SERIE Nordstadt-Geschichte(n): Die Anfänge der Baptisten-Gemeinde – 1858 gab es den ersten Gottesdienst

Die Eben-Ezer-Kapelle an der Westerbleichstraße wurde im Jahr 1900 eingeweiht.
Die Eben-Ezer-Kapelle an der Westerbleichstraße wurde im Jahr 1900 eingeweiht. Fotos: Kirchenarchiv

Von Klaus Winter

Der Bergmann Johann Peter Dörs, der auf der Zeche Tremonia im Westen der damaligen Stadt beschäftigt war, bat am 9. September 1858 das Bürgermeisteramt um die Erlaubnis, in seiner Wohnung eine religiöse Versammlung unter Leitung des Diakons Schuff aus Elberfeld abhalten zu dürfen. Bürgermeister Zahn, im Umgang mit freireligiösen Gemeinschaften offensichtlich unerfahren, genehmigte zwar die Veranstaltung, erteilte aber einem Gendarmen den Auftrag, der Versammlung beizuwohnen und sie sofort aufzulösen, wenn sich etwas Gesetzwidriges ereignen sollten.

Bürgermeister war besorgt wegen des „baptistischen Treibens“

Obwohl Gendarm Ziegenkorn später nur berichten konnte, dass sich 15 Personen versammelt hatten, von denen die meisten Dörs‘ Familie angehörten, und dass ihre Gebete und Gesänge nicht gesetzeswidrig waren, fragte der Bürgermeister beim Superintendenten an, wie man „dem anscheinend beginnenden baptistischen Treiben entgegenwirken“ könne. Zahn zog auch in Wuppertal Erkundigungen über den Diakonen Schuff ein. Anhaltspunkte für ein Verbot künftiger Versammlungen der Baptisten boten sich aber nicht.

Anträge beim Bürgermeisteramt um die Erlaubnis zur Abhaltung von Versammlungen der Baptisten finden sich aber erst wieder 1861. Antragsteller war mehrfach der „evangelische Brüder-Verein in Elberfeld“, der Bergmann Kleinefeld von der Zeche Tremonia und Pastor Ringsdorf aus Volmarstein.

In einer Festschrift der Gemeinde wird Wilhelm Nickstädt aus Westpreußen, der als Werkmeister bei der Eisenbahnwerkstadt Dortmund arbeitete, erwähnt. Er leistete in Dortmund mit Unterstützung der Baptistengemeinde Grundschöttel Aufbauarbeit.

1872 wurde die Sonntagsschule ins Leben gerufen – Jugendarbeit als Basis

Die Kappelle der Baptisten in der Westerbleichstraße.
Die Kapelle Westerbleichstraße.

Allmählich ging es voran! 1872 wurde die „Sonntagsschule“ der Baptisten ins Leben gerufen. Sie war die Basis für die Arbeit mit den Kindern der Gemeinde-Mitglieder. 1874 gründete sich ein Jugendverein, zehn Jahre später ein Chor.

Durch Gesetz wurde es Baptistengemeinden ab 1875 möglich, Korporationsrechte zu erwerben. Korporationsrechte versetzten eine Gemeinde in die Lage, Rechtsgeschäfte im Namen der Gemeinde statt im Namen von Einzelpersonen zu tätigen.

Voraussetzung für die Verleihung solcher Rechte an eine Gemeinde war, dass sie sich wirtschaftlich selber, also durch die Zuwendungen ihrer Mitglieder tragen konnte.

Die Dortmunder Baptisten-Gemeinde war 1875 jedoch noch zu klein, um Korporationsrechte mit Aussicht auf Erfolg beantragen zu können. Erst beinahe zwanzig Jahre später versuchte sie es erstmals.

1894 gründete sich die Gemeinde mit zunächst 40 Mitgliedern aus Dortmund, Dorstfeld und Umgebung. Bis 1900 stieg ihre Zahl auf 124. Den größeren Teil der Mitglieder bildeten Frauen und Kindern. Es gab lediglich 41 Steuerpflichtige.

Gemeinde war von Anfang an in einer finanziell schwierigen Lage

Da es sich bei diesen fast durchwegs um Arbeiter und kleine Handwerker handelte, war ihr durchschnittlicher Steuersatz gering. So drängte sich die Frage auf, ob die Gemeinde auf Dauer ihren Prediger würde bezahlen und die sonstigen Kosten wie Miete, Reinigung, Gas und Kohlen, Porto etc. decken könnte.

Die Königliche Regierung in Arnsberg als zuständige Behörde beurteilte die Faktenlage als so ungünstig, dass sie der Gemeinde am 25. September 1901 die Korporationsrechte versagte. Neben den schwachen finanziellen Verhältnissen führte sie in ihrer Begründung an, dass das Einzugsgebiet der Gemeinde zu groß sei, um ein kirchliches Gemeindeleben pflegen zu können.

