Polizeipräsident setzt im Kampf gegen Rechtsextremismus auf den Doppelpass mit der Zivilgesellschaft

Interview mit Polizeipräsident Gregor Lange. Foto: Franz Luthe
Interview mit Polizeipräsident Gregor Lange – er ist seit 100 Tagen im Amt. Foto: Franz Luthe

Die Bekämpfung des Rechtsextremismus bleibt für den neuen Dortmunder Polizeipräsidenten Gregor Lange die vordringliche Aufgabe – nach 100 Tagen im Amt mehr denn je, wie er im Gespräch mit nordstadtblogger.de deutlich macht. Das unterstreichen auch die 300 Termine, die Lange in den ersten Wochen hatte: Von der Koordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus und die Stadtspitze über den Verfassungsschutz bis zur jüdischen Gemeinde reichten die Gespräche.

Lange: „Die Polizei ist nicht neutral. Sie ist ein Instrument des demokratischen Rechtsstaats“

Die Stadt Dortmund wird die Hausordnung des Rathauses und im Ratssaal strikt durchsetzen und mit einem Sicherheitsdienst die Einhaltung überwachen. Sollte sie dabei nicht weiterkommen, kann sie die Polizei um Vollzugshilfe bitten. Die Polizei wird bei allen Sitzungen im Bereich des Rathauses und des Friedensplatzes präsent sein.
Die Polizei zeigt Präsenz. Foto: Völkel

Lange setzt dabei auf den „Doppelpass“ mit der Zivilgesellschaft. Er erneuerte daher seine Ankündigung, friedlichen demokratischen Protest gegen Rechtsextremismus besonders zu schützen und zu unterstützen.

„Die Polizei ist nicht neutral. Sie ist ein Instrument des demokratischen Rechtsstaats.“ Dessen Interesse gelte es zu schützen, dafür träten die friedlichen Demonstranten ebenfalls ein.

Interview mit Polizeipräsident Gregor Lange. Foto: Franz Luthe
„Wir müssen uns fragen, was wir aus dem NSU und dem Rechtsextremismus lernen können.“ Foto: Luthe

Um dies erfolgreich zu tun, setzt Lange auch auf die Sensibilisierung für das Thema innerhalb der Polizei: „Das ist eine dauerhafte Aufgabe. Daher hat er systematische Befassung auch in der Aus- und Fortbildung angeordnet: „Wir müssen uns damit systematisch befassen und uns fragen, was wir aus dem NSU und dem Rechtsextremismus lernen können“, betont Lange.

Führungskräfte, Wachleitern, Kontakt- und Bezirksbeamte hat er dabei ebenso im Visier wie Auszubildende. So hat er beispielsweise eine Kooperation mit der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache angestoßen.

Drei-Säulen-Modell gegen Rechtsextremismus

Neonaziaufmarsch in Dortmund
Lange: „Verbote sind kein politisches Zeichen, sondern Bestandteil einer Strategie.“

Lange setzt beim Kampf gegen Rechtsextremismus – wie schon sein Vorgänger Norbert Wesseler – auf ein Drei-Säulen-Modell: Wichtige Komponente ist dabei die Repression.

„Wir halten den Strafverfolgungsdruck ganz hoch und sind auch beim Versammlungsrecht sehr repressiv.“ Er werde auch weiterhin Verbote von Aufmärschen aussprechen. „Doch Verbote sind kein politisches Zeichen, sondern Bestandteil einer Strategie“, verdeutlicht Lange.

„Natürlich bringen Verbote die Gefahr mit sich, damit vor Gericht zu unterliegen. Aber wir haben auch die Chance, dass Gerichte den aktuellen Argumenten folgen.“

Strafverfolgungsdruck sorgt für erfolgreichere Gefahrenprognose

Neonazi-Aufmarsch in Westerfilde
Gegen die Einschüchterung von Ausländern durch Neonazis ging die Polizei in Westerfilde vor.

Dies macht er am Beispiel der Mai-Demos deutlich: Am 30. April und 1. Mai sei das Gericht „noch nicht so auf seine Gefahrenprognose eingestiegen“. Doch die schnelle Strafverfolgung der massiven Einschüchterungen von ausländischen Mitbürgern habe dazu geführt, dass er zehn Tage später den geplanten Aufmarsch durch die Nordstadt durch harte Auflagen zu einer kleinen Standkundgebung reduzieren konnte.

„Die Bekämpfung des Rechtsextremismus braucht Durchhaltevermögen. Wir werden immer die Chancen ausloten“, versprach der neue Polizeipräsident. „Wir unternehmen erhebliche Ermittlungsanstrengungen, wenn ein Anfangsverdacht besteht.“ Auch bei den Sanktionen nutzten die Behörden die ganze Bandbreite und kooperierten auch mit Dritten: Stadionverbote, Waffenbesitzverbote oder der Entzug der Fahrerlaubnis bei fehlender charakterlicher Eignung sind nur drei der Mittel, die zum Einsatz kommen könnten.

Zusätzliches Personal gegen Rechtsextremismus bleibt erhalten

Interview mit Polizeipräsident Gregor Lange. Foto: Franz Luthe
„Ich bin dankbar, dass wir das zusätzliche Personal behalten konnten.“ Foto: Luthe

Zweite Säule sei, dass auch nach dem Verbot des Nationalen Widerstands Dortmund („NWDO“) die „Besondere Aufbau-Organisation“ – kurz „BAO“ – erhalten blieb.

