Dortmunder Stadtrat setzt ein Zeichen gegen Abschiebungen nach Afghanistan – Kundgebung der Flüchtlingspaten

Die Dortmunder Flüchtlingspaten hatten zur der Kundgebung vor dem Rathaus aufgerufen.
Die Dortmunder Flüchtlingspaten hatten zur der Kundgebung vor dem Rathaus aufgerufen. Fotos: Alex Völkel

Donnerstag war einer dieser Tage (1. Juni 2017), wo die große Weltpolitik in die Lokalpolitik schwappt: Der verheerende Selbstmordanschlag in der afghanischen Hauptstadt Kabul hat die desolate Sicherheitslage in dem Land wieder auf die Tagesordnung gebracht. Im Rathaus wird abstrakt über eine Resolution zur Aussetzung von Abschiebungen gestritten und vor der Tür stehen Flüchtlingspaten, um eine Abschiebung des 25-jährigen Najib Mohammady aus Dortmund zu verhindern.

Lehrstelle in Aussicht: Flüchtlingspaten wollen jungem Flüchtling helfen

Najib ist seit Herbst 2015 in Deutschland. Gemeinsam mit seiner Familie floh er vor Angriffen der Taliban. Doch wie willkürlich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entscheidet, wird an seiner Familie deutlich: Während die Familie seiner Schwester als Flüchtlinge anerkannt wurde, wurde Najibs Asylantrag abgelehnt. Sein Vater – 83 Jahre alt – wird aus Altersgründen geduldet.

Dabei hat der 25-Jährige sogar einen Ausbildungsplatz im Handwerk in Aussicht. Die Dortmunder Flüchtlingspaten setzen sich daher für ihn ein, haben die Kundgebung und einen Anwalt organisiert und eine Bleiberechtspetition gestartet. Das alles schon, bevor der neuerliche Anschlag abermals mehr als deutlich machte, dass Afghanistan kein sicheres Herkunftsland ist.

Dennoch wurden – wegen der politischen Großwetterlage – zahlreiche Menschen nach afghanistan abgeschoben. Dort werden sie für eine Woche von der Regierung in einer Unterkunft untergebracht. Doch danach sind sie auf sich allein gestellt – ihre Spur verliert sich. Von der deutschen Botschaft haben sie – nach dem schweren Anschlag noch viel weniger – kaum Unterstützung zu erwarten.

Grüne, Linke und Piraten wollen Aussetzungen der Abschiebungen

Daher hatten die Grünen als auch die Fraktion Linke und Piraten Resolutionen beziehungsweise Anträge in den Rat eingebracht, um Bund, Land und auch die eigene Stadtverwaltung aufzufordern, Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen.

„Die Sicherheitslage ist so unsicher, dass das UNHCR eine Unterscheidung zwischen sicheren und unsicheren Gebieten in Afghanistan ablehnt“, betonte Ulrich Langhorst (Grüne) die Initiative seiner Fraktion. „Wer Menschenrechte und Humanität wert schätzt, fordert Bundesregierung, Land und eigene Verwaltung zur Aussetzung der Abschiebungen auf.“

Zeitgleich zur Ratssitzung teilte die Bundesregierung mit, dass die Abschiebungen zunächst ausgesetzt seien. Dies hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit MinisterpräsidentInnen der Länder besprochen. Der Bund soll bis Juli eine neue Lageeinschätzung geben. A

uch müsse die deutsche Botschaft erst wieder handlungsfähig sein, bevor man wieder an Abschiebungen denken könne. Allerdings gilt dieses Moratorium nicht für Straftäter und Gefährder – sie können und sollen weiter abgeschoben werden.

„Afghanistan ist kein sicheres Herkunftsland und war nie ein sicheres Herkunftsland“

Die Aussetzung sei ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aber es gebe noch keinen Ausschluss der Abschiebungen. „Die Einstufung als sicheres Herkunftsland halten wir für absurd, in Anbetracht dessen, was seit Jahrzehnten dort stattfindet. Der Anschlag ist nur die Spitze des Eisbergs“, betont Utz Kowalewski (Linke & Piraten).

Christiane Krause (CDU) war froh, dass es nun auf Bundesebene ein Nachdenken gebe: „Gott sei Dank ein ganz neuer Sachstand. Aber ich habe großes Vertrauen in unsere Bundesregierung und insbesondere in unsere Bundeskanzlerin“, betonte die CDU-Politikerin.

Wenig Umdenken braucht Norbert Schilff (SPD) : „Afghanistan ist kein sicheres Herkunftsland und war nie ein sicheres Herkunftsland – und das seit Jahrzehnten“, kommentierte er die Diskussion. Allerdings hätte er gerne das Thema im Bürgerdiensteausschuss gesehen.

„Dann könnten wir auch erfahren, wie sie sich der Wegfall der ZAB und die Regelungen auf unsere Stadt auswirken. Auch über die Abschiebesituation in Dortmund hätte ich gerne mehr gewusst“, so Schilff. „Wir wollen einen Dortmund-Bezug herstellen“, sagte er mit Blick auf die auf dem Tisch liegenden Papiere.

