UPDATE Dortmunder Weihnachtsmarkt im Schatten von Berlin: Gedenkfeier und Abendfahrverbot für Lkw in der City

Polizisten mit schusssicheren Westen und Maschinenpistole in Dortmund. Foto: Leopold Achilles

Von Leopold Achilles und Alexander Völkel

Die Bilder vom Weihnachtsmarkt am Berliner Kurfürstendamm verstören. Mindestens zwölf Menschen wurden getötet, viele wurden verletzt, als ein Lkw auf den gut besuchten Breitscheidplatz vor der Gedächtniskirche raste. Am heutigen Dienstag haben wieder Weihnachtsmärkte in ganz Deutschland geöffnet – mit mehr Sicherheitskräften und einem mulmigen Gefühl bei BesucherInnen und Beschäftigten. Wir haben uns auf dem Weihnachtsmarkt in Dortmund umgesehen und mit BesucherInnen und Verantwortlichen gesprochen. Um 18 Uhr wird es hier eine Gedenkveranstaltung für die Berliner Opfer geben.

Keine konkreten Erkenntnisse für möglichen Anschlag in Dortmund

Aktuell liegen der Polizei Dortmund keine konkreten Erkenntnisse oder Hinweise vor, die auf bestehende terroristische Planungen oder Aktionen hindeuten. Die Dortmunder Polizei hatte angesichts der erhöhten Terrorgefahr bereits die Präsenz und die weiteren Sicherheitsmaßnahmen bei öffentlichen Veranstaltungen deutlich erhöht. Auch der Dortmunder Weihnachtsmarkt hat bereits jetzt ein sehr hohes Sicherheitsniveau.

Vorstellung der Kriminalstatistik Polizei-Präsidium Dortmund. Polizeipräsident Gregor Lange
Hundertprozentige Sicherheit wird es nicht geben können, betont Polizeipräsident Gregor Lange.

Besonders scheint daher an diesem Dienstagvormittag nichts in der Dortmunder City. Die Dortmunder Polizei war – so zumindest der Eindruck der Gäste – nicht in übertriebener Bereitschaft. Wenn auch Maschinenpistolen und Schutzwesten getragen wurden, waren es nur eine Hand voll Beamte, die die BesucherInnen auf dem Weihnachtsmarkt zu Gesicht bekam.

„Die Dortmunder Polizei steht in engem Informationsaustausch mit allen Sicherheitsbehörden. Wir tun alles dafür, um ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten“, betont Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange.

„Polizeibeamte werden auf dem Weihnachtsmarkt in unserer Stadt erkennbar und auch verdeckt unterwegs sein. Alle Polizeibeamte sind noch einmal in hohem Maße sensibilisiert worden.“

Lange rät den Menschen, besonnen zu reagieren, macht aber auch deutlich, dass es trotz aller Sicherheitsmaßnahmen eine hundertprozentige Sicherheit niemals geben kann.  Stadt Dortmund und Polizei Dortmund stünden aktuell in engem Kontakt, um die Sicherheitsmaßnahmen rund um den Dortmunder Weihnachtsmarkt abzustimmen.

Fahrzeuge über 3,5 Tonnen Gewicht dürfen nicht mehr innerhalb des Walls fahren

Das soll ab sofort ausgeschlossen werden. Das Dortmunder Sicherheitskonzept wurde überprüft. Vor dem Hintergrund der gestrigen Ereignisse in Berlin hat die Stadt Dortmund gemeinsam mit den Schaustellern, die Veranstalter des Marktes sind, und der Polizei Dortmund das bestehende Sicherheitskonzept für den Dortmunder Weihnachtsmarkt heute intensiv überprüft.

Dementsprechend gilt bis auf weiteres ab dem 21.12.16 bis zum 31.12.16 ein tägliches Durchfahrtsverbot für Fahrzeuge mit einem Gewicht höher als 3,5 Tonnen innerhalb des Wallringes. Das Verbot gilt jeweils in der Zeit zwischen 18 und 23 Uhr. Es wird ab Mittwoch durch Verkehrszeichen kenntlich gemacht und selbstverständlich durch die Stadt Dortmund und die Polizei kontrolliert.

Stadtspitze wird heute an der Gedenkveranstaltung um 18 Uhr teilnehmen

PK Verwaltungsvorstand und Polizei Ullrich Sierau_5950 - NSB
Sichtlich angefasst war Dortmunds OB Ullrich Sierau. Er fand mahnende Worte.

Auch die Stadtspitze ist sichtlich angefasst. „Wir hatten auf eine positive Jahresendstimmung gehofft. Denn 2016 war für die Stadt ein gutes Jahr“, sagt Oberbürgermeister Ullrich Sierau. „Aber Berlin lässt keinen Raum für Freude und machen betroffen.“

„Unsere Anteilnahme gilt den Opfern und ihren Angehörigen“ sagte Sierau im Anschluss an die Sitzung des Verwaltungsvorstandes am heutigen Dienstag. Dem Dortmunder OB war anzusehen, was ihm durch den Kopf ging, als er über seinen Berliner Amtskollegen Michael Müller sprach.

„Erst vor kurzem habe ich mit ihm über Strukturwandel und die innere Sicherheit geredet. Das er jetzt für ein solches Ereignis Worte finden muss, macht mich sehr betroffen“, so Sierau.

Sierau wird mit mehreren Mitgliedern des Verwaltungsvorstandes auch heute um 18 Uhr an der von den Schaustellern organisierten Gedenkveranstaltung auf der Bühne am Alten Markt teilnehmen.

Parallel zu einem Gottesdienst in der Berliner Gedächtniskirche bitten die Dortmunder Schausteller am Dienstag um 18 Uhr zu einer Schweigeminute. Für 30 Minuten gehen dann auch die Lichter am Weihnachtsbaum auf dem Hansaplatz aus.

„Wegen ein paar Bekloppten. Das ist einfach nur schlimm!“

Im Gespräch mit einem der Standbetreiber auf dem Hansaplatz – direkt am Baum – wird deutlich, dass heute trotz des guten Wetters seiner Einschätzung nach deutlich weniger Menschen zu sein scheinen, die es in die Stadt zieht, als noch am Tag zuvor.

Er zieht Parallelen zum vergangenen Jahr, als sich die Anschläge in Paris ereigneten. „Damals habe ich deutlich weniger Menschen in die Stadt und auf den Weihnachtsmarkt gehen sehen“, so der Schausteller.

Polizei auf dem Westenhellweg – nicht nur auf dem Weihnachtsmarkt ist die Präsenz erhöht worden.

Eine Schulklasse aus Gelsenkirchen hat sich vom Besuch nicht abhalten lassen. Die Lehrerin erzählt, dass Sie sich mit Ihren Schülern selbstverständlich schon darüber ausgetauscht hat, was passiert ist.

Sie hatte aber überhaupt keine Bedenken, den Ausflug wie geplant durchzuführen. „Das Leben geht weiter“, sagt eine der Schülerinnen. „Ihr habt einen schönen Weihnachtsmarkt“, sagt einer der Schüler mit dem Blick über den Hansaplatz.

Eine Gruppe von Frauen sitzt am Glühweinstand in der nähe des Europabrunnens. Verabredet sind die drei Freundinnen schon seit Tagen, die Verabredung wegen der Ereignisse in Berlin abzusagen war aber kein Thema.

„Es gibt immer die Möglichkeit eines Anschlags. Mehr Angst haben wir nicht“ sagt eine der Frauen bestimmt. „Alles nur wegen ein paar Bekloppten“, schüttelt eine der Frauen den Kopf. Eine von ihnen hatte sich noch am Abend bei ihren in Berlin lebenden Freunden telefonisch versichert, dass es ihnen gut gehe.

„Das ist einfach nur schlimm“, ergänzt sie kopfschüttelnd. Sie diskutieren bei einem Glühwein, ob es nicht auch in Dortmund möglich wäre, dass ein LKW in den Weihnachtsmarkt rast.

 „Wir dürfen Terroristen nicht dadurch triumphieren lassen, dass wir von unserer Lebensweise abrücken“

Der Dortmunder OB ruft aber alle Dortmunderinnen und Dortmunder auf, sich in ihrer Lebensweise und dem Ausleben ihrer Kultur nicht beschränken zu lassen. „So erschreckend und unerträglich solche Anschläge auch sind, dürfen wir Terroristen nicht dadurch triumphieren lassen, dass wir von unserer Lebensweise abrücken“, so Sierau.

 

UPDATE: Gedenken an Opfer und Zeichen gegen Terror
Propst Andreas Coersmeier sprach gemeinsam mit Pfarrer Michael Stache das Schlussgebet auf der Gedenkveranstaltung.
Propst Andreas Coersmeier und Pfarrer Michael Stache sprachen das Schlussgebet. Fotos: L. Achilles

Auf der Gedenkveranstaltung um 18 Uhr an der Bühne auf dem alten Markt gedachten die Dortmunder den  Verletzten, Getöteten und deren Hinterbliebenen vom Unglück in Berlin und setzten gleichzeitig ein Zeichen gegen den Terror.

