Lohndumping in Dortmund: „Wer sich wehrt, der fliegt raus“

DGB-Beratungsstelle Faire Mobilität in Dortmund
Szabolcs Sepsi und Dr. Alexandru Zidaru arbeiten in der Beratungsstelle für Faire Mobilität. Foto: Alex Völkel

Arbeiten in Deutschland – ein Traum von vielen Menschen, gerade auch in Mittel- und Osteuropa. Doch dieser Traum kann schnell zerplatzen: Denn Lohndumping, Scheinentsendungen und Verstöße gegen Recht und Gesetz sind häufig. Hilfesuchende Arbeitnehmer aus diesen Ländern haben in Dortmund beim DGB eine Anlaufstelle.

Ab Januar gilt die Freizügigkeit für zehn neue EU-Staaten

Roma in der Dortmunder Nordstadt, Mallinckrodtstraße
Der sogenannte „Schwarzarbeiter-Strich“ in der Nordstadt – ebenfalls ein Arbeitsfeld für die Berater.

Seit sechs Monaten gibt es im ver.di-Haus am Königswall 36 die Beratungsstelle Faire Mobilität. Getragen von „Arbeit und Leben“ und dem DGB NRW, finanziert von EU, Bund und Land, finden sie dort Hilfe. Szabolcs Sepsi leitet die Beratungsstelle. Seit heute wird er von Bildungsreferent Dr. Alexandru Zidaru unterstützt. Auf die beiden Migranten wartet viel Arbeit.

Denn für Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland und Litauen   als acht neue EU-Mitglieder gilt seit dem 1. Mai 2011 die uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit. Ab dem 1. Januar 2014 kommen Rumänien und Bulgarien hinzu.

Arbeitsbedingungen werden immer unfairer

Allerdings sind in den letzten Jahren die Beschäftigungsbedingungen dieser Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer schlechter und unfairer geworden. Sie ermöglichen ihnen oft kein Leben in sozialer Sicherheit. Besondere Probleme hinsichtlich der Einhaltung und Durchsetzung fairer Beschäftigungsbedingungen bestehen in der Leiharbeit, bei der in allen Branchen praktizierten Entsendung von Beschäftigten mittels Werkverträgen sowie bei der (Schein-)Selbständigkeit der Zugewanderten. Diese Beschäftigungssituationen sind in besonderer Weise prekär.

Bisher kaum Beratungsangebote für ausländische Arbeitnehmer

DGB-Beratungsstelle Faire Mobilität in Dortmund
Andreas Meyer-Lauber, Dr. Wilhelm Schäffer, Jutta Reiter, Dr. Alexandra Zidaru, Szabolcs Sepsi, und Dr. Sabine Graf.

Dem stehen bisher nur ansatzweise Beratungsstrukturen gegenüber, die den Anforderungen vor Ort in keiner Weise gerecht werden können. Die Beschäftigten sind deshalb häufig nur unzureichend über ihre Rechte informiert und erhalten kaum Hilfe.

„Es ist schon erstaunlich, wie viel Beratungsleistung passiert“, zollte der Landes-DGB-Chef Andreas Meyer-Lauber der bisher schon geleisteten Arbeit des Dortmunder Teams Tribut. Er zeigte sich froh darüber, dass der DGB auf Bundes- und Landesebene bei den Arbeits- und Sozialministerien offene Türe eingerannt habe.

Ziel müsse es nun sein, für die neuen ausländischen Kolleginnen und Kollegen faire Arbeitsbedingungen zu schaffen. Für den DGB sieht Meyer-Lauber hier eine wichtige Aufgabe „bundesweit Kompetenz aufzubauen“. Sechs Beratungsstellen gibt es bundesweit.

Zwei Mitarbeiter für ganz NRW – Kooperation mit Gewerkschaften

Das zweiköpfige Team in Dortmund ist für ganz Nordrhein-Westfalen zuständig. Dabei stehen die beiden Berater aber nicht allein: Sie arbeiten mit dem DGB und den Einzelgewerkschaften in den jeweiligen Regionen zusammen. Vier Sprachen decken die Berater ab. In Dortmund wird unter anderem rumänisch, ungarisch, englisch und deutsch gesprochen. Allerdings stehen auch Honorarkräfte zur Verfügung, die auch andere Sprachen übersetzen können.

Arbeitsschwerpunkte sind das Ruhrgebiet und Ostwestfalen. Während in Dortmund vor allem Hilfesuchende aus dem Logistikbereich kommen, sind es in Ostwestfalen vor allem Hilferufe aus der Fleischindustrie.