Diesem Ansinnen folgte die große Mehrheit des Rates. In der nächsten Sitzung des Fachausschusses kommen sie wieder auf den Tisch – außerdem wird es eine Berichterstattung zum Thema geben. Ob es auch Najib Mohammady hilft, muss sich zeigen.

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Reaktionen

  1. Flüchtlingspaten Dortmund

    Gedenkfeier für die Opfer von Kabul

    auf der Kundgebung vor dem Rathaus anlässlich der Ratsabstimmung über die Anträge zum Abschiebestopp nach Afghanistan wurden wir von den anwesenden afghanischen Menschen gebeten für Freitag, den 02.06. 2017, eine Trauerfeier für die Opfer des Bombenanschlages in Kabul/Afghanistan am vergangenen Mittwoch zu organisieren.

    Dem Wunsch entsprechend haben die Flüchtlingspaten Dortmund für Freitag, 02.06. 2017 ab 20 Uhr auf der Mitte des Friedensplatzes eine entsprechende Veranstaltung bei der Polizei angemeldet. Wir werden die Menschen, die dort morgen mit Kerzen, Blumen und Ansprachen der Opfer gedenken möchten, Unterstützung leisten. Zudem rufen wir die Dortmunder Bürger auf, sich an dem Gedenken zu beteiligen.

  2. Thorsten Hoffmann (CDU-MdB)

    Zu dem gestern am späten Abend beschlossenen Abschiebestopp von abgelehnten Asylbewerbern nach Afghanistan erklärt der Dortmunder Innenpolitiker Thorsten Hoffmann, Mitglied des Bundestages:

    „Die Entscheidung der Bundesregierung ist richtig und ich habe bei der Abstimmung zugestimmt. Die Situation, vor allem in Kabul, ist nicht mehr eindeutig einzuschätzen. Wir müssen deshalb abwarten, bis die Botschaftsmitarbeiter nach dem schrecklichen Anschlag wieder zu einem normalen Arbeitsbetrieb zurückgehrt sind.

    Wir müssen aber auch immer bedenken, dass wir eine Verpflichtung gegenüber dem Land Afghanistan haben. Unser Ziel ist, Afghanistan zu befrieden und dem Land eine Zukunft zu ermöglichen. Dafür ist das Land auf seine Bürgerinnen und Bürger angewiesen.

    Gerade deshalb muss eine neue und gut fundierte Einschätzung der Sicherheitslage vor Ort darüber entscheiden, ob Afghanistan für Rückkehrer weiterhin als sicher gelten kann. Dabei dürfen Einzelfälle nicht verallgemeinert werden. Nach wie vor richten sich die Anschläge hauptsächlich gegen Institutionen und nicht gegen die Zivilbevölkerung. Wir können in Afghanistan nicht den deutschen Sicherheitsstandard erwarten und wir müssen die dortigen regionalen Unterschiede beachten.

    Deshalb finde ich es richtig, dass Straftäter und Gefährder weiterhin auf Basis einer Einzelfallprüfung abgeschoben werden können. Auch bei denjenigen, die hartnäckig ihre Mitwirkung bei der Identitätsfeststellung verweigern, gilt dies.

    Wir haben in Nürnberg gesehen, wozu dies führt. Das Verhalten der Polizei muss fraglos aufgeklärt werden, aber es kann nicht sein, dass bei der Durchsetzung von Recht das Gewaltmonopol des Staates durch Demonstranten infrage gestellt wird.“

  3. Andreas

    Wir brauchen das Recht auf Flucht auf antifaschistischer Grundlage! Die Politik der Merkel/ Gabriel – Regierung und ihr reaktionärer Flüchtlingspakt mit Erdogan macht das Mittelmeer wieder verstärkt zu einem Massengrab. Die Menschen werden an der Flucht gehindert, aber an den Umständen warum sie fliehen wird nichts geändert. Auch die deutsche Regierung macht eine imperialistische Politik (z.B. Verhandlungen und Waffenlieferungen an reaktionäre Regimes wie Türkei, Ägypten, …), um die Interessen des deutschen Finanzkapitals durchzusetzen. Deshalb muss der Kampf gegen die Abschiebung gegen die Regierung geführt werden. Auf dem 18. Internationalen Pfingstjugendtreffen ist am Sonntag ein Erfahrungsaustausch gegen Abschiebung. Am Samstag Abend spielen fortschrittliche Musikgruppen auf einem Konzert der Internationalen Solidarität u.a. auch Shekib Mosadeq mit seiner afghanischen Band. Herzlich willkommen!

  4. Wiener

    Herr Hoffmann-CDU-Bundestsgsabgeordneter informierte in obigem Kommrntsr dstüber, dass sich Anschläge in Afghanistan „hauptsächlich gegen Institutionen und nicht gegen die Zivilbevölkerung“ richten würden uns man nicht deutsche Sicherheitsstandards bei der Beurteilung der dortigen Lage ansetzen dürfte.

    Soeben wird nun berichtet, dass bei der Beerdigung eines vor wenigen Tagen beim Anschlag auf das deutsche Botschaftsgelände getöteten Mannes ebenfalls ein Anschlag verübt wurde und mehrere Menschen getötet

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