„Deutschland sagt Sorry“ für Hartz IV: KünstlerInnen überraschen Arbeitsagentur und JobCenter mit Flashmob

Mit einer künstlerischen Performance überraschten KünstlerInnen in die Zentrale an der Steinstraße.
Mit einer künstlerischen Performance überraschten KünstlerInnen in die Zentrale an der Steinstraße.

Ein gelungener Coup für „Die Populistinnen“, das Berliner Künstler-Kollektiv „Peng!“ und das Schauspiel Dortmund: Nach ihrem bundesweit beachteten Start der Internet-Aktion „Deutschland sagt Sorry“ gab es nun eine erfolgreiche Performance in den Räumen von Arbeitsagentur und JobCenter in der Nordstadt.

Fake: Bundesministerium entschuldigt sich für Folgen der Agenda 2010

Zahlreiche „Deutschland sagt Sorry“-Ballons wurde vor und in der Agentur verteilt.
Zahlreiche „Deutschland sagt Sorry“-Ballons wurde vor und in der Agentur verteilt.

Worum geht es? Die Fake-Internetseite http://www.deutschland-sagt-sorry.de täuscht vor, eine offizielle Seite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zu sein. Dort entschuldigt sich das Ministerium für die Folgen der Agenda 2010 und „Hartz IV“.

Die SchauspielerInnen Frank Genser als „offizieller“ Sprecher des Ministeriums und Caroline Hanke und David Vormweg als Betroffene machen deutlich, dass der Regierung die Folgen dieser Politik leid täte. Man wolle sich bei den Verlierern des Aufschwungs entschuldigen.

Das Bundesministerium – konfrontiert mit der Seite – würdigte die Aktion. Sie sei eine Satire und natürlich von der Meinungsfreiheit gedeckt. Allerdings bat das Ministerium darum um Kennzeichnung. Im Impressum der Seite ist dies (jetzt) auch gekennzeichnet.

„Deutschland sagt Sorry“ in der Arbeitsagentur an der Steinstraße

Mit einer künstlerischen Performance überraschten KünstlerInnen in die Zentrale an der Steinstraße.
Mit einer künstlerischen Performance überraschten KünstlerInnen in die Zentrale an der Steinstraße.

Allerdings war das den AktivistInnen nicht genug. Sie brachten „Deutschland sagt Sorry“ nun in die Wirklichkeit: Sie überraschten die Arbeitsagentur und das JobCenter Dortmund mit einem Flash-Mob.

Wobei der Begriff nicht wirklich trifft. Es war eine gelungene künstlerische Performance. Die Mitwirkenden traten so seriös auf, dass zunächst weder Sicherheitsdienst noch Beschäftigte reagierten.

Weder das Aufblasen des riesigen Herzens, noch dass sich die KünstlerInnen bei laufender Musik für ihre Aktion im Foyer umzogen, erweckte Misstrauen. Auch die Ballonverteilaktion an die KundInnen von JobCenter und Arbeitsagentur wurde nicht mal kritisch beäugt.

Offenbar ging das Personal davon aus, dass es sich um eine offizielle Aktion handelte.

Personal glaubte offenbar zunächst an eine offizielle Aktion der Behörde

Eine unechte Pressesprecherin des Bundesministeriums gab vor der Eingangstür eine Pressekonferenz.
Eine unechte Pressesprecherin des Bundesministeriums gab vor der Eingangstür eine Pressekonferenz.

Schließlich hatte zuvor auch eine unechte Pressesprecherin des Bundesministeriums vor der Eingangstür des Dortmunder Behördenhauses in der Steinstraße – umringt von Kameras und Reportern – eine kurze Pressekonferenz zur Aktion „Deutschland sagt Sorry“ abgehalten.

Sie ging dann anschließend auch „unbehelligt“ hinein, um der Performance beizuwohnen.

Dort wurde in einer Inszenierung die Kritik an Hartz IV getanzt und in einem Gesangbeitrag deutlich gemacht.

Die ZuschauerInnen – darunter viele Beschäftigte – würdigten den überraschenden und gelungenen Auftritt im Foyer mit Applaus.

Behörde nimmt die Aktion mit Humor und würdigte die Meinungsfreiheit

Mit einer künstlerischen Performance überraschten KünstlerInnen in die Zentrale an der Steinstraße.
Mit einer künstlerischen Performance überraschten KünstlerInnen in die Zentrale an der Steinstraße.

Erst anschließend wurde der Sicherheitsdienst aktiv und bat MedienvertreterInnen und AktivistInnen freundlich und in aller Seelenruhe, das Gebäude zu verlassen.

Auch auf dem Vorplatz konnten die Hartz-IV-KritikerInnen noch seelenruhig posieren, bevor sie dann auch dort gebeten wurden, das Gelände verlassen.

Die Behörde nahm die Aktion mit Humor. „Wir können mit Flashmobs umgehen und würdigen das als Teil der Meinungsfreiheit“, kommentierte Christoph Schwarz, der offizielle Pressesprecher der Agentur für Arbeit in Dortmund, die Performance.

„Es wäre nur schön, wenn nicht der Eindruck erweckt würde, dass die Aktion etwas Offizielles war.“

Hier gibt es das Video des Kollektivs: (Falls sich das Video nicht darstellt, bitte die Seite neu laden)

Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

Print Friendly, PDF & Email

Reaktionen

    • Renate Schweizer

      Tolle Aktion, wünsche ich mir auch in anderen Städten. Bei den aktuell anhaltenden Kürzungen im Bereich Kunst und Kultur werden zukünftig immer mehr Künstler/innen Hartz4 beantragen müssen… damit entsteht ein Teufelskreis und schlimmer noch Endstation, denn jede Art von Projekt-Zuschüssen wird dann einkassiert und ohne Geld sind Kunst-Projekte und – Ideen nicht umsetzbar… wie viel Kreativität und (Zukunfts-) Ideen liegen da für die Gesellschaft brach… Wenn Künstler/innen zusammentun und gemeinsam Zeichen setzen, ist das ein guter Weg und stimmt mich optimistisch. Danke !

  1. Wolfgang Richter

    Die Welt als Theater – das Theater als Welt, glänzende Bilder der glanzlosen Wirklichkeit. Das ist den verwöhnten Betrachtern der gesellschaftlichen Deformationen ein Genuss, ästhetisch lecker und locker, ein bisschen abenteuernd ohne Anmeldung und Genehmigung, zum Glück zufällig Medien anwesend …
    Wenn aber zum Beispiel der Ver.di-Erwerbslosenausschuss und das Sozialforum eine Aktion an der Arbeitsagentur durchführen, greift das Hausrecht und die Aufklärung per Flugblatt muss draußen auf dem Bürgersteig stattfinden. Is ja auch nich Gold – wo doch schon Theodor Fontane wusste: „Wenn es gilt Farbe zu bekennen, dann heißt es: ‚Gold ist Trumpf‘ und weiter nichts.“

  2. jochen

    Klasse! Ich bin sehr dankbar für die Aktion da sich ja sonst im Bereich der Nichtbetroffenen kaum etwas tut… Die Politik des „gläsernen Armen“ , seine Drangsalierung und ständigen Schikane wird von jenen vorangetrieben, die in ihren Auftritten von „Menschenwürde“ schwätzen… Auch so kann man wichtige humanistische Werte der Lächerlichkeit preisgeben….

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert