Eklat im Rat: Neonazis fliegen aus dem Rathaus – Grünes Licht für erweiterte Flüchtlings-Erstaufnahme am Westfalenpark

Zahlreiche Dortmunderinnen und Dortmunder haben Spenden für die Flüchtlinge aus Ungarn gebracht.
Zahlreiche Dortmunderinnen und Dortmunder haben Spenden für die Flüchtlinge aus Ungarn gebracht.

Dreieinhalb Stunden dauerte am Montag die Sondersitzung des Rates. Und dreieinhalb Stunden ging es nur um ein Thema: die aktuelle Flüchtlingssituation in Dortmund. Am Ende gab es auch einen Beschluss: Am Westfalenpark (Adresse: An der Buschmühle) wird bis zum 1. Oktober die bereits  angekündigte Außenstelle der völlig überlasteten Erstaufnahmeeinrichtung errichtet.

Doch bis zu dieser Entscheidung floss neben viel Lob und Anerkennung für die große Solidarität in Dortmund auch böses Blut. Denn die Vertreter von NPD, AfD und Rechte nutzten die Sondersitzung vor allem für rechte Hetzparolen. Am Ende ließ Oberbürgermeister sogar den „Die Rechte“-Vertreter Michael Brück und seine Gefolgsleute auf der Tribüne aus dem Saal werfen.

Grünes Licht für EAE-Erweiterung – die Kosten trägt das Land

LayoutDoch der Reihe nach: Die Erweiterung der völlig überlasteten Erstaufnahmeeinrichtung in Hacheney kann kommen. Und sie wird kommen.

In Leichtbauhallen am Westfalenpark sollen bis zu tausend Menschen für maximal 48 Stunden eine allererste Bleibe finden, bevor sie – nach einer Registrierung und ersten Gesundheitsuntersuchung – in ihre künftigen Heimatorte in NRW weiterreisen werden.

Die Kosten für diese neue Erstaufnahme trägt komplett das Land NRW. Mehrere  Vertreter der Stadtverwaltung hatten eingangs mit aktuellen Zahlen die Dringlichkeit dieser Maßnahme untermauert. Die demokratischen Vertreter von SPD, CDU, Grünen, Linken & Piraten und FDP stimmten der „absolut notwendigen Maßnahme“ (Ulrich Langhorst, Grüne) nach einem langen Rede-Marathon auch geschlossen zu.

Rechtspopulistische und rassistische Kommentare im Rat

Am Sonntag werden in Dortmund drei Flüchtlingszüge erwartet. Der erste Zug brachte 800 Menschen, die im DKH versorgt und dann landesweit verteilt wurden.
Dankbarkeit von Seiten der Flüchtlinge, Hetze von Seiten der Rechtspopulisten.

Doch es gab durchaus auch andere Meinungen: Der NPD-Vertreter Axel Thieme nutzte das Flüchtlingsthema, um seine ausländerfeindlichen und diskriminierenden Statements vorzutragen.

Er konnte die Anwesenden aber wegen der festgelegten Redezeit „nur“ drei Minuten lang mit Äußerungen über die „Abenteurer“ und „Goldsucher“ quälen.

Anders bei der dreiköpfigen AfD. Da diese über einen Fraktionsstatus verfügt, betrug die Redezeit zehn Minuten. Und die nutzte Heiner Garbe wortreich – und ließ dabei alle Masken fallen.

„Desaströs“ sei die „unkontrollierte Zuwanderung in unsere Sozialsysteme“, schleuderte er den Ratsmitgliedern entgegen. Er unterstellte, dass nur wenige Flüchtlinge wirklich verfolgt seien und schürte Ängste vor steigender Kriminalität.

Lars Rettstadt (FDP/Bürgerliste) sprach den meisten Anwesenden aus dem Herzen, als er kommentierte: „Mit dieser Rede haben Sie sich gerade politisch selbst begraben“.

Neonazis wurden vom Sicherheitsdienst aus dem Ratssaal entfernt

Ratssitzung Dortmund Oktober 2014
Neonazi-Ratsmitglied Michael Brück und seine Anhänger flogen aus dem Rathaus.

Doch die rechtspopulistischen Auftritte waren noch längst nicht zu Ende: „Jeder Asylbewerber ist einer zu viel“, nuschelte Michael Brück  (Rechte) ins Mikro, was ihm tosenden Applaus von seinen Anhängern auf der Zuschauertribüne einbrachte.

OB Ullrich Sierau platzte daraufhin der Kragen: Es ließ vom Sicherheitsdienst die Tribüne räumen. Als Brück daraufhin durch ein Megaphon (!) den Oberbürgermeister als „undemokratisch“ beschimpfte, schmiss dieser auch noch Brück aus dem Ratssaal. „Sie sind unparlamentarisch. Raus!“

Und so fehlt Brücks Stimme – ebenso wie die seines zuvor freiwillig gegangenen Kollegen von der NPD beim Abstimmungsergebnis zur Erstaufnahmeeinrichtung. Ein „Nein“ wird im Protokoll nur bei den AfD-Vertreterm und Detlef Münch zu lesen sein.

Großer Dank an die Bevölkerung für ehrenamtliches Engagement

Bleibt noch zu erwähnen, dass es zuvor auch sehr viele positive Äußerungen gab. Immer wieder ging der Dank an die Dortmunder Bevölkerung für ihre große Solidarität.

Mehr als 1000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer haben sich beim DKH registriert und helfen mit.
Mehr als 1000 ehrenamtliche Helfer haben sich beim DKH registriert und packen an.

„Ich bin stolz auf Dortmund“, sagte Norbert Schilff (SPD). „Diese Willkommenskultur ist einmalig, herausragend und erwähnenswert.“

Auch er richtete seinen Dank an alle Beschäftigten in der Flüchtlingsbetreuung, an Hilfsorganisationen, an die Stadtverwaltung und vor allem an die vielen Ehrenamtlichen.

Ähnlich äußerten sich die Sprecher der anderen demokratischen Fraktionen. Utz Kowalewski (Linke & Piraten) wies allerdings darauf hin, dass Deutschland mit seinen Waffenexporten in Höhe von 1,8 Milliarden Euro in die Krisenländer nicht ganz unschuldig an der gesamten Flüchtlingssituation sei.

Und Ulrich Monegel (CDU) merkte an, dass die Leichtbauhallen am  Westfalenpark keine dauerhafte Einrichtung sein könnten. Da müsse man sich perspektivisch über eine Einrichtung in Festbauweise Gedanken machen.

Einhellige Forderung nach mehr Solidarität der anderen Kommunen und vom Land

Am Sonntag werden in Dortmund drei Flüchtlingszüge erwartet. Der erste Zug brachte 800 Menschen, die im DKH versorgt und dann landesweit verteilt wurden.
Dortmund fordert mehr Solidarität von Land und anderen Kommunen in NRW ein.

Einig waren sich die Vertreter der demokratischen Fraktionen auch in ihrer Kritik. „Wir werden in Dortmund vom Land und den meisten Kommunen alleine gelassen“, sagte Utz Kowalewski.

Rechtsdezernentin Diane Jägers wies noch einmal darauf hin, dass in Dortmund 80 Prozent aller NRW-Flüchtlinge ankommen würden, während es im Rheinland trotz ständiger Forderungen immer noch keine Erstaufnahme gebe.

Und nicht nur Norbert Schilff beklagte, dass Bayern und NRW die Arbeit fast alleine stemmen müssten, und auch in Europa viele Staaten sich bislang vor dieser humanitären Herausforderung drückten.

„In einigen Bundesländern und bei einigen europäischen Staaten ist die Solidarität unterdurchschnittlich“, bestätigte Ulrich Monegel.

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Reaktionen

  1. Udo Lewe

    Leute vom Rat der Stadt Dortmund, setzt die Neonazis – sowie die AfD und Herrn Münch – in ein Flugzeug und fliegt diese Menschen nach Syrien. Sie können dann ja schauen, was da los ist – am besten ohne Rückflugticket.

  2. Nordstadtblogger-Redaktion

    Kommentare werden übrigens nur freigeschaltet, wenn die KommentatorInnen „echt“ und vor allem für Rückfragen per E-Mail erreichbar sind. Kommentare von Spam- und Testmails werden nicht veröffentlicht. Wer keine funktionierende Mailadresse angibt, kann dann auch nicht erfahren, warum ein Beitrag nicht veröffentlicht wurde.

  3. Fraktion Linke & Piraten

    Nein zu jedweder Zusammenarbeit mit der AfD

    „Wir arbeiten prinzipiell nicht mit einer Partei oder einer Fraktion zusammen, die dem rechten Lager zuzuordnen ist. Und selbstverständlich unterstützen wir auch deren Arbeit nicht. Aus diesem Grund wird die Fraktion DIE LINKE & PIRATEN künftig keinem politischen Antrag – egal welchen Inhalts – der AfD-Fraktion mehr zustimmen. Weder im Rat noch in den Bezirksvertretungen“. Das sagen Utz Kowalewski, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE & PIRATEN, sowie seine beiden Stellvertreter Christian Gebel und Nursen Konak.

    Schon lange beobachten die Linken & Piraten die rechtspopulistischen Auftritte der AfD-Vertreter im Rat und in diversen Bezirksvertretungen mit Sorge, sagt Christian Gebel. Auch das deutliche Bekenntnis der Dortmunder AfD-Ratsvertreter zu Frauke Petry, der neuen Vorsitzenden der AfD-Bundespartei, habe bei Linken & Piraten die Alarmglocken schrillen lassen. Die Hetze von Petry gegen Ausländer, Muslime oder Homosexuelle habe sogar zahlreiche AfD-Mitglieder – auch in Dortmund – veranlasst, aus der AfD auszutreten.

    Doch seit der Rede zur Flüchtlingssituation, die der Dortmunder AfD-Fraktionsvorsitzende Heiner Garbe erst vor wenigen Tagen bei der Sondersitzung des Rates gehalten und auch im Internet veröffentlicht habe, begreife man die Loyalität zu Frauke Petry. Diese liege in der inhaltlichen Nähe begründet. „Diese Rede im Dortmunder Rat hat wirklich den möglichen letzten Zweifel an der rechten Gesinnung der Dortmunder AfD-Vertreter beseitigt“, kommentiert Gebel.

    AfD-Fraktionsvorsitzender Heiner Garbe hatte die Notsituation von Menschen, die in ihrer alten Heimat ausgebombt, verfolgt und beschossen wurden, als „unkontrollierte Zuwanderung in unsere Sozialsysteme“ bezeichnet und gleichzeitig die Frage nach der Kriminalitätsentwicklung gestellt. Das sei mehr als üble Nachrede, so Gebel. Mit zahlreichen Aussagen dieser Art habe sich die AfD-Fraktion für die Linken & Piraten ­­– „aber nicht nur bei uns“ – politisch aufs Abstellgleis gestellt, zumal auch noch die hilfsbereite Dortmunder Bevölkerung als „groteske (…) Willkommensjubler“ verunglimpft worden sei. „Wir werden daraus unsere Konsequenzen ziehen“, so die Fraktionsspitze von Linke & Piraten nach einem einstimmigen Beschluss.

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