Gemeinde mietet 1892 einen Raum in der Sedanstraße an

Seit 1892 nutzte die Baptisten-Gemeinde für ihre gottesdienstlichen Versammlungen einen gemieteten Raum in einem Haus an der damaligen Sedanstraße, der Fortsetzung der Schützenstraße nach Süden.

Aus einem Protokoll der Gemeindeversammlung vom Februar 1899 geht hervor, das die Gemeindemitglieder bis dahin 3.971,41 Mark aufgebracht hatten, um eine Immobilie zu erwerben.

Tatsächlich konnte im April 1900 das Grundstück Westerbleichstr. 64 für 46.000 Mark gekauft und dort ein Versammlungssaal errichtet werden. Da die Gemeinde ausweislich ihrer Jahresrechnungen 1897-1899 Beiträge an eine Kapellendarlehnskasse und die Rheinische Vereinigung entrichtet hatte, wird ein Teil der notwendigen finanziellen Mittel für den Grundstückserwerb und einen Kapellenbau vermutlich durch diese Institutionen zur Verfügung gestellt worden sein.

Weil der Dortmunder Gemeinde die Korporationsrechte noch fehlten, wurde die Baptistengemeinde Bochum als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

Die Eben-Ezer-Kapelle an der Westerbleichstraße wurde im Jahr 1900 eingeweiht.
Die Eben-Ezer-Kapelle an der Westerbleichstraße wurde im Jahr 1900 eingeweiht.

1900 wurde die Eben-Ezer-Kapelle an der Westerbleichstraße eingeweiht

Die Einweihung der Eben-Ezer-Kapelle an der Westerbleichstraße fand am 22. Juli 1900 statt. Sie wurde schon nach wenigen Jahren zu klein für die wachsende Gemeinde. Um dem Platzmangel entgegenzuwirken, wurde 1910 eine Empore in die Kapelle eingebaut. Doch auch diese Maßnahme genügte nicht, das Platzproblem auf Dauer aus die Welt zu schaffen.

Am 12. Mai 1914 stellte die Baptisten-Gemeinde erneut den Antrag auf Verleihung der Korporationsrechte und begründete ihn mit der Notwendigkeit, das Gemeindeeigentum grundbuchamtlich sichern und Rechtsgeschäfte im Namen der Gemeinde schließen zu können.

Mit dem Antrag wurde wieder eine Prüfung der Verhältnisse der Gemeinde ausgelöst, da noch immer galt, dass die Gemeinde in der Lage sein musste, den von ihnen zur Ausübung des Gottesdienstes nach ihren Grundsätzen zu übernehmenden Verpflichtungen dauernd zu genügen.

Gemäß Auskunft des Vorstandes, Prediger de Haan, vom 13. Juni 1915 hatte die Gemeinde 375 Mitglieder (mit Kindern 680), unter ihnen waren 161 Steuerzahler. Ferner besaß sie ein Gotteshaus mit der notwendigen Ausstattung für gottesdienstliche Zwecke und ein Wohnhaus.

Gemeinde hatte nicht nur alles bezahlt, sondern auch noch kräftig gespart

In den vergangenen zwanzig Jahren hatte sie nicht allein sämtliche Ausgaben bestreiten, sondern erhebliche Beiträge sparen können, so dass sich ihr Vermögen auf mehr als 48.000 Mark belief.

Vor diesem Hintergrund erhielt die Dortmunder Baptisten-Gemeinde am 5. August 1914 die Korporationsrechte zugesprochen. Die erste Vorstandwahl der Gemeinde brachte folgendes Ergebnis: Vorsteher: Prediger Johannes de Haan, Diakone: Schlosser Friedrich Scheffler, Schneidermeister Andreas Schäffer, Berginvalide Heinrich Klages, Gelbgießer Jan Roskam und Dreher Adolf Moritz, Beisitzer: Schreinermeister Emil Schmitz, Bergmann Gottfried Butschkau, Schreiner Ferdinand Schultz, Zugführer Johannes Glebe und Unternehmer Alfred Cramer.

1914 Bauplatz an der Feldherrnstraße erworben – Baubeginn erst 1925

Grundsteinlegung für die Christuskirche in der Feldherrnstraße im Jahr 1926.
Grundsteinlegung für die Christuskirche in der Feldherrnstraße im Jahr 1926.

Ebenfalls 1914 erwarben die Baptisten einen Bauplatz an der Feldherrnstraße. Hier sollte mit einem Neubau der ständige Platzmangel aus der Welt geschaffen werden.

Wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs verzögerten sich aber sowohl der notarielle Kaufakt als auch der Baubeginn. Im Verlaufe des Krieges wurden 120 Gemeindemitglieder eingezogen. Elf mussten ihr Leben lassen.

Am 25. Oktober 1925 begann der Kirchenbau an der Feldherrnstraße nach Plänen des Architekten C. Lieberwirth. Der Grundstein wurde in einem feierlichen Akt am 3. Januar 1926 gelegt. Fast auf den Tag genau ein Jahr nach Baubeginn, nämlich am 31. Oktober 1926 konnte die Einweihung der Christuskirche gefeiert werden.

Der „General-Anzeiger“ berichtete, dass die Christuskirche „ein formschönes und zweckmäßig eingerichtetes Bauwerk darstellt. An den eigentlichen Bau sind eine Reihe von Nebengebäuden angeschlossen, wie Wohnung für den Hausmeister, den Prediger und die Gemeindeschwester, sowie mehrere große Säle für Vereinsfeierlichkeiten usw.,

Die wiederaufgebaute Christuskirche.
Die wiederaufgebaute Christuskirche.

die aber in ihrer Gesamtheit den günstigen Eindruck der Kirche nicht im geringsten beeinträchtigen. Besonders bemerkenswert erscheint die Tatsache, daß die Nebenräume des Gebäudes gleichzeitig ein Gemeindehaus ersetzen.

Schlichtes und geschmackvolles Gebäude errichtet

Und die „Dortmunder Zeitung“ schrieb: „Der Gesamteindruck des ganzen Bauwerkes, das unter der Leitung des Architekten C. Lieberwirth entstanden ist, ist gut. Von außen ein schlichtes, aber geschmackvolles Gebäude mit zwei großen Haupteingängen, birgt der Innenraum viele architektonische Feinheiten in sich, was um so bemerkenswerter ist, als bei Ausführung des Projekts die größte Sparsamkeit als erste Bedingung maßgebend war. 

Neben dem eigentlichen Gottesdienstraum befinden sich im Untergeschoß des Gebäudes für die Jugendvereine zwei kleinere Gemeindesäle, die Kastellanwohnung und eine Gemeindeküche mit den erforderlichen Nebenräumen.

Christuskirche wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt

Die Christuskirche wurde im Krieg schwer beschädigt.
Die Christuskirche wurde im Krieg schwer beschädigt.

Im Zweiten Weltkrieg erlitt die Christuskirche schwere Schäden. Nachdem sie bereits vorher getroffen worden war, wurde sie bei dem Bombenangriff am 6. Oktober 1944 so stark zerstört, dass hier keine gottesdienstlichen Veranstaltungen mehr durchgeführt werden konnten.

Die Gemeinde wich nach Dorstfeld aus. Nach Kriegsende zählte sie nur noch 100 Mitglieder, doch begann man rasch mit dem Wiederaufbau. 1947 war der große Kirchensaal behelfsmäßig wiederhergestellt, doch erst 1959 waren die letzten Kriegsschäden beseitigt.

Die Christus-Kirche hatte ihr altes Erscheinungsbild weitestgehend zurückerhalten. Dass sie sich heute anders darstellt, ist Resultat einer tiefgreifenden Modernisierung vor wenigen Jahren.

Christuskirche
Die Christuskirche in der Feldherrnstraße heute.

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Aufruf: Wir suchen alte Bilder, Postkarten
und Geschichten aus der Nordstadt!

Wir möchten in den nächsten Monaten weitere Nordstadt-Geschichte(n) veröffentlichen. Aber dafür sind wir auf Input angewiesen. Vor allem sind wir an alten Postkarten und Fotos aus der Nordstadt interessiert.

Gleiches gilt aber auch für Zeitzeugenberichte. So würden wir gerne auch mehr Bilder zu den Beiträgen zeigen und Erinnerungen  hören – letztere gerne als Kommentare zum Artikel.

Aber auch an Abbildungen vom und aus dem alten Nordbad und den Telekom- bzw. Postgebäuden an der Schützenstraße sind wir interessiert. Kontakt: info@nordstadtblogger.de

 

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Reaktionen

  1. heavy Pete

    Intressant fände ich einen Beitrag über die im zweiten Weltkrieg zerstörte Krimkapelle. Diese gehörte der Pfarrei der altkatholischen Gemeinde in Dortmund und stand in der Krimstraße.

    • Klaus Winter

      Ein Artikel über die Krim-Kapelle steht für das 1. Quartal 2017 auf dem Plan. Bei dem Thema ist die Illustration aber sehr schwierig. Wer kann ein Bild zur Verfügung stellen?

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