Seltene Einigkeit im Rat: Dortmund will die EURO 2024, aber nicht um jeden Preis – Entscheidung fällt erst im Juli

Die Feinmeile vom Hauptbahnhof zum Stadion war 2006 eine der Attraktionen.
Die Fanmeile vom Hauptbahnhof zum Stadion war 2006 eine der Attraktionen.

Dortmund ist eine fußballverrückte Stadt und das Sommermärchen mit der WM 2006 noch in bester Erinnerung. Eine Einschätzung, die auch viele Ratsmitglieder teilen. Doch wäre es auch verrückt, sich als Austragungsort für die Europameisterschaft 2024 zu bewerben, obwohl der DFB und die UEFA bisher nicht klar gesagt haben, welche Anforderungen und damit auch welche Kosten auf die Städte zukommen könnten? Eine Antwort hat der Rat deshalb noch nicht gegeben – er hofft auf mehr Informationen, bevor Anfang Juli endgültig eine Entscheidung fallen muss.

Viel Lob und Unterstützung für den Kurs von OB Ullrich Sierau

Ratssitzung Dortmund Oktober 2014
Große Einigkeit zum Themea EURO 2024 gab es im Dortmunder Rat. Archivfotos: Alex Völkel

Selten war sich der Rat bei einer Sache so einig. Alle Fraktionen wollen die EURO 2024 nach Dortmund holen. Aber nicht um jeden Preis. Und daher bekommt OB Ullrich Sierau viel Zuspruch und Rückenwind aus allen (!) Fraktionen, weil er sehr leidenschaftlich Druck macht, um mehr Informationen zu bekommen. Auch versucht er, die anderen Bewerberstädte auf eine gemeinsame Linie einzuschwören, geschlossen gegen DFB und UEFA aufzutreten und so bessere Bedingungen für die Städte zu bekommen.

Doch unter den 14 verbliebenen Interessenten  (Liste am Ende des Beitrags) scheint in verschiedenen Städten die Sorge, nicht unter den zehn Austragungsorten zu sein, größer als die vor nicht kalkulierbaren Kosten. Daher scheinen Sieraus Bemühungen fast aussichtslos, eine gemeinsame Phalanx zu schmieden. Das ist zumindest eine Erkenntnis, die der Dortmunder OB vom Städtetag mitgebracht hat.

„Es gibt eine große Bereitschaft bei den anderen 13 Städten, sich mit den Rahmenbedingungen abzufinden. Insbesondere bei den Städten, die bei WM 2006 nicht dabei waren“, berichtete der OB dem Rat. Einige hätten schon Beschlüsse gefasst und würden noch weiteres Geld, beispielsweise für ein Marketingkonzept ausgeben wollen, obwohl diese Städte „finanziell schlechter gestellt sind als Dortmund. Das lässt Rückschlüsse zu, zu was die bereit sind, um Spielort zu werden“, so Sierau.

Fragwürdiger Kurs: Manche Stadt will die Euro – koste es was es wolle

Die Fanfeste in Dortmund - vor allem bei den spielen in Dortmund - waren rauschend.
Die Fanfeste in Dortmund – vor allem bei den spielen in Dortmund – waren rauschend.

Manche Stadt reibe sich verwundert die Augen, wie breit das Thema in Dortmund diskutiert werde und wie kritisch man an eine Bewerbung rangehe. Dortmund habe schließlich auch die Bezirksregierung wegen der unkalkulierbaren Kosten eingeschaltet. Eine Rückmeldung liegt aber noch nicht vor. Ob sie kommt, ist fraglich – nicht zuletzt da in Düsseldorf ein Regierungswechsel ansteht.

Das Dortmunder Engagement sorgt für Stirnrunzeln beim Städtetag: Kommentare wie „Eigentlich seid ihr gesetzt, aber wenn ihr euch weiter so verhaltet, schießt ihr euch selbst raus“, habe er von anderen Städten zu hören bekommen.

„Wir sprechen heute über ein Großereignis, das wir hier gerne haben wollen“, sagte Ulrich Monegel in der Aussprache. Ungewöhnlich scharf griff er DFB und UEFA  und die „kompromisslose Haltung eines erfolgsverwöhnten Verbandes gegenüber einer fußballrelevanten Stadt“ an. Es würden die pauschale Zusage gefordert, bestmöglich den DFB zu finanzieren und die UEFA komme mit Anforderungen, die mit deutschem Recht kaum vereinbar seien.

Scharfe Kritik an DFB und UEFA wegen ihren undurchsichtigen Gebahrens

„Es werden einseitige Garantiezusagen von Stadion und Flughafen zur bedingungslosen Erfüllung gefordert. Aber der Anforderungskatalog ist unpräzise und noch nicht vollständig“, kritisierte Monegel. „Als Politik wissen wir nicht, was umfassende Haftung und Infrastruktur bedeutet – eine seriöse Abschätzung der Kosten ist nicht absehbar.“

Vor allem Aufwand und Kosten für das Sicherheitskonzept sind überhaupt nicht absehbar.
Vor allem Aufwand und Kosten für das Sicherheitskonzept sind überhaupt nicht absehbar.

Man könne davon ausgehen, dass die Stadt volkswirtschaftlich einen größeren Ertrag haben könne als der Aufwand betrage. Das wisse auch der DFB. Aber die Bedeutung von Dortmund sei auch nicht zu unterschätzen: „Wir haben eines der drei größten Stadien. Da kommen 20.000 zum Rasenschneiden und 65.000, wenn 2. Mannschaft des Vatikan zum spielen kommt“, machte der CDU-Fraktionschaf die Fußballbegeisterung deutlich. Nicht ohne Grund stehe hier auch das Deutsche Fußballmuseum.

Dortmund könne und müsse selbstbewusst und auf Augenhöhe verhandeln. Andere Städte seien leider sehr sorglos. „Es ist sehr bedauerlich, dass es den Verbänden sehr gut gelingt, die Städte gegeneinander auszuspielen. Aber auch die Haushaltskonsolidierung ist ein Thema für uns.“

Der Beschluss habe starke Ausstrahlung auf die Stadtgesellschaft. „Sie haben volle Unterstützung für bisherigen Kurs – der ist gut und richtig“, sagte Monegel in Richtung Stadtspitze. Sieraus Resolution (Datei als Anhang am Ende des Textes) wurde bei nur zwei Enthaltungen vom Rat befürwortet.

Doch die Sorge ist bei allen Fraktionen groß, dass es auch in vier Wochen keine genaueren Zahlen gibt: „Wir unterstützen die Resolution, um etwas Zeit zu gewinnen und um zu eruieren, was auf die Stadt zukommen könnte“, sagte Utz Kowalewski (Linke & Piraten). „Die EURO ist uns etwas wert. Aber wir müssen quantifizieren können, in welcher Größenordnung.“

Der Dortmunder Rat wird dem DFB keinen Blankoscheck ausstellen

Dortmund hat der FIFA 2006 den roten Teppich ausgerollt. 2024 wird das für die EURO fraglich.
Dortmund hat der FIFA 2006 den roten Teppich ausgerollt. 2024 wird das für die EURO fraglich.

Auch wenn die WM 2006 schön und erfolgreich gewesen sei, werde man nicht bedingungslos einen Blankoscheck an DFB und UEFA ausstellen. „Das können wir auch gar nicht, weil wir als Politiker das Wohl der Stadt im Auge behalten müssen. Sofern ist es gut, dass wir heute nicht entscheiden müssen“, sagte Ingrid Reuter (Grüne).

„Wir hoffen, dass bis dahin noch einiges geklärt werden kann. Wir müssen eine Zukunftsentscheidung treffen. Aber die beiden Verbände, denen es finanziell doch garnicht schlecht geht, wälzen das Risiko auf die Austragungsstädte ab“, ärgerte sie sich.

Außerdem müsse der Rat eine Entscheidung treffen, die erst in der nächsten Wahlperiode ihre finanzielle Wirkung zeitige. „Daher gibt es auch von SPD keine ungedeckten Blankoschecks. Wir geben das Geld in der nächsten Wahlperiode aus, wenn der ein oder andere von uns nicht mehr hier ist“, so Norbert Schilff (SPD).

„Wir wollen die Spiele haben, aber die Konditionen müssen stimmen. Die Resolution zeigt, in welche Richtung es gehen kann.“ Auch Schilff machte aus seinem Unmut über die UEFA und ihr Geschäftsgebahren keinen Hehl: „Der Dachverband erinnert mich mehr an Potentaten auf der Krim und nicht an Geflogenheiten unter Demokraten.“

Ratsfraktionen sind sich einig: „Gemeinsamer Weg der Vernunft“

Nervenzerreißend war das WM-Halbfinale 2006 in Dortmund. Die Zitterpartie um die EURo 2024 geht weiter.
Nervenzerreißend war das WM-Halbfinale 2006 in Dortmund. Die Zitterpartie um die EURO 2024 geht weiter.

