Nach dem „Brexit“ nun der „DOxit“ : Das Ende der Erstaufnahmeeinrichtungen in Dortmund ist eingeläutet

Auf dem Parkplatz F2 neben dem Westfalenpark ist die EAE errichtet worden.
Spätestens am 30. Juni 2017 ist Schluss – dann soll auch die Buschmühle geschlossen sein. Fotos: Alex Völkel

Nach dem „Brexit“ nun der „DOxit“ (Zitat OB Sierau): Das Ende der Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) für Flüchtlinge in Dortmund ist eingeläutet. Die EAE in Hacheney (350 Plätze) wird am 30. September 2016 schließen, das deutlich größere Provisorium an der Buschmühle (1000 Plätze) zum 30. Juni 2017. Damit einher geht auch die Schließung der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB). Sie wird am 31. Dezember 2017 ihren Betrieb in Dortmund einstellen.

Die Landeserstaufnahme in Bochum soll die zentrale Aufgabe übernehmen

Murat Sivri von European Homecare ist Betriebsleiter in Hacheney und an der Buschmühle.
Zum 1. Oktober wird das Land die Buschmühle übernehmen und zum 30. Juni 2017 schließen.

Die Stadt Dortmund betreibt seit April 2011 im Auftrag des Landes die Erstaufnahmeeinrichtung(en). Dort werden Flüchtlinge aufgenommen, registriert und dann nach einer kurzen Verweildauer auf die Kommunen des Landes verteilt.

Das Land Nordrhein-Westfalen wird die Erstaufnahme und Verteilung der Flüchtlinge durch die Einrichtung einer sogenannten Landeserstaufnahme in Bochum voraussichtlich ab Januar 2017 auf eine neue Basis stellen.

Ab dann werden grundsätzlich alle Flüchtlinge, die NRW erreichen, zunächst der Landeserstaufnahme zugeführt, erfasst und danach geordnet einer von mehreren Erstaufnahmeeinrichtungen in NRW zugewiesen.

Das Land kommt damit einer zentralen Forderung der Stadt Dortmund nach, die eine gewirdnete Verteilung angemahnt hatte. Dort wird dann auch eine gesundheitliche Erstuntersuchung und eine biometrisch unterstützte Registrierung der Personen geleistet, um anschließend einen Asylantrag stellen zu können.

Zehn EAE in Nordrhein-Westfalen geplant – Dortmund wird kein Standort werden

Alle Gebäude sind wind- und wetterfest und auch für den Winter ausgerüstet.
Alle Leichtbauhallen sind wind- und wetterfest und auch für den Winter ausgerüstet. Doch der Betrieb ist teuer.

Diese neuen Erstaufnahmeeinrichtungen werden zukünftig Kapazitäten in einer Größenordnung von jeweils bis zu 1000 Plätzen haben. Damit wird deutlich, dass die in Dortmund vorhandenen Standorte in Hacheney und an der Buschmühle diese neuen Anforderungen nicht erfüllen können.

Die Neubaupläne einer EAE in Huckarde war im Frühjahr am Widerstand von SPD und CDU gescheitert. Auch in der Bevölkerung hatte es kritische Stimmen gegeben. Mit dem Verzicht auf den Neubau wurde das Ende der EAE in Dortmund eingeläutet.

Denn der Standort Hacheney ist mit seinen 350 Plätzen zu klein und war im letzten Jahr dauerhaft überlastet. Der Standort an der Buschmühle war von Anfang an als Provisorium gedacht und hat schon alleine wegen der Verwendung von Leichtbauhallen eine nur begrenzte Nutzungsdauer.

Deshalb haben sich das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen und der Verwaltungsvorstand der Stadt Dortmund darauf verständigt, die Erstaufnahmeeinrichtungen in Dortmund perspektivisch zu schließen.

In Hacheney werden kommunal zugewiesene Flüchtlinge untergebracht

Allein im Juni 2015 wurden mehr als 53.000 Flüchtlinge durch die EAE Hacheney geschleust.
Bis zu 27 Prozent aller in Deutschland ankommenden Flüchtlinge wurden durch Hacheney geschleust.

Die EAE in Hacheney wird zum 30. September 2016 ihren Betrieb einstellen. Die Gebäude werden allerdings dann noch weiter für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt. Zunächst sollen dort kommunal zugewiesene Flüchtlinge untergebracht werden.

