Linke und Antifaschisten beklagen Angriffe durch Neonazis in Dortmund – Doch häufig wird keine Anzeige erstattet

Nach der tödlichen Messerattacke auf den Punker Thomas Schulz verbreiteten Neonazis Aufkleber mit dem Motto: Antifaschismus ist ein Ritt auf Messers Schneide. Archivbild: Völkel
Nach der tödlichen Messerattacke auf den Punker Thomas Schulz verbreiteten Neonazis Aufkleber mit dem Motto: „Antifaschismus ist ein Ritt auf Messers Schneide.“ Nun soll es erneut eine Messerattacke gegeben haben.

In letzter Zeit häufen sich Meldungen, dass Dortmunder Neonazis gezielt AntifaschistInnen angegriffen haben sollen. Allerdings finden sie sich zumeist auf Szeneportalen und nicht in den Polizeimeldungen. Bei zwei Vorgängen ist dies  – unter anderem auf Nachfrage unserer Redaktion – nun anders: In einem Fall geht es um eine Messerattacke, die sich am Sonntagnachmittag in der Nähe des Westparks ereignet haben soll.

Drei vermummte Personen sollen einen 24-jährigen Antifaschisten attackiert haben

Der Dortmunder Polizei liegt eine entsprechende Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung vor, in der ein 24-jähriger Dortmunder einen Messerangriff schildert. Sie sucht nun nach Zeugen des Vorfalls, wie eine Pressemitteilung am Dienstag deutlich macht.

Die Neonazis reklamieren Dorstfeld und speziell das Viertel um den Wilhelmplatz für sich.
Die Neonazis reklamieren Dorstfeld und speziell das Viertel um den Wilhelmplatz für sich.

Am späten Sonntagabend zeigte er den Sachverhalt auf einer Polizeiwache an. Danach war er gegen 16 Uhr auf der Nederhoffstraße unterwegs. Auf einem dortigen Parkplatz stiegen demzufolge plötzlich drei vermummte Personen aus einem Auto aus und gingen ihn an.

Laut ersten eigenen Angaben schlugen die Unbekannten den Mann zunächst, so dass er zu Boden fiel. Als er wieder aufgestanden war, griff ihn demnach einer der Täter mit einem Messer an. Kurz darauf konnte der Mann flüchten.

Seinen Angaben zufolge wurde der Dortmunder bei dem Angriff leicht verletzt. Er fuhr kurz nach der Tat mit dem Zug nach Mühlheim, suchte dort ein Krankenhaus auf und ließ sich ambulant behandeln. Später fuhr er mit dem Zug zurück nach Dortmund und erstattete gegen Mitternacht Anzeige.

Die Angreifer beschrieb der 24-Jährige wie folgt: „Alle drei waren mit Sturmhauben vermummt. Zwei trugen schwarze Oberbekleidung, einer war mit einer Militärhose bekleidet.“ Die Polizei fragt nun: „Haben Sie den Vorfall beobachtet oder im Umfeld verdächtige Personen gesehen? Dann melden Sie sich bitte beim hiesigen Kriminaldauerdienst unter Tel. 0231/132-7441.“

SoKo Rechts ermittelt auch wegen eines Vorfalls auf dem Dorstfelder Hellweg

Polizeieinsatz
Die polizeilichen Ermittlungen in Dorstfeld sowie am Westpark blieben bisher ergebnislos.

Auf der Polizeiwache gab der Mann auch an, dass er bereits am 1. August von Unbekannten angegangen worden sei. Demnach habe er sich gegen 21.30 Uhr gemeinsam mit einem Bekannten auf dem Dorstfelder Hellweg aufgehalten, als die beiden plötzlich von drei Männern verbal angegriffen wurden.

Diese, so der 24-Jährige, seien der rechten Szene zuzuordnen gewesen. Einem verbalen Angriff durch diese folgten eigenen Angaben zufolge Würfe mit zwei Bierflaschen, von denen der Dortmunder und sein Begleiter an Hüfte bzw. Rücken getroffen wurden. Die beiden flüchteten daraufhin unverletzt vor den beiden Angreifern.

Auch in diesem Fall laufen die polizeilichen Ermittlungen bereits. Eine sofort eingeleitete Fahndung nach den Tätern blieb erfolglos. Auch Tatmittel wie Glasflaschen oder -splitter konnten die Beamten im Umfeld nicht feststellen. Die Soko Rechts hat in beiden Fällen die Ermittlungen übernommen.

Links-Partei und Polizei machen sich widersprechende Aussagen

Dennoch gibt es Widersprüche in den Darstellungen: Die Linke spricht von Verletzungen, von denen beim Erstatten der Anzeigen keine Rede mehr ist.

Außerdem schreibt die Linke, dass nach Aussagen der Betroffenen die Polizei erst nach zweimaligem Anruf und nach einer halben Stunde vor Ort gewesen sei. Zudem hätten sich die Beamten geweigert, die Betroffenen aus der Gefahrenzone zu eskortieren.

Auf Nachfrage von nordstadtblogger.de bei der Polizei teilte diese mit, dass weder eine Verletzung angezeigt worden sei noch dass es einen zweiten Anruf gegeben habe.

„Zwischen dem Eingang des Notrufes und dem Eintreffen des ersten Fahrzeugs vor Ort vergingen laut Einsatzprotokoll circa 15 Minuten. Im Einsatz waren mehrere Einsatzkräfte, von denen einige sofort eine Fahndung nach Tatverdächtigen im Umfeld begannen“, teilt uns die Pressestelle mit.

Bedrohung durch Hooligans mit Schlagstock und Hammern in der Nordstadt?

800 Linksautonome und Antifaschisten zogen vom Hauptbahnhof ins Kreuzviertel. Foto: Alex Völkel
Das Verhältnis zwischen vielen Linken und der Polizei ist angespannt. Archivbilder: Alex Völkel

Die Linke spricht zudem von einem weiteren Vorfall am darauffolgenden Abend: Dabei soll eine Gruppe von etwa zehn Mitgliedern des Jugendverbandes nach einer politischen Abendveranstaltung in der Nordstadt von mindestens zwei mit Teleskop-Schlagstock und Hammer bewaffneten Personen bedroht worden sein.

Unter Rufen rechtsextremer Parolen sowie „Hooligans Deutschland“ und „HoGeSa“ sollen die Jugendlichen verfolgt worden sein. Die Gruppe habe sich glücklicherweise unverletzt in einen Linienbus in Sicherheit bringen können, teilt Frank Teichmann der Presse mit.

„Die Angriffe der letzten Tage durch Dortmunder Neonazis auf Mitglieder des uns nahestehenden Jugendverbandes sind in keiner Weise hinnehmbar. Sie zeigen überdeutlich die Notwendigkeit des Engagements aller Dortmunderinnen und Dortmunder gegen die neonazistische Gefahr in unserer Stadt“, betont Frank Teichmann, Mitglied des Kreisvorstandes „DIE LINKE. Dortmund“.

Trotz der schweren Vorwürfe erstatten die Aktivisten keine Anzeige

„Unverständlich“, so Teichmann weiter, „bleibt an dieser Stelle erneut das Verhalten der Dortmunder Polizei, die der Abwehr der Gewalt von Rechts offenbar immer noch nicht den gebotenen Stellenwert einräumt. Wir erklären unsere uneingeschränkte Solidarität mit den betroffenen AktivistInnen.“

Allerdings: Eine Anzeige bei der Polizei hat es dazu nicht gegeben – und dem entsprechend keine Ermittlungen. Darüber gibt es ebenfalls Unverständnis – auf der anderen Seite.

„Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Polizei Dortmund jede Anzeige und jeden Hinweis in Bezug auf Übergriffe oder Bedrohungen durch Rechtsextremisten sehr ernst nimmt“, schreibt die Polizei unserer Redaktion.

„Wir lassen es nicht zu, dass diese Personen Andersdenkende einschüchtern und bedrohen. Ebenso wenig wie wir es tolerieren, wenn diese Gruppe vorgibt, gewisse Stadtteile für sich beanspruchen zu wollen“, so die Polizei weiter.

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Reaktionen

  1. dkp Dortmund

    Die Polizei Dortmund teilt heute mit, dass sie eine Anzeige vorliegen hat, mit der sie aber nicht viel anfangen kann. Sie findet keine Tatwaffe, keine Blutlache, keine Zeugen. Das riecht nach Liegenlassen der Anzeige.

