Zwischen Luxus und Sozialwohnung in Dortmund: Einsatz für bezahlbaren Wohnraum als Aufgabe in einer wachsenden Stadt

Neue Wohnungen im Dortmunder Gerichtsviertel, Foto: Gerd Wüsthoff
Neue Wohnungen sind z.B. im Dortmunder Gerichtsviertel entstanden. Archivfoto: Gerd Wüsthoff

Von Gerd Wüsthoff

Zwei Fraktionen, zwei Diskussionen, ein Thema: Bezahlbares Wohnen in Dortmund war sowohl Thema bei den Grünen als auch bei Linken und Piraten. Obgleich das Thema der Mietpreis- und Nebenkostensteigerungen eigentlich jeden Mieter angehen sollte, erschienen, obgleich zahlreich, weniger als man hätte erwarten können. „Wohnen ist ein Grundbefürfnis und ein  Grundrecht“, wurde in beiden Diskussions-Veranstaltungen postuliert. Zugleich ist der Wohnungsbau, damit auch das Wohnen, ein Wirtschaftsgut.

Podiumsdiskussionen der Fraktionen der Grünen im Rat der Stadt Dortmund

(von li nach re): Tobias Scholz, Mieterverein, Ingrid Reuter, Grüne, Gisela Schmitt, RWTH Aachen, Franz-Bernd Große-Wilde, Spar- u. Bauverein, Thomas Böhm, Wohnungsamt Dortmund
Tobias Scholz (Mieterverein), Ingrid Reuter (Grüne), Gisela Schmitt (RWTH), Franz-Bernd Große-Wilde (Spar u.Bau) und  Thomas Böhm (Wohnungsamt).

Viele interessierte BürgerInnen und VertreterInnen von Verbänden und Initiativen hatten sich am Montagabend auf Einladung der Grünen im Rathaus eingefunden, um über die Frage zu diskutieren, wie zukünftig in Dortmund ein ausreichendes Angebot an bezahlbarem Wohnraum gesichert werden kann. Allerdings hatten sich ein paar wenige BürgerInnen mit ihren Diskussionsbeiträgen und/oder Fragen etwas, wenn auch verständlich, sehr persönlich vorgedrängt.

„Dortmund steht als wachsende Stadt vor neuen Problemen im Wohnungsmarkt. Die Politik muss Antwort darauf geben, wie geförderter Wohnungsbau qualitätsvoll und umweltgerecht realisiert werden kann und wie Modernisierung und Instandhaltung sozialverträglich durchgeführt werden können“, fasst Fraktionssprecherin Ingrid Reuter die Ergebnisse des Grünen Ratschlags am Montag im Rathaus zusammen.

„Deshalb werden wir Grüne im Rat uns weiterhin für die Weiterentwicklung der Quotierungsregelung für geförderten Wohnungsbau, die Einführung von Konzeptverfahren bei der Vergabe städtischer Grundstücke oder auch in Bauplanverfahren einsetzen. Die Schaffung bezahlbarer Wohnungen mit modernem energetischen Standard bleibt eine Daueraufgabe.“

„Wohnen in Dortmund – bezahlbar und sozial“ war das Thema bei den Grünen

Thomas Böhm, Leiter des Wohnungsamtes der Stadt, spricht in der Diskussionsveranstaltung der Grünen am Montag von 2000 Wohnungen, die in Dortmund jährlich gebaut werden müssten, um den Bedarf an gefördertem Wohnraum zu decken. Realisiert werden konnten allerdings nur knapp über 1000.

„Die Durchschnittsmiete in Dortmund bei nicht gefördertem Wohnungsbau liegt bei Neubauten schon jetzt bei 10,16 Euro pro Quadratmeter. Dabei haben theoretisch rund 50 Prozent aller Dortmunder Haushalte aufgrund ihrer Einkommenssituation Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein“, belegt Böhm die zunehmend angespannte Situation bei günstigen Wohnungen.

„Zugleich fallen immer mehr Wohnungen aus der Bindungsfrist: Von aktuell 320.000 Wohnungen sind 22.600 geförderte Mietwohnungen – 2026 werden es voraussichtlich nur noch 17.800 sein“. Der Mietpreis bei gefördertem Wohnraum liegt bei etwas über fünf Euro pro Quadratmeter.

Mieterverein fordert eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit und mehr städtischen Wohnungsbau

Interessierte BürgerInnen und VertreterInnen von Verbänden und Initiativen hatten sich waren der Einladung der GRÜNEN ins Rathaus gefolgt, um über bezahlbares Wohnen in Dortmund zu diskutieren
Interessierte BürgerInnen und VertreterInnen von Verbänden und Initiativen folgten der Einladung.

Tobias Scholz vom Mieterverein Dortmund wies in dem Zusammenhang darauf hin, dass durch Spekulanten genau diesem angespannten Markt immer wieder Wohnungen entzogen werden. Sei es durch Luxussanierung nach Auslaufen der Bindungsfrist oder – im Gegenteil – durch völliges Fehlen jeglicher Sanierung, was im Dorstfelder Hannibal jetzt dazu geführt hat, dass rund 400 Wohnungen leer gezogen werden mussten. Diese Mieter üben einen zusätzlichen Druck auf den Dortmunder Wohnungsmarkt aus.

„Aufgrund der angespannten Wohnungsmarktlage werden auch Wohnungen angemietet, welche eigentlich nicht mehr vermietbar wären,“ so Scholz. „In den vergangenen Jahren wurden öffentliche Eigentümer immer stärker von Finanzinvestoren abgelöst. Bis zu 40.000 Wohnungen im preisgünstigen Bereich fielen in den letzten zehn Jahren durch diese Veränderung weg.“

Bei weiteren Wohnungen gibt es wegen der Modernisierungsmaßnahmen extreme Mietpreissprünge, sodass sie für viele Menschen nicht mehr erschwinglich sind. „Von 2015 auf 2016 machte Dortmund den größten Sprung bei den Angebotsmieten in ganz NRW“, so Scholz. Aus seiner Sicht braucht es eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit und die Erhöhung des städtischen Anteils beim Wohnungsbau, zum Beispiel durch die Dogewo bzw. die Stadtentwicklungsgesellschaft.

Miethaie, Gentrifizierung und Nobelquartiere führen zur Wohnungsmarktmisere

Die Bundestagsabgeordnete Caren Lay ist Wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion „Die Linke“.

Rainer Stücker, Geschäftsführer des Mietervereins Dortmund, war bei der Podiumsdiskussion von Linke & Piraten am Freitag zu Gast. Auch er wies darauf hin, dass durch Spekulanten genau diesem angespannten Markt immer wieder Wohnungen entzogen würden. 1989 begann nach einer Gesetzesänderung verstärkt die Privatisierung von städtischen Wohnungen. Ein Fehler, der sich aktuell rächt, wie die Probleme beim Hannibal II in Dorstfeld.

In der Diskussionsrunde der Linke & Piraten wurde der Fokus verstärkt auf den Zusammenhang der Mietraumverknappung mit dem Verhalten von Investoren, und hier den Großinvestoren, hingewiesen. Die Bundestagsabgeordnete Caren Lay bemängelte das Fehlen jeglicher Aussagen zur Wohnungspolitik und aktuellen Situation des Wohnungsmarktes von der CDU und SPD in ihrem Sondierungspapier für die Koalitionsverhandlungen. Die Wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion „Die Linke“ im Bundestag war am Freitag bei der Diskussion von Linke & Piraten im Rathaus zu Gast.

„Wohnen ist ein Grundbefürfnis und ein Grundrecht“, betonte Ratsfraktionssprecher Utz Kowalewski vor dem Hintergrund auf die durch die Eigentümerin „Intown“ verursachte prekäre Situation für die BewohnerInnen des Hannibal II in Dorstfeld.

Finanzkrise und folgende EZB Null-Zins-Politik führten zur Flucht in Betongold

Durch die „Null-Zins-Politik“ der Europäischen Zentralbank (EZB) drängen Investoren jeder Art – auf der Suche nach Kapitalrenditen – entweder auf den Aktienmarkt oder legen ihr Kapital in „Betongold“ an. Seit der Pleite von „Lehman Bros.“ und der folgenden Finanzmarktkrise 2007/08 sind nicht nur die Finanzen von Staaten durcheinander geraten, sondern auch die Finanz- und Wohnungsmärkte in Deutschland und weiten Teilen Europas.

Planungsdezernent Ludger Wilde (Mitte) übergibt vor dem Hintergrund eines sanierten Wonblocks in der westlichen Innenstadt Förderzusagen über 5,3 Millionen Euro an Franz-Bernd Große-Wilde (Dritter von links), Vorstandsvorsitzender des Spar- und Bauvereins. Foto: Heike Thelen/ Stadt Dortmund
Der Spar- und Bauverein investiert stark in den eigenen Bestand. Foto: Heike Thelen/ Stadt Dortmund

Als positives Beispiel auf dem Dortmunder Wohnungsmarkt zeigt sich der Spar- und Bauverein, der über ein genossenschaftliches Modell insgesamt 12.000 Wohnungen betreibt, 10.000 davon mit einem Mietpreis unter fünf Euro. Über 50 Millionen Euro will der Spar- und Bauverein 2018 in Dortmund investieren, verriet Vorstandsvorsitzender Franz-Bernd Große-Wilde auf der Veranstaltung der Grünen am Montag.