Parallel werden dazu die planungsrechtlichen Voraussetzungen für ein Wohnungsneubaugebiet geschaffen. Dies geht aber nicht von heute auf morgen. OB Ullrich Sierau rechnet damit, dass frühestens in drei Jahren „das Erste dort passieren wird – dann wäre das schnell.“

Realistischer scheint, dass noch vier bis fünf Jahre Flüchtlinge dort wohnen werden. Bis zur Mitte des Jahres 2020 scheint dem Verwaltungsvorstand realistisch. Allerdings geht dies nicht mit der massiven Verkehrsbelastung einher wie früher bei der EAE.

„Es wäre ein Frevel, wenn man die Einrichtung nicht dafür nutzen würde“, wirbt Sierau um Verständnis. Denn dort stünden ab Oktober gute massive Gebäude leer, während andernorts die Menschen in Traglufthallen wohnen müssten.

Areal in Hacheney soll bis 2020 als Bauland ausgewiesen werden

27 aller in Deutschland ankommenden Asylbewerber durchlaufen die EAE Hacheney.
Die Gebäude auf dem Areal soll bis maximal 2020  für kommunal zugewiesene Flüchtlinge genutzt werden.

Bei den Menschen in Hacheney sieht sich Sierau im Wort. Von Anfang an sei dort eine EAE auf maximal zehn Jahre geplant gewesen. „Es war immer klar, dass es eine Folgenutzung geben wird. Wir sind eine wachsende Stadt und haben Bedarf an Wohnbauflächen“, verdeutlicht der OB. „Wir decken ihn peu à peu.“

Die Baugebiete Erdbeerfeld, Hohenbuschei und Phoenixsee seien weitestgehend zugelaufen. „Wir haben schon Bedarf an weiteren Flächen. Da bietet sich Hacheney an. Doch das konnte planungsrechtlich nicht vorbereitet werden“, so Sierau.

Der Standort an der Buschmühle wird zum 30. Juni 2017 geschlossen werden. Nach Abbau der Einrichtung wird die Fläche wieder als Parkplatz für Heimspiele des BVB und für Großveranstaltungen zur Verfügung stehen.

Aufgrund der Aufgabe der Erstaufnahmeeinrichtungen ist eine Fortführung der Aufgaben einer Zentralen Ausländerbehörde in Dortmund nicht mehr erforderlich. Die Zentrale Ausländerbehörde in Dortmund wird daher am 31. Dezember 2017 ihren Betrieb einstellen. Die Aufgaben der kommunalen Ausländerbehörde bleiben selbstverständlich bei der Stadt Dortmund.

In der ZAB arbeiten derzeit 43 Beschäftigte. „Teils wurden sie von uns sehr gut ausgebildet. Wir werden versuchen, sie in Dortmund zu halten und ihnen Angebote zu machen“, machte die zuständige Dezernentin Diane Jägers deutlich.“Wir werden beruhigend einwirken auf die, die sich Angst um ihre Arbeitsplätze machen.“

Dortmund muss nach dem EAE-Aus bis zu 1755 Flüchtlinge zusätzlich aufnehmen

27 aller in Deutschland ankommenden Asylbewerber durchlaufen die EAE Hacheney.
Die Stadt Dortmund muss nach der EAE-Schließung mehr Flüchtlinge aufnehmen und versorgen.

Wer die EAE nicht wollte, um weniger Flüchtlinge in der Stadt zu haben, sieht sich allerdings wie beim britischen „Brexit“ getäuscht. Im Endeffekt kommt der „DOxit“ – die Schließung der EAE – die Stadt teurer zu stehen. Denn alle Kosten als Durchgangsstation des Landes werden bisher zu 100 Prozent aus Düsseldorf finanziert. Und die Flüchtlinge blieben oft nur wenige Stunden in der Stadt.

Dafür gibt es bisher eine Anrechnung der Plätze in den beiden EAE mit dem Faktor 1,3 auf die kommunalen Zuweisungen von Flüchtlingen. Im Klartext: Dortmund bekommt durch die EAE-Schließung perspektivisch mehr Flüchtlinge, die sie mehr oder weniger dauerhaft unterbringen, verpflegen und integrieren muss – zum großen Teil nun erst mal auf eigene Rechnung.