„Jeder von uns hat die Bilder im Kopf“, betont Schausteller Patrick Arens. Er kann den Trotz und auch die Zurückhaltung der BesucherInnen verstehen. Auch er bemerkt ein verändertes Bild auf dem Weihnachtsmarkt in Dortmund. Es sind deutlich weniger Menschen, die heute auf dem Markt und in der Stadt unterwegs waren.

Auch er zieht den Vergleich mit der Stimmung, die im November 2015 herrschte, damals zu Beginn des Weihnachtsmarktes, als es zu den schrecklichen Terroranschlägen in Paris gekommen war.

Alle SchaustellerInnen waren auch schon vor dem Berliner Anschlag sensibilisiert

Jeder der 300 SchaustellerInnen sei auch schon vor dem Ereignis in Berlin sensibilisiert und besonders aufmerksam gewesen. „Jeder von ihnen hat ein Auge auf solche Dinge“ erklärt Arens. Es seien nicht nur die Sicherheitskräfte, die hier auf BesucherInnen und KollegInnen achteten.

OB Ulrich Sierau
OB Ulrich Sierau sprach bei der abendlichen Gedenkveranstaltung  auf dem Weihnachtsmarkt.

Arens selbst kennt Schausteller, die unmittelbar – keine hundert Meter von dem Unglücksort in Berlin ihren Stand haben – persönlich und hofft, dass es neben den seelischen Schrecken nicht auch einen finanziellen geben wird.  Ein Thema, über das wenig geredet wird, wenn es zu so etwas kommt, so Arens.

Weihnachtsbaum wurde ausgeschaltet 

Wegen der Gedenkveranstaltung wurde auch die Öffnung des 20. Türchens am größten Adventskalender der Welt um 30 Minuten nach hinten verschoben.  Zu Beginn der Gedenkveranstaltung wurde dann auch der große Weihnachtsbaum ausgeschaltet.

Oberbürgermeister Ulrich Sierau wünschte sich während seiner Rede, dass „wir vielleicht sogar gestärkt aus dieser Sache heraus gehen“ und, dass sich die Gesellschaft nicht auseinander dividieren lasse.

Neonazis wollen Terror instrumentalisieren – Klaus Schäfer meldet Kundgebung an

Die Instrumentalisierung und der Missbrauch von Terroranschlägen geht weiter. Für Donnerstag, 22.12.2016, von 20 bis 22 Uhr, hat der ehemalige Feuerwehrchef Klaus Schäfer, eine Kundgebung in der Katharinenstraße angemeldet.

Das Thema der Mahnwache, zu der er 50 bis 100 TeilnehmerInnen erwartet, hat das Motto: „Gedenken an Opfer islamistischen Terrors“. Zuletzt hatte Schäfer am Freitag vergeblich versucht, eine Spontandem,o anzumelden, um die Besetzung der Reinoldkirche zu begleiten. Dies hatte die Polizei unterbunden.

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Reaktionen

  1. Polizei Dortmund

    Einsatzkonzeption für die heutige Fußballbegegnung angepasst

    Angesichts der Ereignisse in Berlin hat die Dortmunder Polizei heute (20.12.) ihre Sicherheitsmaßnahmen für öffentliche Veranstaltungen noch einmal deutlich erhöht. So bestreifen seit heute Morgen personell verstärkte Doppelstreifen der Polizei mit besonderer Ausrüstung den Dortmunder Weihnachtsmarkt.

    Angepasst wurde auch die Einsatzkonzeption der Polizeiinspektion 1 für die heutige Fußballbundesligabegegnung: Es werden mehr Einsatzkräfte eingesetzt, um auch rund um den Signal Iduna Park ein hohes Maß an Sicherheit für die Fußballfans zu gewährleisten.

    Im Veranstaltungsbereich werden heute ebenfalls Polizeibeamte mit Maschinenpistolen und Schutzwesten zu sehen sein. Die angepassten Sicherheitsmaßnahmen erfolgten in enger Abstimmung mit der Stadt Dortmund und dem BVB.

    Der heutige Einsatzleiter, Polizeidirektor Edzard Freyhoff, betont: „Auch für das heutige Fußballspiel konnten wir die schlimmen Ereignisse in Berlin nicht außer Acht lassen. Wir haben selbstverständlich unsere Bemühungen für die Sicherheit der Fußballfans rund um das heutige Spiel noch einmal intensiviert.“

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