Das Geld geht, neben Neubauprojekten, vor allem in die Sanierung des Bestands. „Modernisierung und Sanierung sind nötig, müssen aber nicht immer als volles Paket umgesetzt werden. Wir arbeiten mit differenzierten Modernisierungskonzepten, um Mietsprünge abzufedern“, so Große-Wilde.

Damit, und mit transparenter Kommunikation gegenüber den MieterInnen, habe man gute Erfahrungen gemacht und den Erhalt der sozialen Strukturen in den betroffenen Siedlungen erreicht. Denn, so Große-Wilde, Wohnungsbau müsse im Zusammenhang mit dem Standort und der nötigen Stadtgestaltung gedacht werden. Bei der Vergabe von Baugrundstücken müsse deshalb ein Konzeptverfahren die Höchstpreismaxime ablösen.

Konzeptvergabe/-verfahren statt Höchstpreismaxime  und verstärkte Kommunikation mit Mietern

Luftbild Nordstadt
Wohnungen sind gefragt. Auch in der Nordstadt wird preiswerter Wohnraum knapp.

Eine Einschätzung, die auch der Mieterverein teilt und welche die Grünen in ihrem Haushaltsantrag gefordert hatten. Höhere Quoten an sozial geförderten Wohnungen, längere Bindungsfristen oder auch Mobilitätsmanagement und Quartierskonzepte sollen nach Ansicht der Grünen eine große Rolle bei der Entscheidung für einen Investor spielen. Nur so könne die Stadt die Entwicklung im Wohnungsbau in eine gute Richtung lenken.

Aus Investorensicht wäre das ebenso wenig ein Hinderungsgrund wie die bestehende Quotierungsregel. „Für einen Investor ist Zeit der entscheidende Faktor“. Große-Wilde drängt deshalb auf die Einrichtung einer Baukoordination, die als Ansprechpartner in die Verantwortlichkeiten in der Verwaltung bündelt und einen schnellen und unbürokratischen Ablauf garantiert.

„Wohnen ist Menschenrecht und gleichzeitig auch Wirtschaftsgut. Die Aufgabe der Stadt ist es deshalb vor allem, Spekulationen mit Wohnraum zu verhindern und gemeinnütziges Engagement besonders zu fördern“, so die Quintessenz von Gisela Schmitt, Expertin für den Städtebau von der RWTH Aachen auf dem Grünen Ratschlag zum Thema Wohnen.

Einen ersten und weiter auszubauenden Schritt zur Beschleunigung des Wohnungsbaus erwähnte Böhm „eine Koordinierungsstelle in der Stadtverwaltung, „welche dazu dient Bauanträge schneller zu bearbeiten und durch Vernetzung der nötigen unterschiedlichen Ämter zur Genehmigung und Ausführung zu bringen.“

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Reaktionen

  1. Mieterverein Dortmund

    Wohnen ist ein Menschenrecht! – Für bezahlbaren Wohnraum!
    Mittwoch 10. Oktober, 18 Uhr, Wichernhaus, Stollenstraße 36, 44145 Dortmund

    Die Situation am Dortmunder Wohnungsmarkt ist weiter angespannt, wie vor wenigen Tagen der neue Wohnungsmarktbericht erneut gezeigt hat. Die Mieten steigen, guter und bezahlbarer Wohnraum für Menschen mit kleinem Geldbeutel wird immer weniger. Und das obwohl die Zahl der Menschen mit geringen oder gar keinem Einkommen steigt.

    Welche Probleme damit verbunden sind und welche Handlungsansätze es gibt will das Netzwerk „arm in Arm“ auf einer Veranstaltung am Mittwoch, den 10. Oktober 2018 um 18:00 Uhr im Wichernhaus, Stollenstraße 36, 44145 Dortmund aufzeigen.

    An der Veranstaltung nehmen auch Stadtrat Ludger Wilde, Dezernent für Umwelt, Planen und Wohnen sowie Thomas Böhm, Leiter des Amtes für Wohnen und Stadterneuerung teil. Anmeldung bis zum 03.10.18 unter dortmund@dgb.de oder 0231 – 5570440.

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