Prostitution in Dortmund: Grüne wollen neues Gesetz und zusätzliche Hilfsmaßnahmen diskutieren

Nach der Schließung des Straßenstrichs ist die Linienstraße zentrale Anlaufstelle für Freier.
Nach der Schließung des Straßenstrichs ist die Linienstraße zentrale Anlaufstelle für Freier. Fotos: Alex Völkel

Die Grünen wollen nach den Sommerferien die Auswirkungen des neuen Prostituiertenschutzgesetzes für Dortmund in den zuständigen Ausschüssen diskutieren. Auf die Tagesordnung müssten auch Hilfsmaßnahmen für die schwerstdrogenabhängigen Prostituierten sowie Unterstützungen für in der Prostitution tätige Frauen und Männer aus Südosteuropa.

Das Gesetz und seine Auswirkungen sollen im Sozialausschuss auf die Tagesordnung

Das sind die Ergebnisse eines Gesprächs der Grünen-Fraktion mit Mitarbeiterinnen der Mitternachtsmission. Die Mitternachtsmission berät seit vielen Jahren Prostituierte, ehemalige Prostituierte und Opfer von Menschenhandel.

 Das neue Prostituiertenschutzgesetz gilt seit dem 1. Juli und hat gravierende Auswirkungen auf die Frauen, auf die Betreiber von Bordellen, aber auch für das Ordnungs- und Gesundheitsamt. Denn durch die neue Beratungs- und Anmeldepflicht für Prostituierte werden zusätzliche Stellen in der Verwaltung benötigt.

„Dazu würden wir gerne wissen, wie viele das sind und welchen finanziellen Ausgleich es dafür von Land und Bund gibt. Darüber hinaus stellen sich insbesondere Fragen hinsichtlich des Datenschutzes der Betroffenen“, betont Ulrich Langhorst, Sprecher der Grünen-Ratsfraktion.

„Bis jetzt ist darüber weder im Sozialausschuss noch im Ausschuss für Bürgerdienste informiert und beraten worden. Das wollen wir nun dringend auf die Tagesordnung setzen.“

Viele Verbände und Organisationen sehen große Teile des Gesetzes kritisch

Die Linienstraße mit ihren Bordellen - hier ist Prostitution erlaubt.
Die Linienstraße mit ihren Bordellen – hier ist Prostitution erlaubt, die Betriebe sind angemeldet.

Von vielen Sozialverbänden und -organisationen werden große Teile des neuen Gesetzes sehr kritisch gesehen. Auch die Mitternachtsmission befürchtet, dass insbesondere die neue Anmeldepflicht für Prostituierte beim Ordnungssamt und die damit verbundene Anmeldebescheinigung kontraproduktiv ist.

Viele Frauen üben die Prostitution im Verborgenen und ohne Kenntnis ihres privaten Umfelds aus. Durch die Anmeldebescheinigung und die Weiterleitung der Daten an die Finanzbehörden besteht die Gefahr, dass diese Anonymität aufgehoben wird und die Betroffenen im Zweifelsfall erpressbar werden.

Die Hoffnung, dass durch die Anmeldepflicht der Menschenhandel maßgeblich eingedämmt wird, teilen die Mitarbeiterinnen der Mitternachtsmission dagegen nicht. Sie glauben nicht, dass Frauen, die Opfer von Menschenhandel sind, das auch bei der nun notwendigen Anmeldung ihrer Tätigkeit sagen werden.

Positiv wird allerdings die neue Genehmigungspflicht für Bordellbetreiber bewertet. Durch den Nachweis der Zuverlässigkeit der Betreiber sowie neue Anforderungen an die Räume verbessert sich die Situation für die Prostituierten.

Situation von schwerstdrogenabhängigen, meist deutschen Prostituierten in der Nordstadt als Thema

Ein weiterer Schwerpunkt im Gespräch der Grünen mit der Mitternachtsmission war die Situation von schwerstdrogenabhängigen, meist deutschen Prostituierten in der Nordstadt. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von insgesamt ca. 80 Frauen, von denen nach Aussage der Verwaltung regelmäßig bis zu 35 auf den Straßen anzutreffen sind und die über diesen Weg ihre Sucht finanzieren.

Die Mitarbeiter des Ordnungsamtes sind auch weiterhin in der Nordstadt präsent.
Polizei und Ordnungsamt halten den Kontrolldruck rund um den Nordmarkt auf die Prostituierten hoch.

Viele von ihnen befinden sich in einer schwierigen gesundheitlichen Situation, wobei besonders Unterernährung, starke Entzugssymptome, Haut- und Zahnprobleme, gynäkologische und psychische Probleme zu verzeichnen sind.

Ihre Situation hat sich durch den hohen Kontrolldruck nach der Schließung des Straßenstrichs erheblich verschärft. Auch Strafverfahren und Freiheitsstrafen von mehreren Monaten führen in der Regel dabei nicht zu einem Ausstieg aus Prostitution und Sucht.

 „Seit Jahren drängen wir darauf, dass es insbesondere für diese Frauen, aber auch für andere Schwerstdrogenabhängige ein Diamorphin-Programm gibt. Erfahrungen in anderen Städten zeigen, dass sich damit sowohl die gesundheitliche als auch die psychosoziale Situation derjenigen Schwerstabhängigen verbessert, die von anderen Angeboten nicht mehr erreicht werden“, betont Kathrin Klausmeier, Mitglied der Grünen im Ausschuss für Soziales und Gesundheit.

„Von SPD, CDU und der Verwaltung ist das bisher immer abgelehnt worden. Das Gespräch hat deutlich gemacht, dass es hier aber nach wie vor dringenden Handlungsbedarf gibt.“

Probleme für südosteuropäische ArmutzuwandererInnen durch Ausschluss aus den Sozialsystemen 

Den gibt es auch hinsichtlich der Situation von Frauen und Männern, die als EU-ZuwanderInnen der Prostitution nachgehen. Sie sind von staatlichen und kommunalen Hilfeleistungen weitestgehend ausgeschlossen, weil sie nicht anspruchsberechtigt sind. Das betreffe zum Beispiel Integrationskurse, aber auch Schlafmöglichkeiten in den städtischen Übernachtungsstellen, so die Grünen.

„Viele dieser Menschen sind obdachlos und verelendet. Besonders die betroffenen  Frauen sind dadurch gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt oder müssen für einen Schlafplatz durch sexuelle Handlungen bezahlen. Notwendig sind hier zusätzliche niedrigschwellige Angebote, mit denen diese Menschen unterstützt werden können. Auch das werden wir in den Ausschüssen thematisieren“, so Klausmeier.

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