    Es handelt sich um die Anzeige eines jungen Antifaschisten, der am helllichten Tag in der Innenstadt West von einer dreiköpfigen Gruppe überfallen und durch Messerstiche verletzt wurde. Die Gruppe zeigte alle Zeichen einer kriminellen Vereinigung in „ihrem Kampf um die Straße“ – Gewalttätigkeit, Masken, Waffen.

    Offenbar stand der Überfallene im Fokus der Dortmunder Naziszene – er war bereits zwei Wochen zuvor überfallen worden. Es würde große Mühe kosten, darin keine Überfälle von Nazis zu sehen. Aber die Glaubwürdigkeit … „Die SoKo Rechts hat die Ermittlungen übernommen.“

    In einer fast gleichzeitigen Pressemitteilung berichtet die Polizei über ihre letzte Razzia in der Nordstadt – „mit 250 Einsatzkräften wurden von 12 Uhr bis 0 Uhr an insgesamt 20 verschiedenen Kontrollstellen 468 Personen und 2744 Fahrzeuge kontrolliert: Fünf Personen wurden festgenommen, 194 Fahrzeuge wurden beanstandet und 186 Ordnungswidrigkeitenanzeigen gefertigt. In einem Fall wurde vermutliches Diebesgut aufgefunden und sichergestellt.“

    Das riecht nach großem Erfolg, als wäre Wahlkampf. Am Abend war auch der Polizeipräsident vor Ort: „Die Polizei bleibt in der Nordstadt zur konsequenten Durchsetzung des Rechtsstaats am Drücker.“

    Die Antifaschisten und Antifaschistinnen fordern erneut, dass die Polizei in der Stadt „zur konsequenten Durchsetzung des Rechtsstaats“ gegenüber Nazi-Gewalttätern und –Organisationen eingesetzt wird, wirkungsvoll vorgeht, aufklärt und die Menschen vor den Totschlägern schützt.

  2. Linke NRW

    Messerangriff auf Antifaschisten – Dortmunder Naziproblem endlich angehen

    Am gestrigen Sonntag wurde ein 24-jähriger Dortmunder Antifaschist vor seiner Wohnung im Dortmunder Westen von drei maskierten Personen angegriffen. Nach seiner Schilderung schlugen sie auf ihn ein. Ein Angreifer zog ein Messer und stach zwei Mal zu. Dem Angegriffenen gelang es, trotz einer Stichverletzung im Bauchbereich zu flüchten. Nach der Erstversorgung im Krankenhaus wurde Anzeige bei der Polizei in Dortmund erstattet.

    Bereits am 1. August war der Angegriffene zusammen mit einem Freund von stadtbekannten Neonazis körperlich angegriffen worden und hatte deswegen Strafanzeige erstattet. Die Linke NRW geht wegen des zeitlichen Zusammenhangs derzeit von einer politisch motivierten Tat aus.

    „Die Dortmunder Polizei muss alles daran setzen, die Täter zu fassen. Dortmund hat schon lange ein Neonaziproblem, das von Stadt und Innenminister lange heruntergespielt wurde. Rechte Gewalt darf nicht verharmlost werden. Wer sich gegen rechte Umtriebe engagiert, verdient die uneingeschränkte Unterstützung der Gesellschaft“, erklärt Özlem Demirel. Landessprecherin der NRW-Linken. „Seit Jahren terrorisiert eine Dortmunder Gruppe von Neonazis die Bevölkerung. Auch unsere Büros werden immer wieder Ziel von Steinwürfen und Farbschmierereien.“

    Nach Ansicht der Linken müssen Polizei und Justiz konsequent gegen Neonazis vorgehen. Aktuell werden nach Angaben der Bundesregierung über 500 Neonazis bundesweit per Haftbefehl gesucht. Demirel fordert von NRW-Innenminister Jäger ein Schwerpunktprogramm, um rechte Täter dingfest zu machen: „Jäger darf rechte Täter nicht frei rumlaufen lassen. Polizei und Justiz dürfen bei Hassverbrechen nicht wegschauen.“

    Dortmund war in den vergangenen Jahren immer wieder Tatort schwerer Verbrechen, die von Rechten begangen wurden. 2001 wurden in Dortmund drei Polizisten von einem Nazi ermordet, 2005 der Punker Thomas Schulz, 2006 schließlich Mehmet Kubasic, vermutlich von der Terrorgruppe NSU.

    Entwicklung der Zahl per Haftbefehl gesuchter Neonazis (Frühjahr 2016): http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/087/1808796.pdf

  3. Piraten Dortmund

    Rechter Terror in Dortmund: Neonazis machen Jagd auf Dortmunder Antifaschisten

    Mit Schrecken haben die Piraten Dortmund den erneuten Angriff wahrscheinlich rechter Gewalttäter auf ein weiteres Menschenleben zur Kenntnis genommen. Wie mittlerweile auch die Polizei bestätigte, ereignete sich der Übergriff am vergangenen Sonntag, den 14. August, nachmittags in der Nähe des Westparks.

    Das Opfer war dort zunächst von drei vermummten Personen geschlagen und dann sogar mit einem Messer angegriffen worden, hatte aber zum Glück verletzt entkommen können. Nach eigenen Angaben des 24jährigen Antifaschisten hatte es in den letzten Wochen bereits mehrere versuchte Angriffe auf ihn gegeben.

    Dazu Nadja Reigl, Vorsitzende der Piraten Dortmund: „Rechte Gewalt gegen antifaschistisch engagierte Menschen in unserer Stadt ist für uns nicht neu – es gab zerschossene Scheiben in Parteibüros, den Rathaussturm und – am Schlimmsten – seit 2001 wurden fünf Menschen im Raum Dortmund durch Nazis ermordet. Trotzdem bin ich jedes Mal wieder geschockt. “

    Nadja Reigl ist Mitglied im Rat der Stadt Dortmund und sitzt im Ratssaal mit ihrer Fraktion auf Beschluss des Rates zwischen Vertretern der Rechten, NPD und AfD.

    Jeder dieser Angriffe von rechts bestätigt, wie wichtig es ist, sich antifaschistisch zu engagieren und immer wieder auch aktiv gegen rechtes Gedankengut einzustehen. „Wir wünschen dem Opfer alles

  4. Bündnis Dortmund gegen Rechts

    Solidarität mit jungen Antifaschist/innen

    Jugendliche Nazi-Gegner leben gefährlich, nicht nur in Dortmund, gehört es doch zu den Lieblingsaktionen der braunen Schlägertrupps, sie zu verfolgen, anzupöbeln und anzugreifen. In letzter Zeit häufen sich solche Übergriffe auf junge Menschen, die die immer wieder von Politikern eingeforderte Zivilcourage gegen Rechts umsetzen.

    Sie verdienen dafür nicht nur gesellschaftliche und politische Anerkennung, sondern auch den nötigen Schutz, wenn sie von Nazis bedroht werden. Hier scheint die Polizei aber nach dem Prinzip „Eile mit Weile“ vorzugehen. Jugendliche, die einen Notruf abgesetzt haben, bleiben in brenzligen Situationen erst einmal allein gelassen, nach Aufnahme des Sachverhalts und der Personalien werden sie wieder ungeschützt sich selbst überlassen. So vor kurzem in Köln und in Dortmund geschehen.

    Offenbar sind die Angreifer durch solches polizeiliche Verhalten ermutigt, ihre Attacken weiterzuführen. Einer der in Dorstfeld angegriffenen jungen Antifaschisten wurde vor seiner Haustür erneut überfallen, zusammengeschlagen und mit einem Messer verletzt. Hätte die Polizei die Angriffe in Dorstfeld ernst genommen und entsprechend ermittelt, wäre dem jungen Mann der zweite Anschlag wohl erspart worden. Das Verharmlosen der äußerst gefährlichen Nazitäter ist einer der Hauptgründe für ihr dreistes und menschenverachtendes Tun. Inzwischen ermittelt die „Soko Rechts“.

    Wer sich in Erinnerung ruft, wie die Einsatzkräfte am 4. 6. 2016, dem von Nazis so genannten „Tag der deutschen Zukunft“, junge Antifaschist/innen eingekesselt und mit Schlagstock und Pfefferspray behandelt haben, wundert sich nicht. Soll den Jugendlichen der Wille zur Widerständigkeit ausgetrieben und Duckmäusertum honoriert werden?

    Wir erklären uns solidarisch mit den jungen Nazi-Gegner/innen und werden ihr Engagement unterstützen, wo wir können. Gemeinsam werden wir uns gegen die angekündigte rassistische Nazi-Provokation am 23.8. an der Katharinentreppe wehren.

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