind die islamfeindlichen Äußerungen der stellvertretenden Bezirksbürgermeisterin zum Kopftuchstreit des Johannes-Hospitals mit einer muslimischen Krankenschwester.

Äußerungen von Gerda Horitzky sind „islamfeindlich und migrantenfeindlich“

Gerda Horitzky CDU
Gerda Horitzky ist die Stadtbezirksvorsitzende der CDU in der Nordstadt. Foto: Alex Völkel

Die Kritik entzündete sich an der Äußerung, „dass unsere christlichen Konfessionen überall muslimisch unterlaufen werden, zumal wir für Muslime sowieso nur Ungläubige sind”. „Die Äußerungen von Frau Horitzky sind in ihrer Undifferenziertheit islamfeindlich und migrantenfeindlich“, kritisiert die SPD die CDU-Politikerin.

„Sie stehen im Widerspruch zu den Aufgaben und der Funktion einer stellvertretenden Bezirksbürgermeisterin in einem Stadtteil mit hohem Anteil an Muslimen und Migranten und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit, Integration zu ermöglichen“, so die Fraktion der SPD in der Bezirksvertretung.

SPD beklagt mangelnde Differenzierung

Die Partei hat sich zu diesem Schritt entschlossen, nachdem man mehrfach mit Gerda Horitzky persönlich und telefonisch über ihre Äußerungen gesprochen habe.

„Es gab weder eine Entschuldigung noch eine differenzierte Erklärung, wie denn ihre Äußerungen zu verstehen seien“, so Bezirksbürgermeister Ludwig Jörder. „Uns wurde klar, dass es sich um kein Missverständnis handelte“, ergänzt der SPD-Stadtbezirksvorsitzende Florian Meyer, der Horitzky die Entscheidung der SPD-Fraktion zu ihre Abwahl mitteilte.

SPD-Politiker sehen Bedarf zu Gesprächen mit Menschen, die ihre Zustimmung zu Horitzky geben

Durchaus sei es „…zulässig, sich persönlich mit dem Tragen von Kopftüchern zu befassen oder sich zu sorgen, dass das gewohnte Wohnumfeld sich verändert und einem fremd wird“, stellen die Sozialdemokraten fest und sehen Bedarf auf die Menschen zu zugehen, die ihr Einverständnis mit Horitzkys Äußerungen teilen.

Jedoch sollen die demokratischen Parteien die Gemeinsamkeiten und die verbindenden Aspekte suchen. „Zu sagen, dass die Gesellschaft islamistisch unterwandert wird, geht in die rechte Ecke“, stellt Ratsvertreter Volkan Baran fest. „Für Moscheen oder muslimischen Einrichtungen ist es nicht mehr zumutbar, Gerda Horitzky in Vertretung des Bezirksbürgermeisters bei offiziellen Anlässen zu empfangen“, so Baran.

Fraktion sieht keine andere Möglichkeit, als die Abwahl zu beantragen

BV Nordstadt - Konstituierende Sitzung
Das Tischtuch zwischen Stellvertreterin und Bezirksbürgermeister  ist zerschnitten.

Weil sich die CDU-Politikerin zu keinerlei Klarstellung ihrer Äußerungen durchringen konnte, „…sehen die Mitglieder der SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung Innenstadt-Nord keine andere Möglichkeit, als ihre Abwahl zu beantragen. Und zwar gerade aus Respekt vor den angegriffenen Einwohnergruppen.“ Der Antrag auf Abwahl wird in der nächsten Sitzung der Bezirksvertretung am 24.  September gestellt.

Zwei-Drittel-Merheit ist zur Abwahl notwendig

Zur Abwahl wäre nach der Gemeindeordnung eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. In der BV-Innenstadt-Nord hat die SPD sieben Sitze, die Grünen, Linke und CDU jeweils drei, die sowie die Piraten, die AfD und “Die Rechte” jeweils einen Sitz. Zur Einbringung des Antrags werden mindestens zehn Stimmen (Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Mitglieder) benötigt, zur Abwahl 13 Stimmen (Mehrheit von zwei Drittel).

 

Der vollständige Wortlaut der Erklärung der Fraktion der SPD in der Bezirksvertretung:

Die Mitglieder der SPD-Fraktion in der BV Innenstadt-Nord haben sich sehr intensiv und mehreren Beratungsrunden mit dem Vorgang auseinandergesetzt und sind danach zu folgendem Ergebnis gekommen:

1. Die Äußerungen von Frau Horetzky sind in ihrer Undifferenziertheit islamfeindlich und migrantenfeindlich. Sie stehen im Widerspruch zu den Aufgaben und der Funktion einer stellvertretenden Bezirksbürgermeisterin in einem Stadtteil mit hohem Anteil an Muslimen und Migranten und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit, Integration zu ermöglichen.

2. Das gilt auch, wenn bei ihr selbst oder in den vielfach zustimmenden Reaktionen dahinter verständliche Anliegen stehen mögen. So ist es zulässig, sich persönlich mit dem Tragen von Kopftüchern zu befassen (Gründe können z. B. Sein: nicht verfassungskonformes Frauenbild, Zwang u. a.) oder sich zu sorgen, dass das gewohnte Wohnumfeld sich verändert und einem fremd wird.

3. Deshalb ist es sehr bedauerlich und leider auch für die Bewertung ausschlaggebend, dass Frau Horitzky sich zu keinerlei Klarstellung im vorgenannten Sinne oder dem Versuch, Missverständnisse auszuräumen bereit gefunden hat, und das trotz vielfältiger nachhaltiger Bemühungen.

4. Daher sehen die Mitglieder der SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung Innenstadt-Nord keine andere Möglichkeit als ihre Abwahl zu beantragen und zwar gerade aus Respekt vor den angegriffenen Einwohnergruppen.

 

Mehr zum Thema auf nordstadtblogger.de:

Print Friendly, PDF & Email

Reaktionen

  1. Dr. Marita Hetmeier

    Die SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung der Nordstadt hat beschlossen, die Abwahl der stellvertretenden Bezirksbürgermeisterin Gerda Horitzky (CDU) zu beantragen. Ihr Leserbrief zum Kopftuch sei als persönliche Meinung zulässig, aber mit dem Amt einer stellvertretenden Bezirksbürgermeisterin nicht zu vereinbaren. Diese Entscheidung ist politisch falsch und in ihrer Begründung abstrus. Welch ein Unfug: Politiker dürfen zum Kopftuch eine persönliche Meinung haben, sie aber im Amt nicht äußern? Das soll Demokratie sein?

    Immer mehr muslimische Frauen und Mädchen in der Nordstadt tragen Kopftücher. Auch Niqabs und Burkas sieht man immer häufiger. Zu ihren Kopftüchern oder Nikabs kombinieren die Frauen lange, weite Mäntel. Ich frage mich immer: Schwitzen die Frauen nicht, wenn es in den Sommermonaten schwül und heiß ist? Würden die Frauen sich nicht lieber im ärmellosen Top und mit offenem Haar zeigen, wie andere auch? Sind diese muslimischen Frauen wirklich alle so fromm? Machen die das tatsächlich alle freiwillig? Oder sind es doch eher die Ehemänner, die Väter, die Cousins und andere – männliche – „Autoritäten“, die einen entsprechenden Druck ausüben? An dieser Stelle müsste in der aktuellen Kopftuchdebatte um den Leserbrief von Frau Horitzky das Denken einsetzen. Bei den meisten setzt es an dieser Stelle aus.

    Oder hat einmal jemand bei SPD und Grünen darüber nachgedacht, dass die zunehmende Kopftuchdichte in der Nordstadt und anderswo etwas mit der politischen Entwicklung in der Türkei zu tun haben könnte? Mit der von Herrn Erdogan betriebenen Islamisierung des Landes, die über die Imame in die Moscheen nach Deutschland getragen wird? Alle pochen auf Religionsfreiheit: Wo bleibt in dieser Debatte eigentlich die Meinungsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht der Frauen?

    Vor einigen Jahren gab es einen vielbeachteten Aufruf deutsch-türkischer Politikerinnen um Ekin Deligöz (Grüne) und Lale Akgün (SPD). Sie forderten die in Deutschland lebenden muslimischen Frauen auf, das Kopftuch abzulegen: „Kommt im Heute an, kommt in Deutschland an. Ihr lebt hier, also legt das Kopftuch ab“, so formulierte es die grüne Abgeordnete Ekin Deligöz. Gut, dass Frau Deligöz nicht stellvertretende Bezirksbürgermeisterin in der Dortmunder Innenstadt Nord ist. Hier hätte man sie bei SPD und Grünen ob „der Undifferenziertheit ihrer Äußerungen“ als migrantenfeindlich und islamfeindlich entlarvt und sie sogleich abgewählt…

    P.S:: Ich kenne Gerda Horitzky viele Jahre. Sie hat sich immer für die Menschen in der Nordstadt eingesetzt, gerade auch für die – meist muslimischen – Migrantinnen und Migranten. Ich finde, die Art, wie SPD und Grüne jetzt mit ihr umgehen, ist unanständig. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie man sich fühlt, wenn man einer solchen Hetzkampagne ausgesetzt ist. Ich hoffe, dass sie sich diese Erfahrung nicht so zu Herzen nimmt und dass wenigstens ihre eigenen Parteifreunde sie ein wenig aufrichten…

    Dr. Marita Hetmeier
    (ist Mitglied der SPD und war früher Mitglied des Rates und Vorsitzende des SPD Stadtbezirks Dortmund Nord)

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert