„Grenzen“ beim f2-Fotofestival: „Every Day Is Like Sunday“ im Künstlerhaus und „Grenzen des Wachstums“ im Depot

Der im Künstlerhaus ansässige Fotograf Jens Sundheim führt durch die Ausstellung. Fotos: Roland Klecker/ dofoto.de

Von Roland Klecker

„Every Day Is Like Sunday“ –  Unter diesem Titel steht die Ausstellung des Künstlerhauses im Sunderweg, das sich als Ausstellungsort des f2-Fotofestival mit dem Festivalthema „Grenzen“ auseinandersetzt. Die sieben teilnehmenden FotografInnen haben sich auf Grenzen des alltäglichen menschlichen Lebens konzentriert.

Einlicke in die Berliner Kurfürstenstraße und die „Knochenklasse“ beim Fußball

So zeigt die Berliner Fotografin Kathrin Tschirner Bilder in ihrer preisgekrönten Serie „Kurfürstenstraße“ Bilder aus ihrem Kiez, wo sich zwischen Sozialwohnungen und Tristesse die Grenzen des bürgerlichen Lebens zeigen: Hier der normale Alltag, dort Kriminalität, Gewalt, Prostitution. Grenzen zwischen der Feier des Leiblichen und dem kalten Geschäft mit der käuflichen Liebe.

Christian Werners Serie zum sonntäglichen Ritual des Kreisligafußballs trägt den sehr passenden Titel „An jedem Sonntag“. Darin zeigt der Leipziger Fotograf auf einfühlsame Weise und doch nahe an der Reportage das Wesentliche, das Emotionale an der feiertäglichen Beschäftigung abertausender Menschen hierzulande. Hier passieren sie noch, das Drama um den Ball, die Leidenschaft, die Kleinkriege, die persönlichen Tragödien.

„Knockenklasse“ nennt man die Kreisliga intern ja auch, weil es hier „noch richtig was auf die Knochen gibt“, wie Werner freimütig erzählt. Es sei der Gegensatz zu den überdimensionierten Fußballtempeln, in denen der Fußball nurmehr ein Geschäft sei, der ihn so fasziniert. Hier gehen die Akteure , Menschen wie Du und ich, jeden Sonntag an ihre Grenzen und manchmal auch darüber hinaus.

Serie „The Travellers“ widmet sich Irlands größter Minderheit mit nomadischen Wurzeln

Irlands größte Minderheit mit nomadischen Wurzeln ist das Thema der Serie „The Travellers“ von Birte Kaufmann. Hart und nah zeichnet die Fotografin irische Wanderarbeiter in ihrem entbehrungsreichen Alltag, zwischen Hoffnung und Resignation. Die preisgekrönte Serie wurde bereits ausführlich als Fotoband aufgelegt, der ebenfalls in der Ausstellung einzusehen ist.

Die weiteren drei ausstellenden zeitgenössischen Fotografen sind der Wahlberliner Julian Faulhaber, der früher selbst im Künstlerhaus gearbeitet hat, der Vietnamese Kiên Hoàng Lê und die aus Australien eingereiste Ex-Ruhrpottlerin Katrin Koenning.

Faulhabers „Catalogue“ umfasst mehrere Reihen, mit den Titeln set, location, construction und worker. Damit ist sein Setting beschrieben: Er dekonstruiert die Wirklichkeit als konstruiertes Abbild und begibt sich dabei mit seinen eigenen Bildern auf die Metaebene des Beschreibenden, der zugleich um seine Konstruktion weiß. Seine Abteilung im Künstlerhaus ist nicht „nur“ eine Hängung, der ganze Raum ist als gesamtheitliches Werk gestaltet.

Serie widmet sich dem Ruhrgebiet als „Land der tausend Feuer“

Hoàng Lê bewegt sich in seinen Arbeiten virtuos zwischen Okzident und Orient. Seine Aufnahmen aus einer japanischen Bar sind narrativ angelegte und dennoch teilweise verunklärte Szenerien, deren Intimität zugleich berührt und verstört. Lê lotet mit seiner Arbeit die Darstellungsweise einer scheinbar nicht enden wollenden Feier, – unbeeinflusst von Tageszeiten und Pflichten – aus, indem er versucht, der speziellen japanischen Situation die allgemein-menschlichen Aspekte abzulauschen.

Katrin Koennings Serie „Pott“ nimmt die aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert stammende Charakterisierung des Ruhrgebiets als „Land der tausend Feuer“ auf, um im übertragenen Sinne dem Alltag der Menschen in der Region nachzuspüren.

Ihr Augenmerk legt Koenning dabei eben nicht auf die Feuer als Kennzeichen der Arbeitswelt, sondern auf eine bereits transformierte, in der Struktur gewandelte Gesellschaft, deren Selbstverständnis sich besonders in der Freizeit dokumentiert und einen häufig anarchischen Ausdruck findet.

Bilder-Serie erinnert an den Begründer der „Neuen Sachlichkeit“ in Deutschland

Eine besondere Erwähnung verdient die Serie „Fotos über die Werkstätten Dickerhoff“ des bereits 1966 verstorbenen legendären Werbefotografen Albert Renger-Patzsch. Patzsch gilt als Begründer der „Neuen Sachlichkeit“ in Deutschland und hat neben berühmten Bildern über das Ruhrgebiet auch eine große Anzahl von Produktfotografien angefertigt.

In den Aufnahmen für die Werkstätten Dickerhoff präsentieren wir selten gezeigte Fotografien, die in den 1930er bis 50er Jahren in der Möbelmanufaktur in Bochum entstanden. Es handelt sich bei den Ausstellungsstücken um originale Abzüge, gut bis sehr gut erhalten und heute noch wie damals beeindruckend in ihrer Klarheit und Perfektion.

Mehr Details:

  • Ausstellung „Every Day Is Like Sunday“
  • Künstlerhaus Dortmund, Sunderweg 1, 44147 Dortmund
  • Vernissage am 23.06.2017 um 20 Uhr
  • Öffnungszeiten Ausstellung: Do. bis So. 16 – 19 Uhr
  • Eintritt frei 
Die F2-Ausstellung im Depot ist bereits am Donnerstagabend eröffnet worden.
Die F2-Ausstellung im Depot ist bereits am Donnerstagabend eröffnet worden.

f2-Ausstellung „Die Grenzen des Wachstums“ im Kulturort Depot

Bereits am Donnerstagabend (22.06.) eröffnet wurde die f2-Ausstellung „Die Grenzen des Wachstums“ im Kulturort Depot. Im Jahr 1972 erschien die Studie „Grenzen des Wachstums“ des „Club of Rome“, die zum Inbegriff für die Folgen einer zügellosen Weltwirtschaft wurde, der Ausbeutung von Umwelt und Natur, der Zerstörung von Lebensraum und der Zunahme von sozialer Ungleichheit.

Die dort aufgezeigten Szenarien wurden immer wieder kontrovers diskutiert. Damals wie heute stehen Fragen um die Endlichkeit der Ressourcen, einer nachhaltigen und sozial gerechten Wirtschaft im Zentrum der Debatten. Die Ausstellung zeigt Sichtweisen aus der Fotografie, über die zunehmenden Probleme sowie als Antwort darauf neue Modelle und Lebensweisen.

Ausstellung zeigt Sichtweisen aus der Fotografie auf das wichtige Thema

Die Ausstellung ist bis zum 16. Juli 2017 im Depot zu sehen – mittwochs bis freitags von  17 bis 20 Uhr sowie samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr.

Führungen mit Peter Lutz gibt es am Freitag, 7. Juli, um 18 Uhr und am Samstag, 8. Juli, um 16 Uhr. Der Eintritt ist frei.Außerdem gibt es am Freitag, 7. Juli, um 19 Uhr einen Vortrag des Fotografen Micha Ende. Auch hier ist der Eintritt frei.

Beteiligte KünstlerInnen sind Mandy Barker, Manuel Bauer, Stéphanie Buret, Dornith Doherty, Barbara Dombrowski, Micha Ende, Stefan Enders, Satoshi Fujiwara, André Giesemann, Peter Ginter, Alessandro Grassani, Frauke Huber, Karina Juárez, David Klammer, Kai Löffelbein, Gerd Ludwig, Uwe H. Martin, Simon Norfolk, Jorge Panchoaga, Pablo Piovano, Ewa Priester, Johannes Puch, Daniel Schulz, Claudius Schulze, Vlad Sokhin, Vladimir Wegener, Mario Wezel

FOTOGALERIE „Was sind Grenzen?“: f² in Dortmund – An acht Orten der Stadt entsteht ein neues Fotofestival

 

 

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