Durch die Schließung von Hacheney zum 1. Oktober sind das 405 Flüchtlinge zusätzlich, die Dortmund zugewiesen bekommen wird. Nach der Schließung der Buschmühle wird die Zahl insgesamt auf bis zu 1755 geflohene Menschen zusätzlich ansteigen, rechnet Sozialdezernentin Birgit Zoerner vor.

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Reaktionen

  1. CDU-Fraktion

    CDU-Fraktion begrüßt Aufgabe der EAE in Hacheney
    
Uwe Waßmann: „Schnellstmöglich Planverfahren für Wohnen einleiten“

    Die CDU-Fraktion begrüßt die Aufgabe der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Hacheney durch das Land zum 30.09.2016 ausdrücklich. „Damit ist endlich eine Entlastung insbesondere für die Anwohnerinnen und Anwohner der Glückaufsegenstraße absehbar“, so der planungspolitische Sprecher der CDU-Ratsfraktion Uwe Waßmann.

    Von Anfang an sei klar gewesen, dass der Standort einer EAE am Ende einer engen Sackgasse in einem gewachsenen Wohnviertel suboptimal ist. Das hohe Verkehrsaufkommen insbesondere auch durch große Busse sowie Spannungen zwischen Flüchtlingen und Anwohnern seien vorprogrammiert gewesen. Insofern hätten die Bewohner der Glückaufsegenstraße jetzt eine Perspektive, dass sich die Situation in ihrem unmittelbaren Wohnumfeld absehbar deutlich entspannt.

    Waßmann erwartet jetzt von der Verwaltung, dass das Gelände der ehemaligen Gehörlosenschule zügig überplant und einer höherwertigen Wohnbebauung zugeführt wird. „Dortmund ist eine wachsende Stadt. Bis 2040 ist ein Bevölkerungswachstum um 5,1 % vorhergesagt. In absoluten Zahlen bedeutet dies eine Zunahme der Bevölkerung um über 29.000 Personen auf 605.100 Einwohnerinnen und Einwohner“.

    Der Standort Hacheney biete neben der attraktiven Lage am Rombergpark und am Zoo auch eine hervorragende ÖPNV-Anbindung mit der Endhaltestelle der U49 und den Buslinien 438, 443 und 447. „Wir meinen, das Gelände ist ein Filetgrundstück, das eine hohe Nachfrage erzeugen wird und schnell vermarktet werden kann“, so Waßmann.

    Bis das Gelände jedoch in die Vermarktung gehen kann, sollten die Gebäude als Flüchtlingsunterkunft für dauerhaft zugewiesene Flüchtlinge weitergenutzt werden. „Die Gebäudesubstanz ist relativ gut, es ist einiges an Geld in den Umbau der ehemaligen Schule geflossen. Es ist also sinnvoll, den Standort für einen überschaubaren Zeitraum von vielleicht zwei, drei Jahren als Sammelunterkunft weiter zu nutzen, bis das notwendige Planverfahren für höherwertiges Wohnen abgeschlossen ist“, so Waßmann abschließend.

  2. Grünen-Fraktion

    GRÜNE bedauern Aus für Erstaufnahmeeinrichtung

    Die GRÜNEN im Rat bedauern das endgültige Ende der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (EAE) in Dortmund. Die Verwaltung hatte am Dienstag mitgeteilt, dass Mitte 2017 nach dem Standort Hacheney auch die Einrichtung Buschmühle geschlossen wird.

    Ulrich Langhorst, Fraktionssprecher der GRÜNEN:
    „Das ist die Konsequenz aus der Entscheidung von SPD und CDU, kein neues festes Gebäude für die Erstaufnahmeeinrichtung zu bauen. Denn Hacheney ist aufgrund der Landesvorgaben für eine EAE auf Dauer zu klein und Buschmühle nur für einen begrenzen Zeitraum nutzbar. Damit endet eine lange Tradition in der Erstaufnahme von Flüchtlingen in Dortmund. Wir waren als GRÜNE immer der Auffassung, dass sich Dortmund als drittgrößte Stadt in NRW mit einer EAE der Verantwortung der Flüchtlingsaufnahme stellen und ein humanitäres Zeichen setzen muss – auch unter schwierigen Bedingungen.

