„Dortmund zeigen, wie es wirklich ist“ – Diskussion des Anti-Naziprotests beim Arbeitskreis Christen gegen Rechts

CSD-Teilnehmer und Antifaschisten protestierten gegen Neonazis.
ChristInnen und AntifaschistInnen protestieren gegen Neonazis. Foto: Alex Völkel

Von Clemens Schröer

Im Vorfeld des sog. „Tags der deutschen Zukunft“ (TddZ), einer größeren Nazi-Demonstration in unserer Stadt, hatte der Arbeitskreis Christen gegen Rechts der Ev. Kirche in Dortmund zu einer Informationsveranstaltung ins Reinoldinum geladen. Referenten waren die DGB-Vorsitzende Jutta Reiter, Polizeipräsident Gregor Lange und der Journalist Rainer Zunder.

Ebenfalls Teilnehmer an der Podiumsdiskussion und deren Moderator war der gastgebende Pfarrer Friedrich Stiller. Im Publikum saßen vor allem Aktivisten der zahlreichen Anti-Nazi-Initiativen, die es den ortsansässigen wie zugereisten Rechtsextremisten so schwer wie möglich machen wollen, ihren braunen Ungeist auf den Straßen dieser Stadt zu verbreiten.

Überblick zu Genese und Konzept des rechtsextremen TddZ

Rainer Zunder stellte kurz den rechtsextremen TddZ vor. Seit acht Jahren gibt es dieses Format, am 4. Juni nun in Dortmund, hier maßgeblich organisiert von der Splitterpartei „Die Rechte“.

Wie immer geht es um den alten bösen Traum von der Wiedererrichtung einer Nazi-Diktatur mit rassistisch privilegierter Volksgemeinschaft sowie brutaler Ausgrenzung, Entrechtung und Unterdrückung sog. „Gemeinschaftsfremder“, wenn nicht Schlimmerem – die Polizei verbot für den Aufmarsch gern skandierte Parolen, die die von Nazis ermordeten Anne Frank, Thomas Schulz und Mehmet Kubasik verhöhnen, oder wünschen, Polizeipräsident Gregor Lange so im Kofferraum liegend vorzufinden, wie seinerzeit die von Linksterroristen ermordeten Aldo Moro und Hans-Martin Schleyer.

Dass Deutschland nun schon seit Jahrzehnten Einwanderungsland ist – und bleiben muss, soll und wird – ist für Neonazis ein Projekt zur „Vernichtung des Volkes“.  In die Dortmunder Nordstadt wollten sie, weil ihnen dieser multikulturelle Stadtteil als Sündenbabel schlechthin gilt.

Polizeipräsident unterstützt und schützt demokratischen, friedlichen Gegenprotest

Jutta Reiter, Gregor Lange und Friedrich Stiller. Foto: AKgR
Jutta Reiter, Gregor Lange und Friedrich Stiller standen Rede und Antwort. Foto: Veranstalter

Zeit für eine Einschätzung durch Gregor Lange: Der Dortmunder Polizeipräsident distanzierte sich zunächst inhaltlich von der bevorstehenden Nazi-Demo und stellte sich auf die Seite der friedlichen und demokratischen Gegendemonstranten, sie sollten „zeigen, wie Dortmund wirklich ist“, so Lange, und zwar „gewaltfrei und ohne Angst“.

Für alle friedlichen Gegenveranstaltungen sicherte er denn auch starken polizeilichen Schutz zu, auch junge Menschen sollten keine Angst haben, dorthin zu kommen. Er habe deshalb auch schon mit der für die Schulen zuständigen Bezirksregierung Arnsberg Absprachen getroffen. Am Demo-Tag stünden Polizeibeamte gerade für diese Jugendlichen als Ansprechpartner bereit.

Dafür erhielt Lange ein ausdrückliches Lob von Bodo Weihrauch vom Lütgendortmunder Runden Tisch, der sich noch gut daran erinnert, wie er sich früher immer wieder als Mitarbeiter des Städtischen Jugendamts auf den Polizeiwachen um einkassierte jugendliche Demonstranten kümmern musste.

Komplizierte Rechts- und Gefahrenlage: Kein Verbot, aber strenge Auflagen

Anschließend erläuterte Lange die komplizierte Rechts- und Gefahrenlage, die das Handeln seiner Behörde für den 4. Juni bestimmt. Ein Versammlungsverbot sei immer nur die allerletzte Maßnahme, am 28.3.2015 hatte er es zuletzt versucht, war aber an den Gerichten gescheitert. Grundgesetz und Bundesverfassungsgericht gestatten jede Versammlung unter freiem Himmel, soweit sie „friedlich und ohne Waffen“ erfolgt. Das Versammlungsgesetz erlaubt ein Verbot nur bei der Prognose erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit. Dafür müsse von der Mehrheit der erwarteten Demo-Teilnehmer „Unfriedlichkeit“ ausgehen und zwar durch Tatsachen glaubhaft belegt.

