Drittes Dortmunder Forum für Flüchtlinge in der Nordstadt diskutiert eine Vielzahl von Herausforderungen

Rund 150 Interessierte nahmen am 3. Dortmunder Flüchtlingsforum teil.
Rund 150 Interessierte nahmen am 3. Dortmunder Flüchtlingsforum teil. Fotos: Alex Völkel

Die Schaffung von Strukturen für das Ehrenamt zur Betreuung von Flüchtlingen, Arbeitsvermittlung, psychoziale Betreuung, Entwicklung der Aufnahmestrukturen, Fachkräfteschulung, Selbstorganisation von Flüchtlingen und Bildungsangebote wurden beim 3. Dortmunder Forum für Flüchtlinge diskutiert.

Bleiberechtsnetzwerk „Aufbruch Portin Plus“, Dortmunder AK Kimble und Stadt als Veranstalter

Das Bleiberechtsnetzwerk „Aufbruch Portin Plus“ hat mit dem Dortmunder AK Kimble und der Stadt Dortmund das Forum organisiert.
Das Bleiberechtsnetzwerk „Aufbruch Portin Plus“ hat mit dem Dortmunder AK Kimble und der Stadt Dortmund das Forum organisiert.

Mehr Teilnehmer, mehr Themen, mehr Vielfalt – auf diesen Nenner brachte es Detlev Becker vom Bleiberechtsnetzwerk „Aufbruch Portin Plus“, welches gemeinsam mit dem Dortmunder AK Kimble und der Stadt Dortmund das Forum im Dietrich-Keuning-Haus organisiert hatte.

Der Andrang an Teilnehmerinnen und Teilnehmern war groß – rund 150 Menschen diskutierten drängende Themen. Denn das Thema Betreuung und Integration von Flüchtlingen ist mittlerweile in aller Munde.

Aktuell kommen 50 Flüchtlinge pro Woche in Dortmund an. Im Jahr 2012 waren es noch 200 – im ganzen Jahr! Eine Aufgabe, der sich die Stadt und auch die Zivilgesellschaft stellt.

„Integration kann nur in eigenen Wohnungen gelingen, auch wenn in Gemeinschaftseinrichtungen schon viel zur Vorbereitung passiert“, verdeutlichte Sozialdezernentin Birgit Zoerner. Die Vorbereitung auf den Alltag in Dortmund, die Anmeldung in Schulen, den Spracherwerb, Erledigungen und das Erlernen des Alltäglichen ist gemeint.

Zoerner: Bessere Integration durch früheren Zugang zum Arbeitsmarkt

„Vielfältige Herausforderungen, die nur mit Ehrenamt zu bewältigen sind. Da erleben wir viel Engagement. Dank dafür – ohne Ehrenamt würde es nicht gehen“, betonte Zoerner. „Wir wissen, dass es noch jede Menge zu tun gibt“, – so die Sozialdezernentin. Aber den Herausforderungen würde sich die Stadt stellen.

Zum Glück gebe es jetzt Bewegung beim Zugang zum Arbeitsmarkt. Integration könne nun frühzeitiger beginnen. „Das muss alles noch organisiert werden und ist kein einfaches Thema“, so Zoerner. „Die Übergänge sind teils noch nicht optimal. Aber das ist normal bei der Größe der Herausforderungen.“ Es gebe immer mehr gute Beispiele und Kooperationen. Gemeinsam könne Dortmund eine Integrationsperspektive für die Flüchtlinge voranbringen.

Flüchtlingsrat: Ehrenamt darf nicht zum Lückenbüßer für fehlende Hauptamtliche werden

Die Spendenbereitschaft aus der Bevölkerung ist groß - die Kleiderkammer füllt sich.
Die Spendenbereitschaft aus der Bevölkerung ist groß – die Kleiderkammern sind gut gefüllt.

Birgit Naujoks vom Flüchtlingsrat NRW begrüßte das ehrenamtliche Engagement in Dortmund. „Gerade in einer Stadt wie Dortmund, in der rechtsradikale Gruppen immer wieder versuchen, ein Klima der Angst zu schüren, ist es erfreulich zu beobachten, dass sich auch neue Willkommens-Initiativen gründen, die Flüchtlinge unterstützen“, so Naujoks in ihrem Grußwort.

„Doch das Ehrenamt kann das Hauptamt nur unterstützen, kann und darf dieses aber nicht ersetzen“, warnte die Vertreterin des Flüchtlingsrates. „Die Versorgung und Betreuung von Flüchtlingen ist und bleibt eine staatliche Aufgabe. Lücken füllen können deshalb nur gut qualifizierte Hauptamtliche“, betont Naujoks. Dies könne von Ehrenamtlichen allenfalls flankiert werden.

Sie forderte zudem eine gleichberechtigte Teilhabe von Flüchtlingen – und diese müsse gesamtgesellschaftlich umgesetzt werden. „Jeder sollte sich aufgerufen fühlen, einen kleinen Teil dazu beizutragen“, betonte Naujoks. „Nur so kann der Übergang in eine von Chancengleichheit geprägte Gesellschaft funktionieren.“

Bezirksregierung verspricht Entlastung für Dortmunder Erstaufnahmeeinrichtung

Doch bis dahin ist es noch weit. „Die humanitäre Unterbringung von Flüchtlingen ist eine riesenhafte Aufgabe“, sagte Michael Kirchner von der Bezirksregierung Arnsberg.

„Die humanitäre Unterbringung von Flüchtlingen ist eine riesenhafte Aufgabe“, betont Michael Kirchner von der Bezirksregierung Arnsberg.
„Die humanitäre Unterbringung von Flüchtlingen ist eine riesenhafte Aufgabe“, betont Michael Kirchner.

Doch der Druck steige: Kamen im Januar 2010 noch 622 Flüchtlinge nach NRW, waren es im Januar 2015 4229 Neuankömmlinge. „Es gibt keine Phasen der Ruhe mehr. Wir werden auf hohem Niveau und mit hohem Einsatz weiterarbeiten müssen.“

Er sagte eine baldige Entlastung für die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in Dortmund-Hacheney zu. Bislang trägt sie die Hauptlast der Zuwanderung nach NRW. Derzeit gibt es nur noch Bielefeld.

Ab 1. Mai sollen zwei weitere Erstaufnahmeeinrichtungen im Kreis Siegen-Wittgenstein eröffnen – in Burbach und Bad Berleburg. Also dort, wo die Misshandlungen von Flüchtlingen landesweit für Schlagzeilen sorgten, sich der Kreis aber mittlerweile massiv um die Betreuung von Flüchtlingen kümmert. Weitere Erstaufnahmeeinrichtungen in Unna (Juli 2015) und Essen (Herbst 2015) sollen folgen.

Die Dortmunder Stadtspitze fordert seit langem das Land auf, weitere Einrichtungen zu schaffen. Jetzt kommt – wenn auch sehr spät – Bewegung in die Sache. Die Erkenntnis ist angekommen: „Wir müssen Dortmund dringend entlasten“, räumt Kirchner ein.

Land schleust Flüchtlinge schneller durch die eigenen Einrichtungen – zu Lasten der Kommunen

Mittlerweile gibt es 20 zentrale Unterbringungs-Einrichtungen. Normalerweise würden die Flüchtlinge dort – so sieht es das Gesetz vor – bis zu drei Monate bleiben.

27 aller in Deutschland ankommenden Asylbewerber durchlaufen die EAE Hacheney.
27 Prozent aller in Deutschland ankommenden Asylbewerber durchlaufen derzeit die EAE in Hacheney.

„Doch das halten wir nicht durch. Nach 14 Tagen bis 3 Wochen müssen wir die Flüchtlinge den Kommunen zuweisen“, räumt der Vertreter der Bezirksregierung ein, weil sonst die Kapazitäten nicht ausreichen würden.

Das Land wälzt damit faktisch die Belastungen frühzeitig auf die Kommunen ab, die entsprechend weniger Zeit zur Schaffung von Kapazitäten haben.

„Das führt zu wöchentlichen Zugängen in den Kommunen“, weiß Kirchner. Planen können die Städte und Gemeinden daher nicht. Daran ändern auch die 16 Notunterkünfte nichts, die das Land bereits eröffnet, beziehungsweise in der Planung hat.

Doch auch positive Veränderungen vermochte Kirchner zu erkennen. Nämlich die Optimierung von Betreuungs- und Sicherheitsstandards. „Solche Situationen wie in Burbach wollen wir nicht mehr erleben. Man ist zwar nie gegen alles gefeit, aber wir wollen alles Menschenmögliche tun.“

Daher gebe es jetzt unangekündigte Kontrollen: Drei Teams – bestehend aus ehemaligen Polizisten – nehmen die Sicherheit und zwei weitere die Betreuungsstandards der Flüchtlingsunterkünfte im Land unter die Lupe.

Zusätzliche Kapazitäten für die psychosoziale Betreuung von Flüchtlingen gefordert

Barbara Eßer vom Zentrum für Flüchtlinge in Düsseldorf fordert zusätzliche Kapazitäten für die psychosoziale Betreuung von Flüchtlingen.
Barbara Eßer fordert zusätzliche Kapazitäten für die psychosoziale Betreuung von Flüchtlingen.

Barbara Eßer vom Zentrum für Flüchtlinge in Düsseldorf erläuterte den interessierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Arbeit und Notwendigkeit von psychosozialen Zentren für Flüchtlinge. Denn Studien zeigten, dass 40 Prozent aller Flüchtlinge an Traumafolgestörungen litten.

Sie beschrieb Ereignisse, Risiko- und Schutzfaktoren, die beeinflussen, ob sich ein relevantes Krankheitsbild entwickeln kann. Das größte Problem: Es gibt viel zu wenige Plätze und massiv lange Wartezeiten, kritisierte die Gruppe „Refugees Welcome Dortmund“.

Eine Kritik, die Barbara Eßer teilt. „Der Druck in unserem Team wird immer größer, weil das Notwendige nicht mehr zeitnah gemacht werden kann“, verdeutlicht die Düsseldorferin.

„Daher ist es sehr zu befürworten, wenn es schnell weitere Zentren gibt und auch ambulante Angebote unterstützt werden. Wartezeiten von bis zu zwei Jahren seien traumatisierten Kriegs- und Folteropfern nicht zuzumuten. (Mehr Informationen am Ende des Textes)

Finanzierung für das Ausbildungscoaching für Flüchtlinge und Zuwanderer noch nicht gesichert

Auch dem Thema Arbeitsmarkt-Integration widmete das Forum Zeit. Handwerkskammer und Arbeitsagentur stellten ihre neuen Programme und Aktivitäten vor. Doch das sind nicht die einzigen, die auf diesem Feld aktiv sind.

Sehr erfolgreich läuft das Ausbildungscoaching für Flüchtlinge, das Grünbau in der Nordstadt aufgebaut hat. Allerdings ist die zukünftige Finanzierung nicht gesichert.

Die Zahl der betreuten Teilnehmerinnen und Teilnehmer hat sich aktuell auf 100 verdoppelt. Doch die Finanzierung ist noch immer prekär und eine Fortführung nicht gewährleistet, macht Ausbildungs-Coach Florian Eichenmüller im Gespräch mit nordstadtblogger.de deutlich.

Er kümmert sich derzeit allein um die 100 jungen Flüchtlinge, um sie fit für Ausbildung und Beruf zu machen. Das Projekt läuft gut und müsste dringend personell ausgebaut werden. Doch dafür hapert es an der Förderung…

Begleitung von Flüchtlingen in eigene Wohnungen durch qualifizierte Ehrenamtliche

Viele Bürger helfen, um die Menschen willkommen zu heißen.
Viele Bürgerinnen und Bürger wollen helfen, um die Flüchtlinge in Dortmund willkommen zu heißen.

Die Strukturierung der ehrenamtlichen Arbeit in Dortmund war ein weiteres wichtiges Thema des dritten Forums im Dietrich-Keuning-Haus.

Eine der Hauptherausforderungen sieht die von Ehrenamtlichen angestoßene stadtweite Koordinierungsrunde – hier sitzen Bezirksbürgermeister, Vertreter von Einrichtungen und Aktive zusammen – in der Schaffung von Strukturen für die Begleitung von Flüchtlingen in eigene Wohnungen.

„Dafür müssen wir Ehrenamtliche qualifizieren“, betont der ehemalige Superintendent Paul-Gerhard Stamm. „Viele Flüchtlinge sind mit der deutschen Bürokratie überfordert und brauchen Hilfestellungen.“ Ihm schwebt ein Mentoring oder ein Patenschaftsprogramm vor.

Kritik am Ausbleiben der stadtweiten Koordinierung der Hilfsangebote

Es gibt eine ungebrochene Welle der Hilfsbereitschaft, aber noch keine stadtweite Koordinierung der Hilfen. Nach dem Willen der Verwaltung soll es das von den Aktiven und den Bezirksvertretungen geforderte zentrale Infotelefon für Flüchtlingsfragen nicht geben. Stattdessen soll die Ehrenamtsagentur interessierten Ehrenamtlichen mögliche Einsatzstellen vermitteln.

Ungelöst bleibt dann allerdings die stadtweite Vermittlung von möglichen Kleiderspenden, Unterstützungsangeboten und Ansprechpartnern. Die Wohlfahrtsverbände versuchen, dies über die Internetseite www.fluechtlinge-Dortmund.de etwas aufzufangen. Aber personelle Kapazitäten gibt es dafür nicht.

Die bisherigen Zwischenunterkünfte in Dortmund

  • Adlerstraße (Innenstadt-West), 120 Plätze, in Betrieb
  • Sporthallen Brügmann-Block, 300 Plätze, in Betrieb – (Notunterkunft – Ende März geschlossen)
  • Hauptschule Osterfeld Eving, 160 Plätze, in Betrieb
  • Hauptschule am Ostpark (Innenstadt-Ost), 120 Plätze, in Betrieb
  • Dietrich-Bonhoeffer-Grundschule Scharnhorst, 57 Plätze, Start: in Betrieb
  • Containerunterkunft Morgenstraße Wickede, 150 Plätze, in Betrieb
  • Containerunterkunft Mergelteichstraße Hombruch, 300 Plätze,
  • ehemalige Polizeiwache Hörde, 100 Plätze, Start: Anfang Juni
  • Containerunterkunft Breisenbachstraße in Mengede, 300 Plätze, Start: vermutlich August
  • Containerunterkunft Selkamp in Aplerbeck, 300 Plätze, Start: August/September
  • Hauptschule Derne, 100 Plätze, Start: Juli
  • Zurzeit in Planung: Ein Standort in Huckarde
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Reaktionen

  1. IBB DO

    Inklud:Mi: Informationen über Hilfen für Migranten mit Behinderung

    Speziell an Multiplikatoren aus Migranten-Selbstorganisationen und Beratungsstellen der Flüchtlingshilfe richtet sich ein Informationsabend des IBB Dortmund im Rahmen des Projekts Inklud:Mi. Mit diesem Angebot sollen Menschen erreicht werden, die sich über das differenzierte System der Hilfen bei Behinderungen oder psychischen Erkrankungen informieren möchten und ihr Wissen als Haupt- oder Ehrenamtliche an Migrantinnen und Migranten weitergeben können.

    Der Infoabend beginnt am Mittwoch, 22. April 2015, um 18 Uhr im Reinoldinum, Schwanenwall 34, in Dortmund.

    Menschen mit Migrationshintergrund und einer Behinderung sind in vielen Fällen doppelt benachteiligt: Sie müssen nicht nur die für sie passenden Hilfsangebote finden – sie müssen auch das komplexe System und seine Funktionsweise verstehen. „Das Netz der Hilfeanbieter in Deutschland ist zwar sehr vielfältig und auf fast alle Bedürfnisse schon passgenau zugeschnitten“, weiß Hildegard Azimi-Boedecker, Leiterin des Fachbereichs Beruf international und Migration im Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk e. V., „aber es erklärt sich leider nicht von selbst.“

    Die fünfte Veranstaltung im Rahmen des Projekts Inklud:Mi unternimmt deshalb einen Erklärungsversuch.

    Die Teilnahme ist kostenlos. Eine Anmeldung ist erforderlich wahlweise per E-Mail an info@ibb-d.de oder unter der Rufnummer 0231-952096-0.

  2. Oliver Krauß für die BV I-West

    3. Runder Tisch der Flüchtlingsunterkunft Adlerstraße 44

    Der Runde Tisch der Flüchtlingsunterkunft Adlerstraße 44 lädt am 22.04.2015 zum 3. Runden Tisch interessierte Anwohner und Akteure ab 19 Uhr im Haus der Vielfalt des VMDO e.V. in der Beuthstraße 21 ein.

    Insbesondere folgende Themen werden besprochen:

    – Bericht Betreiber der Unterkunft 

- Situation in der Einrichtung
- Spenden/Gründung Förderverein
- – Nachbarschaftsfest am 25.04.2015
    – Projekt Gartenoase
- BVB-Fussballturnier am 12.06.2015 auf dem Gelände
    – Berichte von Sozialamt, Polizei und Ehrenamtlichen

    – Anregungen/Beschwerden durch Anwohner (aktuell und in der Vergangenheit lagen keine vor)


    Kontakt: Oliver Krauß, F 50-22904, innenstadtwest@dortmund.de
    


    Rechtlicher Hinweis:

    Mitglieder und Sympathisanten rechtsextremer Parteien oder Gruppierungen sowie Personen, die durch rassistische oder fremdenfeindliche Äußerungen aufgefallen sind, sind von der Teilnahme an der Veranstaltung ausgeschlossen.

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