„Ich bin dankbar, dass wir das zusätzliche Personal behalten konnten“, so Lange. Dadurch hat der Polizeipräsident mehr Personal für den Schwerpunkteinsatz gegen Rechtsextremismus zur Verfügung. „Wir können so den Kontrolldruck hochhalten.“ Vor Szene-Einrichtungen, am Stadion, bei Veranstaltungen – „Wir können gar nicht wachsam genug sein.“

Polizei will in Schulen für Zivilcourage werben

Der S-Bahnverkehr kam durch Blockaden über Stunden zum Erliegen.
Der S-Bahnverkehr am 1. Mai  kam durch friedliche Blockaden über Stunden zum Erliegen. Foto: Völkel

Die dritte Säule sieht er in der Prävention: „Wir sind dann am erfolgreichsten, wenn der Doppelpass mit der Zivilgesellschaft gelingt.“

Daher will er – das ist das Ergebnis eines Gesprächs mit dem Regierungspräsidenten – auch in die Schulen gehen.  Lange will sensibilisieren, für Zivilcourage werben und deutlich machen, dass die Polizei friedlichen demokratischen Protest zulassen will, so gut es eben geht.

Dieses Engagement soll sich von dem unterscheiden, welches sein Vor-Vorgänger Hans Schulze an den Tag gelegt hatte. Auch dort waren Beamte vor einem „Nationalen Antikriegstag“ in Schulen. Der Tenor damals war – überspitzt formuliert: Wenn ihr nicht demonstriert, macht ihr auch nichts falsch und euch nicht strafbar…

Kritische Selbsteinschätzung – NSU-Aktivitäten werden aufgearbeitet

Am 4. April 2006 wurde Mehmet Kubasik in seinem Kiosk in der Mallinckrodtstraße ermordet. Archivfoto: Alex Völkel
Am 4. April 2006 wurde Mehmet Kubasik in seinem Kiosk in der Mallinckrodtstraße ermordet. Archivfoto: Völkel

Der neue Dortmunder Polizeipräsident zeigt sich durchaus selbstkritisch: „Die Einsätze sind im wesentlichen gut gelungen.“ Doch nicht immer dringe die „Philosophie der Einsatzbesprechungen“ an alle Beteiligten durch.

Auch wisse er, dass auch Fehlverhalten von Polizisten vorkomme: „Wir haben einen Apparat von fast 3000 Polizeibeamten. Das Thema Beschwerdemanagement nehmen wir sehr ernst.“ Auch daher sei die Sensibilisierung wichtig. Ab dem Herbst werde die Aufarbeitung der NSU-Aktivitäten ein Thema, wo auch eigenes Personal zum Einsatz kommen soll.

Salafismus: Lange sucht Gespräch mit friedlichen Muslimen

Allerdings ist die Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht das einzige Thema. Auch den Salafismus habe seine Behörde im Blick: „Bisher haben wir keine festen Organisationsstrukturen. Das ist bisher eher ein Thema im Rheinland“, so Gregor Lange.

Er möchte das Thema anders akzentuieren: „Ich stelle mir die Frage, wie man präventiv handeln und mit friedlichen Muslimen ins Gespräch kommen kann.“ Nach dem Ramadan – an den Feiern wird Lange teilnehmen – will er einen Gesprächszirkel einrichten.

Schwerpunkteinsätze in der Nordstadt gehen weiter

Polizeieinsatz in der Nordstadt. Vor dem Stehcafe Europa an der Mallinckrodtstraße
Die Schwerpunkteinsätze der Polizeieinsatz in der Nordstadt gehen weiter. Foto: Hartmann

Das Thema Fußball und Gewalt ist ebenso ein Thema wie die Bekämpfung der Wohnungseinbrüche. Weiter im Fokus steht die Nordstadt: Der Kontroll- und Strafverfolgungsdruck soll aufrecht erhalten werden. Die Zurückdrängung der Prostitution sei gelungen. Auch die Schwerpunkteinsätze sollen weitergehen: „Ich habe zusätzliche Kontingente in die Bereitschaftspolizei gegeben“, macht Lange deutlich.

Die Polizei will alle Möglichkeiten nutzen und spricht daher verstärkt Aufenthaltsverbote aus und nehme verstärkt Verdächtige in Gewahrsam, um eine Wirkung zu erzielen. „Wir setzen deutliche Nadelstiche – die Nordstadt ist kein rechtsfreier Raum.“

Allerdings – auch hier unterscheidet er sich von seinem Vor-Vorgänger – erkennt er an, dass die Kriminalität auch soziale Ursachen habe. Daher hat Lange einen Jour fixe mit Sozialdezernentin Birgit Zoerner etabliert, um die Möglichkeiten der Zusammenarbeit und des Austauschs zu verbessern.

Print Friendly, PDF & Email

Reaktionen

  1. David Grade

    „Lange will sensibilisieren, für Zivilcourage werben“, das finde ich gut. Er könnte damit anfangen, sich bei den Menschen zu bedanken, die am 25.05.2014 vor dem Rathaus standen und gegen einen rechtsextremen Mob Zivilcourage gezeigt haben.

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert