Journalist nach Neonazi-Mahnwache in Dortmund angegriffen – Polizei nimmt die Todesdrohungen jetzt sehr ernst

Auf der mittlerweile gelöschten Facebook-Seite  "Jagd.eröffnet.jetzt" erschienen die Todesanzeigen.
Auf der mittlerweile gelöschten Facebook-Seite „Jagd.eröffnet.jetzt“ erschienen Todesanzeigen.

Nach einer Mahnwache der Partei „Die Rechte“ in Derne mit massiven Gegenprotesten aus der Zivilgesellschaft ist der Dortmunder Journalist Marcus Arndt von drei mit Sturmhauben maskierten Tätern in der Innenstadt attackiert worden.

Der Journalist und Fotograf – der als Gastautor auch den Nordstadtbloggern ehrenamtlich zuarbeitet – ist schon seit geraumer Zeit im Visier der heimischen Neonazis.

Wir haben bislang auf eine Berichterstattung „in eigener Sache“ über Journalisten-Bedrohungen verzichtet, um den Neonazis nicht unnötig Raum in der Berichterstattung zu geben. Denn darauf zielen die zahlreichen Aktionen und Provokationen ab.

Allerdings geht es nun auch darum, Zeugen für den feigen und hinterhältigen Angriff zu finden. Daher berichten wir.

Todesanzeigen gegen Journalisten erscheinen jetzt in einem anderen Licht

Mehrere Todesanzeigen sind in den vergangenen Wochen erschienen, die Marcus Arndt galten.
Mehrere Todesanzeigen galten Marcus Arndt.

Marcus Arndt ist einer von fünf Dortmunder Journalisten, die in fingierten Todesanzeigen der Neonazis erwähnt werden: „Nach seinem hoffnungslosen Kampf gegen Nationale Aktivisten bedeutet sein baldiger Tod mehr als eine Erlösung für uns alle“ stand in einer „seiner“ Todesanzeigen.

Eine erschien unter anderem auf der Facebook-Seite „Jagd.Eröffnet.Jetzt“. Sie wurde kurze Zeit nach zahlreichen Nutzerbeschwerden und Intervention der Journalistenverbände von Facebook gesperrt. Die falsche Traueranzeige, die vor einigen Wochen im Netz erschien, klingt wie eine Warnung. Sie war aner nicht die erste Drohung gegen Arndt.

Jetzt ist der 43-Jährige allerdings nach einer rechtsextremen Kundgebung am Montagabend tatsächlich angegriffen worden. Als verdächtig gelten der Polizei-Sonderkommission „Rechts“ Mitglieder der Neonazi-Szene.

Polizeipräsident erklärt die Ermittlungen in dieser Angelegenheit zur obersten Priorität

Interview mit Polizeipräsident Gregor Lange. Foto: Franz Luthe
Polizeipräsident Gregor Lange nimmt die Drohungen mittlerweile sehr ernst. Archivfoto: Franz Luthe

Der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange hat die Ermittlungen in dieser Angelegenheit zur obersten Priorität erklärt und die Soko „Rechts“ zur Aufklärung dieses Falles um zwölf weitere erfahrene Ermittlerinnen und Ermittler aufgestockt.

Bis zur Ausermittlung des Falles geht die Dortmunder Polizei davon aus, dass dieser Vorfall im Gesamtzusammenhang der fortgesetzten Einschüchterungen und Bedrohungen von Journalisten, politisch Aktiven und anderen Dortmundern durch Rechtsextremisten in den letzten Monaten zu sehen ist.

Neue „SoKo Rechts“ kommt zum Einsatz

„Wir haben gerade erst die Sonderkommission ‚Rechts‘ eingerichtet, jetzt greifen wir auf die optimierten Strukturen dieser Kommission zurück und ermitteln mit absolutem Hochdruck“, erklärt der Dortmunder Polizeipräsident.

„Die Leiterin der Soko ‚Rechts‘ berichtet mir regelmäßig über den Fortgang der Ermittlungen.“ Darüber hinaus sei die Direktion Gefahrenabwehr beauftragt, die erforderlichen Schutzmaßnahmen für den 43-Jährigen zu organisieren.

Polizei sucht Zeugen das Angriffs am Montagabend um 22.05 Uhr in der Viktoriastraße

Am Montagabend (9. März 2015) war Arndt um 22.05 Uhr im Bereich Viktoriastraße / Schliepstraße in der Dortmunder City von hinten mit Steinen beworfen worden. Als er sich umdrehte, sah er drei  maskierte Angreifer.

Zwei der geworfenen Steine trafen ihn am Oberkörper, ein Stein am Kopf. Beim Werfen stießen die Angreifer Todesdrohungen gegen den Journalisten aus. Daraufhin zog Arndt eine Schreckschusswaffe und richtete sie auf die Angreifer. Diese ließen daraufhin ab und flüchteten.

Die bislang unbekannten Täter beschreibt der Geschädigte als dunkel und mit Kapuzenpullovern bekleidet. Alle drei waren mit Sturmhauben maskiert. Die Polizei bittet daher um Hinweise von Zeugen. Wer hat den Vorfall beobachten können, wer kann Angaben zu den flüchtigen Tätern machen? Unter der Telefonnummer 0231/132-7441 nimmt die Kriminalwache der Dortmunder Polizei Hinweise von Zeugen entgegen.

Dortmunder Neonazis haben auf der Straße keinen Erfolg gegen Demokraten

Die Mahnwachen in Derne, Wickede und Eving verfingen bei den Bürgern nicht.
Die Mahnwachen wie jüngst  in Derne, Wickede und Eving (Foto) verfingen bei den Bürgern nicht.

Für Szenekenner ist der Angriff ein weiterer Beleg dafür, dass die Frustration der Neonazis zunimmt. Denn trotz für sie günstiger Rahmenbedingungen und massiver Aktivitäten verfangen ihre Forderungen nicht.

Auch bei ihren angemeldeten Veranstaltungen geraten sie zumeist in die Defensive: Die Demokraten waren auch am Montagabend in Derne ein Vielfaches in der Überzahl. Die Bürgerinnen und Bürger setzten ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus und für die Solidarität mit Flüchtlingen.

Rund 250 Menschen aus dem gesamten Stadtbezirk Scharnhorst protestierten gegen die Aktivisten der rechtsextremen Splitterpartei. Die wenigen Nazis hatten einmal mehr keine Chance, sich mit ihren Hassparolen Gehör zu verschaffen.

Daher verlegen sich die Neonazis verstärkt auf illegale und feige Aktionen.

Sierau: „Wie SA-Schläger setzen sie auf Einschüchterung, weil ihre Argumente nicht verfangen“

Die Neonazis machten OB Ulli Sierau, Arbeitsminister Guntram Schneider und Grünen-Politikerin Daniela Schneckenburger für Sozialabbau verantwortlich.
Die Neonazis haben seit Jahren Dortmunder Politiker im Visier. Archivbild: Alex Völkel

„Der Überfall zeigt die Konzeptlosigkeit der Neonazis“, betont OB Ullrich Sierau. Der Überfall auf den Journalisten offenbare einmal mehr die Geisteshaltung, dass sie in der Tradition der NSDAP stünden: „Wie SA-Schläger setzen sie auf Einschüchterung, weil ihre Argumente nicht verfangen“, so Sierau.

Er erinnerte daran, dass die Aktionen gegen Journalisten nur die jüngste Spitze des rechtsextremen Eisberges seien. Schließlich habe es auch gegen andere Akteure der Zivilgesellschaft mehrfach Aktionen und Hausbesuche gegeben – darunter auch gegen seine Person.

„Allerdings wollen wir die Neonazis nicht größer machen als sie sind“, betonte der OB mit Blick auf Wahlergebnisse und Aktivenzahlen. Dortmund sei vor allem eine Hochburg der Demokraten.

Auf 30 Aktive im harten Kern und 80 bis 90 kurzfristig mobilisierbare Unterstützer wird die rechtsextreme Szene in Dortmund geschätzt.

OB mahnt die gesellschaftliche Verantwortung der Staatsanwaltschaft an

Nun liege es an Land und Bund – und damit am Gesetzgeber, zu handeln. Die Forderungen nach einem Parteiverbot mehren sich. Wobei es auch Stimmen und Gutachten gibt, die deutlich machen, dass „Die Rechte“ eigentlich keine Partei sei und daher nicht vom Parteigesetz geschützt.

Doch auch die dortmunder Staatsanwaltschaft will Sierau nicht aus der Verantwortung lassen: „Ja, die Justiz ist unabhängig, aber sie trägt auch eine gesellschaftliche Verantwortung.“

 

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Reaktionen

  1. Michael Konken für den DJV

    Scharfe Kritik des Deutschen Journalisten-Verbandes

    Der Deutsche Journalisten-Verband hat den Überfall auf einen kritischen Journalisten in Dortmund am Abend des 9. März scharf kritisiert.

    Der Journalist wurde am Rande einer Neonazi-Kundgebung mit Steinen beworfen und verletzt. Die unbekannten Täter dürften der Nazi-Szene zuzurechnen sein. Der Kollege gehört zu den Journalisten, die vor einigen Wochen mit fingierten Todesanzeigen von Rechtsextremisten bedroht worden waren. „Mit dem Überfall wurde eine neue Eskalationsstufe erreicht“, sagte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. „Dass Rechtsextremisten Journalisten anpöbeln und bedrohen, ist schlimm genug. Jetzt machen sie offensichtlich Jagd auf kritische Journalisten.“

    Der DJV-Vorsitzende rief die Sicherheitsbehörden zu verstärkten Anstrengungen auf, die Übergriffe auf Journalisten unnachgiebig zu verfolgen. „Es ist die Aufgabe des Journalismus, über Entwicklungen am äußersten rechten Rand der Gesellschaft zu informieren“, sagte Konken. „Das muss auch künftig ohne Gefahren für die Berichterstatter möglich sein.“

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