    Die Stadt hat neben den bekannten Schwierigkeiten an verschiedenen Stellen auch von der EAE profitiert. Die Verwaltung hat dadurch eine hohe Expertise im Bereich Flucht und Asyl aufbauen können. Durch die Anrechnung der Plätze der EAE mussten 1700 Flüchtlinge weniger kommunal untergebracht werden. Und nicht zuletzt hat die EAE für mehrere hundert Arbeitsplätze gesorgt, darunter auch die fast 50 Arbeitsplätze der Zentralen Ausländerbehörde. Die Entscheidung für die Schließung der bisherigen Einrichtungen und gegen eine neue Erstaufnahme hat damit nun konkrete Folgen.“

    Die Verwaltung hatte in einer Vorlage zur EAE sehr deutlich gemacht, dass der Verzicht auf eine Erstaufnahme unter den momentanen Bedingungen zu gravierenden zusätzlichen Belastungen im städtischen Haushalt führen wird. Grund dafür ist die wegfallende Anrechnung der EAE-Plätze auf die kommunalen Flüchtlinge.

    Ulrich Langhorst: „In Konsequenz werden wir dadurch in den nächsten Monaten und Jahren erheblich mehr Flüchtlinge aufnehmen und kommunal in Dortmund unterbringen. Dabei werden auch die Gebäude in Hacheney noch eine Rolle spielen. Zusätzlich weiß niemand, wie sich die Flüchtlingssituation und Flüchtlingszahlen in den kommenden Jahren entwickeln und welche Unterbringungsmöglichkeiten dafür benötigt werden. Die Hoffnungen der CDU, dass mit der Schließung der EAE das Gelände in Hacheney mittelfristig für Wohnungsbau zur Verfügung steht, könnten sich deshalb als Trugschluss erweisen.

    Für die durch den Wegfall der EAE nun kommunal aufzunehmenden Flüchtlinge und ihre Familien brauchen wir zusätzlich den Ausbau der Infrastruktur zum Beispiel mit Plätzen in Kindertageseinrichtungen und Schulen. Insbesondere SPD und CDU stehen nach ihrer EAE-Ablehnung in der Verantwortung, die entsprechenden Mittel dafür im städtischen Haushalt zur Verfügung zu stellen.“

  3. CDU-Fraktion

    Schließung ist für die CDU ein positives Signal in Richtung städtischer Mitarbeiter

    Die Kritik der Grünen in Bezug auf die angekündigte Schließung der Erstaufnahmeeinrichtung in Hacheney Ende September und die dann folgende Schließung der EAE Buschmühle im kommenden Jahr können die Vorsitzende des Bürgerdienste-Ausschusses, Christiane Krause und der Sprecher der CDU, Friedrich-Wilhelm Weber, nicht nachvollziehen. Denn beide sehen in diesem Schritt ein positives Signal in Richtung Mitarbeiter der Stadt.

    „Die städtischen Mitarbeiter haben über viele Monate hinweg am Limit ihrer Kapazitäten gearbeitet. Ständige Überstunden und Einsätze auch an den Wochenenden haben dazu geführt, dass ein „normales“ Leben für viele Mitarbeiter gar nicht mehr möglich war. Zu dem großen Arbeitsaufkommen kam dann noch die tägliche Konfrontation mit dem Schicksal anderer Menschen hinzu, was auf Dauer bei dem ein oder anderen zu einem „burn out“ geführt hat“, fasst Christiane Krause die Situation zusammen. „Schon alleine die Situation, dass seit Anfang des Jahres nicht mehr annähernd so viel Flüchtlinge nach Dortmund in die Erstaufnahme kommen, wie noch im letzten Jahr, hat für eine deutliche Entspannung gesorgt.“

    Auch Weber sieht einen positiven Effekt in der Schließung. Denn, so Weber, „viel zu lange konnten die städtischen Mitarbeiter, die zur Hilfe und Unterstützung der Arbeit in der EAE aus allen möglichen Ämtern abgezogen wurden bzw. sich für die Arbeit freiwillig gemeldet hatten, ihren eigentlichen Aufgaben in der Verwaltung nicht mehr nach kommen. Dadurch hat sich zum einen ein Berg an Arbeit angesammelt, der abgearbeitet werden muss, zum anderen mussten die Kollegen in den entsprechenden Bereichen die Arbeit mit auffangen. Jetzt kann endlich ein Durchatmen stattfinden und Normalität wieder angestrebt werden.“

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