„Ein gemeinsamer Weg der Vernunft zeichnet sich ab. Wir haben vier Wochen Zeit, Chancen und Risiken abzuwägen“, zog Heiner Garbe (AfD) ein vorläufiges Fazit. Der Rat brauche den Mut, auch „Nein“ zu sagen, wenn das Risiko zu hoch sei.

Doch an ein gleichberechtigtes Miteinander zwischen Städten und Verbänden glaubt er nicht: „Bei dem, was hier erfahren haben und welche Skandale bekannt sind, ist klar, dass wir niemals auf Augenhöhe verhandeln können“, so Garbe. „Wir haben ein Pfund, mit dem man wuchern kann. Aber die wollen hier riesig Kasse machen und uns die Kosten aufbürden. Wir können uns nicht auf lange Jahre den finanziellen Boden unter den Füßen wegziehen lassen“, warnte Garbe.

Auch Dr. Thomas Reinbold (FDP/Bürgerliste) mahnte einen sehr verantwortlichen Umgang mit dem Geld an: „Ich habe großes Vertrauen, dass der OB damit verantwortungsvoll umgeht.“ Sorgen, dass sich Dortmund durch seine kritische Haltung in Bezug auf die Kosten schade, sieht er nicht. „Ich glaube nicht, dass wir uns da abschießen. DFB und UEFA sind sich bewusst, welche Bedeutung Dortmund und auch die Größe des Stadions hat.“

Bewerbungsfrist bis zum 10. Juli – DFB-Entscheidung am 15. September

Dortmund konnte als WM-Austragungsort glänzen. Ob auch bei der EURO, ist offen.
Dortmund konnte als WM-Austragungsort glänzen. Ob auch bei der EURO 2024, ist offen.

Nun gilt es, möglichst viele Informationen über die Kosten zu bekommen. Bis zum 10. Juli muss die Bewerbung beim DFB vorliegen. Da die nächste Ratssitzung aber erst am 13. Juli ist, braucht es eine andere Entscheidungsstruktur.

Die Fraktionen sollen am 3. Juli beraten. In dne kommenden Tagen wird es eine Sonderältestenratssitzung geben und die politische Debatte wird am 6. Juli im Finanzausschuss  stattfinden. Sollte es eine Mehrheit für die Bewerbung geben, wird der OB zusammen mit einem Ratsmitglied eine Dringlichkeitsentscheidung unterschreiben, die der Rat dann am 13. Juli nachträglich legitimiert.

Bereits am heutigen Freitag geht die jetzt beschlossene Resolution an die anderen Bewerberstädte – mit der Bitte, sich anzuschließen oder sich zumindest das Ansinnen zu eigen zu machen. Wie es weiter geht, wird sich zeigen. Spätestens in fünf Wochen gibt es Klarheit, ob Dortmund seinen Ring in den Hut wirft.

Der DFB wird dann am 15. September mitteilen, welches die Spielstandorte sein sollen. In welchem Land die EURO 2024 stattfinden wird, wird voraussichtlich erst im September 2018 entschieden. Mit im Rennen ist bisher nur noch die Türkei.

Die Resolution als PDF zum Download: Resolution EURO2024

Folgende deutsche Städte sind noch im Rennen:

  • Berlin (Olympiastadion)
  • Bremen (Weserstadion)
  • Dortmund (Signal Iduna Park)
  • Düsseldorf (ESPRIT arena)
  • Frankfurt a. M. (Commerzbank-Arena)
  • Gelsenkirchen (Veltins-Arena)
  • Hamburg (Volksparkstadion)
  • Hannover (HDI-Arena)
  • Köln (Rheinenergiestadion)
  • Leipzig (Red Bull Arena)
  • Mönchengladbach (Borussia-Park)
  • München (Allianz Arena)
  • Nürnberg (Stadion Nürnberg)
  • Stuttgart (Mercedes-Benz-Arena)

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Bewerbung für EURO 2024 wackelt: Kosten sind für die Stadt Dortmund nicht kalkulierbar – Rat muss entscheiden

 

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Reaktionen

  1. Tanja Schneider

    Auch damals ,2006 zur FiFA-WM hatte die Stadt ein Minus zu verzeichnen. Ich muss keine sportlichen „Grossveranstaltungen“ in Dortmund mehr haben.

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