Lohndumping in Dortmund: Firmen unterlaufen gesetzliche Standards und Tarife

Dortmunder Hafen
Logistik – angezogen durch den Hafen – ist eine wichtige Branche. Leider auch mit „schwarzen“ Schafen.

In Dortmund gibt es viele Arbeitnehmer, die – anders als die aus ihren Heimatländern mit Werkverträgen entsendete Leiharbeitnehmer –  zwar einen deutschen Arbeitsvertrag haben. Doch nicht wenige Arbeitgeber versuchten, die Kosten zu drücken. So werde der Mindestlohn unterlaufen, weil Leistungseinheiten festgesetzt würden, die nicht zu erreichen seien. Zuschläge für Nacht-, Sonntags- oder Feiertagsarbeit würden nicht bezahlt oder der letzte Monatslohn bei Vertragende einbehalten. Probleme, mit denen sich Projektmitarbeiter Szabolcs Sepsi in den vergangenen Monaten in Dortmund auseinandergesetzt hat.

Strategie: Gemeinsam kann man mehr erreichen

„Wenn der letzte Lohn nicht ausgezahlt wurde, ist das kein Problem. Dann bekommen die ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch ohne Anwalt vor dem Arbeitsgericht Recht“, so Sepsi. Zumindest, falls sie wissen, wie und wo sie klagen können.

„Aber wie sollen sich die Mitarbeiter wehren, wenn 200 bis 300 Euro pro Monat einbehalten wurden, sie aber noch weiter beschäftigt sind?“ verdeutlicht er das Dilemma. Denn klar ist: Wer sich wehrt, der fliegt raus. Gründe für Kündigungen fänden sich viele.

Daher ginge es nur, wenn sich viele oder alle betroffenen Kollegen gemeinsam wehrten. „Wenn 30, 40 oder 50 Beschäftigte gemeinsam ihre Forderungen geltend machen, kann man die nicht so einfach entlassen“, beschreibt er die Herangehensweise. Es ist also die klassische gewerkschaftliche Strategie: Gemeinsam kann man mehr erreichen. „Für die Menschen ist es eine neue Erfahrung, dass Gewerkschaften etwas für Arbeitnehmer tun“, berichtet der Berater.

Viele Rechte sind den Arbeitsmigranten nicht bekannt

Doch die Projektmitarbeiter müssen diese gewerkschaftlichen Strategien ebenso wie grundlegende Rechte der Beschäftigten erst einmal publik machen.  Viele wichtige Fragen und Ansprüche zu Arbeits- und Sozialrecht seien unbekannt. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsgeld, Mindestlöhne, Tarif- und Vertragsfragen, Kündigungsschutz oder gesetzlich geregelte Zuschläge – ein weites Feld für die Berater. Dabei können sie aber auf die Sekretäre der Gewerkschaften in den Regionen zurückgreifen. „Ich kann ja schließlich nicht jeden Tarifvertrag auswendig lernen“, sagte Sepsi, ethnischer Ungar mit rumänischer Staatsangehörigkeit, lachend.

Land NRW finanziert eine der beiden Stellen

Die Landesregierung habe das Projekt sehr gerne unterstützt, machte Staatssekretär Dr. Willhelm Schäffer in Vertretung von NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider deutlich. „Wir sind für Europa und die Freizügigkeit. Aber der Wettbewerb zwischen den Ländern darf nicht über Lohndumping ausgetragen werden“, so Schäffer. „Wir brauchen Zuwanderung unter fairen Bedingungen.“ Daher finanziert das Land auch eine der beiden Dortmunder Stellen. Das Projekt wird im Rahmen der Initiative Faire Arbeit – Fairer Wettbewerb sowie im Rahmen der ESF-kofinanzierten Landesarbeitspolitik gefördert.

Kontakt: 

Beratungsstelle Faire Mobilität im ver.di-Haus, Königswall 36, 44137 Dortmund

Szabolcs Sepsi: Telefon: 0231/545079-82  szabolcs.sepsi@bfw.eu.com

Dr. Alexandru Zidaru: Telefon: 0231/545079-86 zidaru@aulnrw.de

Beratungszeiten Dienstag 14 bis 17.30 Uhr, Donnerstag 10 bis 14 Uhr  oder nach vorheriger Terminvereinbarung per Telefon oder E-Mail am Montag bis Freitag.

Sprachen: Deutsch, Ungarisch, Rumänisch, Englisch

Mehr Informationen im Internet: http://www.faire-mobilitaet.de

 

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