Um die Rechten nicht triumphieren zu lassen, habe er dieses Mal keinen Verbotsantrag gestellt. Dafür habe seine Behörde in den sog. Kooperationsgesprächen mit der nazistischen Anmelderseite aber festgelegt, dass die Demo nicht, wie von den Nazis gewünscht, in der Nordstadt stattfindet oder in der City, sondern in Außenbezirken.

Auch sei ihnen ein solch umfangreicher und detaillierter Auflagenkatalog mitgegeben worden, wie es wohl bei keiner anderen Nazi-Demo in Deutschland je gemacht worden sei. Auch wenn die Verbote auf den rechtsradikalen Seiten derzeit dummschlau rezitiert würden, der Hetz- und Radau-Pegel, der ganze Aktionsradius auf der Demo sei damit empfindlich reduziert. Bei Verstößen könne die Versammlung aufgelöst werden, würden die Verantwortlichen wie der Anmelder ggf. strafrechtlich belangt.

Kritik an der linksautonomen Kampfansage an die Polizei

800 bis 1000 Neonazis würden erwartet, mit teils erheblichem Gewaltpotential, aber auch eine vielleicht ähnlich hohe Zahl aus der Szene linksextremistischer Gewalttäter, die vor einiger Zeit etwa in Leipzig äußerst gewalttätig vorgegangen seien.

Auch aus der berüchtigten linksautonomen Szene Hamburgs und Berlins gebe es Ankündigungen, nach Dortmund zu kommen, eigentlich aus der gesamten Bundesrepublik. Diese beiden Gruppen, gewaltbereite Nazis und Linksautonome, auseinanderzuhalten, damit es zu keiner Gewalt kommt, hat für die Polizei dieselbe Priorität wie der starke polizeiliche Schutz für die friedlichen demokratischen Gegendemonstranten.

Eine „Kampfansage an die Polizei“, durchaus auch mit gewaltsamen Mitteln, wie sie – nicht ganz frei von Überheblichkeit – der Pressesprecher des linksautonomen Bündnisses „No-TddZ“ jüngst für den Fall ausgesprochen hatte, dass Blockaden geräumt würden, mindert die Sorgen jedenfalls nicht. Also verrät die Polizei auch erst kurz vor dem heißen Datum die Versammlungsroute der Nazis, vielleicht auch erst am 4. Juni selbst.

Blick auf die Aktivitäten der antinazistischen Gegendemonstranten am 4. Juni

Mit den Luftwürfeln lassen sich spielend leicht Barrikaden errichten.
Mit den Luftwürfeln lassen sich spielend leicht Barrikaden errichten. Foto: Alex Völkel

Jutta Reiter, DGB-Vorsitzende und Co-Sprecherin des Arbeitskreises gegen Rechtsextremismus, dem demokratische Parteien von den Grünen bis zur CDU, aber auch die beiden christlichen Kirchen und weitere Organisationen der Zivilgesellschaft angehören, stellte daraufhin die Aktivitäten ihres Bündnisses am 4. Juni vor.

Um 11 Uhr gebe es am U-Turm eine Auftaktveranstaltung mit mehreren prominenten Rednern, unterstützt auch von Schülern und Lehrern von 14 Dortmunder Schulen, die derzeit zusammen mit dem Schauspiel Dortmund fleißig die Würfel für die sog. „Spiegelbarrikade“ gegen Nazis bauen.

Dann geht es in einem Protestzug nach Dorstfeld zum Wilhelmplatz, wo bereits der dortige Runde Tisch unter dem Titel „AUF-TAKT: Gemeinsam für ein nazifreies Dortmund“ zu einem Musikkonzert und kreativer Platzbemalung geladen hat. Die gemeinsame Veranstaltung mit Spiegelbarrikadenbau dort geht bis 15 Uhr, dann bleibt man entweder vor Ort und feiert weiter und zeigt, dass dieser von Rechtsextremen als bevorzugter Wohnort heimgesuchte Stadtteil kein „Nazikiez“ ist.

Demonstrieren mit dem Arbeitskreis oder blockieren mit BlockaDO?

Zahlreiche Proteste von BlockaDO gab es gegen den Neonazi-Aufmarsch in Westerfilde.
BlockaDO will sich den Neonazis gewaltfrei in den Weg stellen. Foto: Alex Völkel

Oder man schließt sich zum Beispiel weiter dem Arbeitskreis an, der sich auf den Weg zur Nazi-Route machen und seinen friedlichen, aber zornigen Protest den Rechtsextremisten sehr nah entgegenbringen wird.

Oder man macht sich auf zum linken Bündnis „BlockaDO“, das versuchen wird, die Nazi-Demo mithilfe einer oder mehrerer Blockaden so empfindlich zu stören, dass sie beendet werden muss.

Es wird jedenfalls sehr viele weitere Aktionen gegen die Nazis an diesem Tag geben und zwar an historisch oder aktuell neuralgischen Punkten (am Denkmal für den vom NSU ermordeten Mehmet Kubasik an der Mallinckrodtstraße, vor Moscheen und Flüchtlingsunterkünften).

Jutta Reiter rät zu gutem Schuhwerk, denn um den Nazis wirksam zu begegnen, muss man standfest, aber auch beweglich sein!

Kritik an der polizeilichen Geheimhaltungs- und Abriegelungsstrategie

Aus dem Publikum gab es partielles Lob für die Ausführungen der Podiumsteilnehmer. Aber mehrere Teilnehmer beklagten die örtliche Geheimhaltungsstrategie der Polizei und die häufig weiträumigen Abriegelungen der Gebiete rund um die Nazi-Route (Iris Bernert-Leushacke, Die Linke und BlockaDO). Der grüne Dortmunder Co-Parteichef Remo Licandro monierte, dass es Teilnahmewilligen für angemeldete Versammlungen in der Nähe der Nazis oft nicht gestattet werde, die Absperrungen zu passieren.

Aber Lange konterte dann immer wieder mit der prognostizierten Gefahrenlage und den zeitlichen und örtlichen Unwägbarkeiten am Tag X – und so drehte man sich hier im Kreis.

Für eine weltoffene, menschenfreundliche deutsche Zukunft und ein buntes Dortmund

Zahlreiche Menschen meldeten sich bei der Diskussion zu Wort. Foto: Veranstalter
Michael Eickhoff, Chefdramaturg des Schauspiel Dortmund, erläutert den Spiegelbarrikadenbau. Foto: Veranstalter

Im Vorfeld des 4. Juni wird es vielfältige Mobilisierungsveranstaltungen der Nazi-Gegner geben. Auf den diversen Homepages und in den Medien wird man schnell fündig.

Der DGB hat nächste Woche das Areal um die Katharinentreppe reserviert und ermöglicht dort auch vielen weiteren Organisationen für eine weltoffene und menschenfreundliche deutsche Zukunft zu werben und das bunte Dortmund zu präsentieren.

Am 3. Juni ist die Bezirksschülervertretung vor Ort. Am kommenden Sonntag, 29. Mai, ab 11.30 Uhr gibt es an der Katharinentreppe die stark beworbene Generalprobe zum Spiegelbarrikadenbau.

Der nötige lange Atem für den antinazistischen Alltagskampf

Friedrich Stiller mahnte in seinem Schlusswort, über den Eventcharakter des Gegenprotests am 4. Juni nicht zu vergessen, dass antinazistische Arbeit ein mühevolles Geschäft des Alltags bleibe, für das man Ausdauer, Stetigkeit und Zähigkeit brauche, sollte es nachhaltigen Erfolg erzielen.

Und der christliche Brückenbauer freute sich, dass zunehmend auch die migrantische Community den Kampf gegen die menschenfeindlichen Nazis unterstütze, wie der Besuch seines Arbeitskreises beim Integrationsrat am selben Nachmittag gezeigt habe.

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Reaktionen

  1. Oliver Wilkening

    Wie/was ist denn Dortmund? Demo-Hauptstadt Deutschlands, wo sich regelmässig Neonazis und Antifa treffen, um die Stadt stillzulegen, eine Stadt, die ausser dem BVB wenig zu bieten hat und dann auch seine Bürger vergrault mit diesen Aufmärschen an Demonstranten und Polizei. Ich brauche weder Rechte noch Linke, aber hier in Deu wird sowieso nur auf die Strasse gegangen, wenn mal wieder ein paar Nazis aus ihren brauen Löchern kommen. Aber verballert ruhig unsere Steuergelder, aber habt ein gutes Gewissen, für eine gute Sachen auf die Strasse gegangen zu sein. Die Dortmunder Schulen und Strassen werden dadurch nicht besser, und Hartz 4-Empfänger bekommen auch keinen Job, Hauptsache, Demo und Krawall machen. Rechte und Linke sollten sich im Stadion treffen, sich die Rübe einhauen und die Polizei sammelt die Reste ein. Und wer zugucken will, zahlt Eintritt. In diesem Sinne…… PS: …..und bildet euch nicht ein, das wäre demokratisch. Das ist in Deu seit Jahren abgeschafft.

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