SERIE (2) – Die NGG und ihre Vorläufer: Zigarrenarbeiter gehörten zu den Pionieren der Gewerkschaftsbewegung

Tabakarbeiter in einem Manufakturbetrieb. (Gemälde von Johannes Marx aus dem Jahre 1889)
Tabakarbeiter in einem Manufakturbetrieb. (Gemälde von Johannes Marx aus dem Jahre 1889)

Anlässlich des 150. Jahrestages der Gründung der ersten deutschlandweiten Gewerkschaft  – dem Allgemeinen Deutschen Zigarrenarbeiterverein – wird Nordstadtbogger.de in den nächsten Wochen aus der 165-jährigen Geschichte der Dortmunder Sektion berichten, aus der später die NGG entstanden ist.

Die Zigarrenarbeiter gehörten zu den Pionieren der deutschen Gewerkschaftsbewegung. Bereits 1848 wurde die Association der Cigarrenarbeiter Deutschlands mit fast 2.000 Mitgliedern gegründet.  Zwei Jahre später gründete der Verband einen Zweigverein in Dortmund.

Unterstützungskasse bei Krankheit oder Tod zum Unterlaufen der Verbote

CigarrenarbeiterEs gab eine eigene Zeitung unter dem Namen Concordia. Verbote der preußischen Behörden konnten die Entwicklung behindern aber nie vollständig unterbinden. In Neugründungen, oft als Unterstützungskasse bei Krankheit oder Tod, oder im Untergrund lebte der Gedanke fort.

Die Publikation hieß jetzt Circular, und hier wurde im November 1850 unter der Nr. 1 erwähnt, dass sich in Dortmund ein Zweigverein gegründet hat. Dies war der erste Vorläufer der NGG in Dortmund.

Zigarrenarbeiter waren also auch hier unter den ersten organisierten Gewerkschaftern. Die Zigarrenarbeiter waren lange Zeit die größte Gruppe unter den deutschen Gewerkschaften, sie zählten 1878 knapp 8.000 Mitglieder in 100 Zweigvereinen.

Wegen der unerträglichen Arbeitsbedingungen wagten aber auch andere Branchen den Zusammenschluss. 1873 waren es die Böttcher, 1885 Brauer und Bäcker, 1900 gründete sich der Verein der Gastwirtsgehilfen und 1902 der Centralverband der Fleischer und Berufsgenossen.

Berufsgruppe der Brauer kam in Dortmund eine große Bedeutung dazu

In Dortmund bekam sehr bald die Berufsgruppe der Brauer eine besondere Bedeutung. Das Dortmunder Bier erhielt einen Ruf als nationale und internationale Marke und gewann auf Messen höchste Preise.

Doch was die Hochglanzbroschüren der jüngsten Vergangenheit verschweigen: Brauergesellen wurden vor Gründung der ersten Organisation kaum besser als Leibeigene behandelt. Instrumente zur Erhaltung der Abhängigkeit waren unter anderem die Gewährung von Kost und Logis und Freibier.

Damit mussten die Arbeiter das im Betrieb gestellte Essen einnehmen, sie waren verpflichtet, die Unterkünfte − auch Massenquartiere − zu benutzen. So wurde ständige Kontrolle und Verfügbarkeit erreicht, und die unbeschränkte Abgabe von Freibier half die unsozialen Verhältnisse zu verschleiern.

Wollte ein Brauer heiraten, war vorher die Genehmigung der Betriebsleitung einzuholen. Andernfalls musste er mit seiner Entlassung rechnen.

1885 wurde der Allgemeine Deutsche Brauerverband gegründet

BrauereipferdeVor der Gründung des Allgemeinen Deutschen Brauerverbandes 1885 gab es „zünftige“ Brauergesellenvereine (Bundesgesellen) konservativer Prägung − meist als Unterstützungskassen −, die in Abhängigkeit von den Brauereibesitzern nicht zum Übertritt zu bewegen waren.

In den ersten Jahren gab es heftige Richtungskämpfe wegen konservativer, christlicher und sozialistischer Bestrebungen. Die Beschränkungen durch die Sozialistengesetze hatten bis 1890 Wirkung. Bei Gründung hatte der Allgemeine Deutsche Brauerverband 1.700 Mitglieder.

Danach folgten Namensänderungen − oft nach Zusammenschlüssen mit anderen Gewerkschaften. Letztlich wurde 1927 der Verband der Nahrungsmittel- und Getränkearbeiter mit 150.000 Mitgliedern gegründet.

Der Kampf um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen war mühselig aber doch erfolgreich. Viele organisierte Kollegen mussten das mit Maßregelungen oder dem Verlust des Arbeitsplatzes bezahlen.

Mit Beharrlichkeit und Opferbereitschaft schafften sie die Grundlage dafür, dass wir heute mit Stolz feststellen können: Die Tarife und Arbeitsbedingungen in Brauereien und Mälzereien gehören zu den Besten.

Die früheren Teile der Serie auf nordstadtblogger.de:

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