Endlich ist es soweit: „Innovative Citizen“ startet im Dortmunder U – Festival für eine demokratischere Technik

Jasmin Vogel (Dortmunder U) mit Benedikt van Kampen, Patrick Jaruschowitz und Jürgen Bertling (Fraunhofer UMSICHT). Foto: Dortmunder U.
Jasmin Vogel (Dortmunder U) mit Benedikt van Kampen, Patrick Jaruschowitz und Jürgen Bertling (Fraunhofer UMSICHT).

Von Thomas Engel

Zum vierten Mal hintereinander öffnet das Dortmunder U in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut UMSICHT seine Pforten für alle Technikbegeisterten, die eine Fertigungskultur lokal und selbstbestimmt denken möchten. Und es gibt wieder die Gelegenheit, sich weiter zu vernetzen. Beim gemeinsamen Werkeln oder Erfahrungsaustausch mit anderen „ÜberzeugungstäterInnen“. In Workshops oder während eines vielfältigen Rahmenprogramms. Erstmalig ist auch die Werkhalle im Union-Gewerbehof Festivalort.

Segen oder Fluch moderner Technik: Da lässt sich doch was machen!

Das Dortmunder U ist ein Zentrum für Kunst und Kreativität.
Das Dortmunder U ist ein Zentrum für Kunst und Kreativität. Foto: Peter Kozyra

Großtechniken in Ballungsgebieten sind von den BürgerInnen abgekoppelt, bestellt wird bei Amazon und jeder sitzt allein mit den erworbenen Segnungen der Zivilisation im trauten Heim und weiß damit nicht wirklich umzugehen. Unsere Stellung gegenüber einer immer komplexer werdenden Technik ist häufig von Vereinzelung, Hilflosigkeit und fehlender Kommunikation untereinander geprägt.

Dies darf sich gerne ein wenig ändern. Und dazu möchte das Festival „Innovative Citizen“ einen Beitrag leisten: „Es geht darum, zu prüfen, wie Techniken im Hightech-Bereich angeeignet werden können“, fasst Festival-Leiter Jürgen Bertling, den Impetus der am Donnerstag, 30. November, im Dortmunder U beginnenden Veranstaltungsreihe zusammen. Gemeint ist: Technik muss nicht unbedingt fremd, beängstigend, etwas der Kontrolle des Einzelnen entzogenes sein.

Bis zum 3. Dezember geht es um frische Ideen rund ums Selbermachen. Um die Möglichkeiten und Chancen im Umgang mit moderner Technik – und um ihre geschickte, aber kritische Verwendung auf kommunaler Ebene. Miteinander sprechende, vernetzte Menschen holen eine Fertigungskultur in die Städte zurück, die dort in den Zeiten von Amazon immer weiter verloren gegangen ist.

Ausdrücklich erwünscht: mehr Autonomie im Umgang mit Hightech-Produkten

Workshop: Fermentieren
Workshop: Fermentieren

„Wenn Du es nicht reparieren kannst, gehört es Dir nicht“, heißt es im Reparaturmanifest der IFIXIT-Initiative. Auch dies könnte ein Motto des Festivals sein.

„Die BürgerInnen sollen wieder ermächtigt werden“, so Jürgen Bertling von der Dezentrale Dortmund des Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT). Durch den Einsatz von innovativen Techniken nicht abhängiger, sondern autonomer werden. In sozialen Räumen mit neuen interaktiven Gestaltungsmöglichkeiten.

Das Festival siedelt sich bewusst zwischen zwei andersartigen Zugängen zum Umgang mit Hightech-Produkten an: Einerseits den sogenannten Maker-Shows wie „Make-Fair-Ruhr“, von Bertling knapp als „Kirmes-Veranstaltung für die Szene“ ausgezeichnet, in der die Vermittlungsdynamik von Technik keine wesentliche Rolle spiele.

Beispielsweise dahingehend, welche Auswirkungen der Einsatz bestimmter Techniken auf lokaler Ebene habe, Stichwort: Transformation der Stadt. Zum Anderen hebt sich „Innovative Citizen“ von „Citizen-Science“-Ansätzen ab, in denen BürgerInnen nur als Zulieferer für Wissenschaft, quasi als deren menschliche Ressource begriffen werde, so der Festival-Leiter.

Food & Farming, Circular City, Digitale Fertigung und innovative Textilien

Pilze selber züchten im Workshop
Pilze selber züchten im Workshop

Konkret bietet „Innovative Citizen“ den interessierten BesucherInnen vier Themenblöcke an, mit denen sie sich auseinandersetzen können. Zum Beispiel durch Teilnahme an einem der vielen Workshops.

  • Food & Farming beschäftigt sich mit der Zukunft des Essens, der Lebensmittelproduktion und vor allem mit der Konservierung von Lebensmitteln. Angeboten werden beispielsweise Urban Aquafarming, Fermentieren oder Pilzzucht.
  • The Circular City: es geht um eine Gegenbewegung zur Wegwerfkultur. Wie beim Trash-Up!-Festival im Dortmunder Depot: Anstatt kaputte oder ungeliebte Produkte einfach in den Müll zu werfen, erfährt man in Upcycling-Workshops, wie man sie wieder nutzbar macht – und sich selbst dadurch ein Stück unabhängiger.
  • Urbane Produktion/digitale Fertigung: Es wird gezeigt, wie 3D-Drucker die Fertigung in der Stadt revitalisieren oder Roboter für den Gartenbau eingesetzt werden können. Außerdem wird das Projekt „e:Lab – Bürgerlabor für Energieinnovation“ vorgestellt.
  • Workshops zu innovativen Textilien: für all diejenigen, denen eine einfache Jeans zu langweilig ist. Textilien können mit flexibler Elektronik ausgestattet werden. Zum Beispiel mit Sensoren, die reagieren, wenn mir jemand zu nah kommt. Kann nützlich für Partys sein.

Weitere Einzelheiten zu den einzelnen Themensträngen und den angebotenen Workshops, mit der Möglichkeit, sich dort anzumelden: hier.

Rund um die vier Themenbereiche gibt es Vorträge, Musik und Theater

Übrigens: Der Bierbrau-Workshop ist natürlich schon ausgebucht. Immerhin befinden wir uns in Dortmund. Da kann sich jetzt niemand beschweren. Aber so manches ist noch offen. Zum Beispiel für FreundInnen einer fachgerechten Pilzzucht. – Schelm, wer dabei Böses denkt. Es ist selbstverständlich alles legal.

Rund um die vier Themenbereiche gibt es Vorträge, Musik und Theater. Vor allem geht es darum, Bedingungen der Möglichkeit für einen intensiven Austausch zu schaffen. Zum Beispiel beim „Maker-Frühstück“ am Samstag und Sonntag. Oder, indem am Samstagabend bei guter Musik gemeinsam die Beine geschwungen werden. – Ja, ein Flair von Ton Steine Scherben: Hey Leute, lernt Euch kennen! Sicherlich „nicht Mainstream“ betont Festival-Leiter Jürgen Bertling. Aber außergewöhnlich spannend.

Das Festival findet erstmalig unter internationaler Beteiligung in Anbindung an das von der Europäischen Union geförderte Projekt smARTplaces statt.

Weitere Informationen:

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Reaktionen

  1. Lise fried

    Naja, die Homepage gibt es nicht, aus dem Maker-Brunch ist inzwischen nur noch ein Frühstückchen geworden (bei gleichem Preis und Vorkasse – wahrscheinlich muss man vor Ort darum kämpfen, dass man irgendwie sein Geld wiederbekommt), die Teilnehmerzahl bei den spärlich gestreuten Workshops bewegt sich zwischen 4 (vier) und 12-15 Teilnehmern, bei der Abendveranstaltung sind noch 147 von 150 Plätzen frei, die Veranstalter melden sich mich auf Anfragen, der Hauptsponsor Innogy-Stiftung ebenfalls nicht.

    Liegt’s am Bier oder eher an den Pilzen?

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