Denkmal des Monats November 2017: Der jüdische Friedhof am Hörder Kampweg ist mittlerweile online recherchierbar

Heimatforscher Klaus Winter reinigt einen der Steine in Hörde.
Heimatforscher Klaus Winter reinigt 2016 einen der Steine in Hörde – er gab den Anstoß für die Inventarisierung.

Schon länger ist der jüdische Friedhof am Hörder Kampweg als bedeutend für die Dortmunder Geschichte in die Denkmalliste eingetragen. Er stellt das letzte Zeugnis der jüdischen Gemeinde in der früher unabhängigen Stadt Hörde dar. Die prächtige Synagoge am Hörder Rathausplatz fiel dem Terror der Nationalsozialisten ebenso zum Opfer wie fast alle ihre Gemeindeglieder. Das Salomon-Ludwig-Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte an der Universität Duisburg-Essen hat durch intensive Forschungen im vergangenen Jahr das Wissen um den Friedhof und die dort Bestatteten in entscheidender Weise erweitert – Grund für die Dortmunder Denkmalbehörde, den Friedhof am Hörder Kampweg als Denkmal des Monats November 2017 vorzustellen.

Friedhof in „ruhiger Wohnlage“ – Dritter jüdischer Friedhof in Hörde

Nicht alle Grabsteine stehen noch - dieser ist in sich zusammengestürzt.
Nicht alle Grabsteine stehen noch – dieser ist in sich zusammengestürzt. Archivbilder: Alex Völkel

Wer heute durch den Hörder Kampweg geht, dem öffnet sich nach einer Reihe villenartiger Ein- und Mehrfamilienhäuser plötzlich der Blick auf einen durch einen Zaun geschützten, verschlossenen Friedhof. Es ist keiner der üblichen regelmäßig angelegten Begräbnisplätze, die Grabsteine stehen in unregelmäßigen Gruppen, andere Flecken scheinen leer. Auch fehlen Grabeinfassungen und schmückende Blumen.

Das deutet zum einen darauf hin, dass dieser Friedhof nicht mehr belegt wird. Zugleich entspricht seine Erscheinung auch einer Begräbniskultur, die sich von bürgerlich-christlichen Gewohnheiten unterscheidet. Man lässt Efeu oder Bodendecker auf den Gräbern wachsen oder bestreut sie mit Kies. Statt mit Blumen ehrt man die Verstorbenen, indem man Steinchen auf den Grabmälern hinterlässt.

Überliefert ist schon im 18. Jahrhundert ein eigener jüdischer Friedhof vor dem Mühlentor an der Emscher, obwohl die jüdische Gemeinde Hörde damals aus weniger als 100 Personen bestand. 1854 erhielten die jüdischen Mitbürger ein eigenes Begräbnisfeld auf dem neuen evangelischen Friedhof im Bickefeld. Allerdings umschloss schon nach rund 50 Jahren das stark expandierende Hörder Hüttenwerk die gesamte Friedhofsanlage.

Deshalb legte man 1911 den neuen Begräbnisplatz am Hörder Kampweg an. Aber nicht nur neue Begräbnisse fanden hier statt. 1925 überführte man nach Aufgabe des Friedhofs im Bickefeld insgesamt 70 Tote zum Hörder Kampweg. 1942 kamen 16 zwangsweise Umbettungen aus Lüdinghausen hinzu, woran ein Gedenkstein erinnert.

Schwierige Inventarisierung – Entschlüsselung hebräischer und lateinischer Inschriften

Teilweise sind die fast 200 Jahre alten Inschriften nur schwer zu entziffern.
Teilweise sind die fast 200 Jahre alten Inschriften nur schwer zu entziffern.

Unter Schutz steht die gesamte Friedhofsanlage einschließlich aller vorhandenen Grab- und Gedenksteine. Im Laufe der Jahrzehnte hatte die sich entfaltende Natur aber nicht nur den Blick von der Straße verstellt, es blieben auch einige Grabsteine unter Bodendeckern verborgen.

So stieg die Zahl der dokumentierten Grabsteine in den letzten 20 Jahren immer wieder an: von 73 in den 1990er-Jahren bei der ersten Inventarisation auf 81 bei einer weiteren Inventarisation durch die Denkmalbehörde im Jahr 2004. Im Rahmen seiner Forschungen fand das Steinheim-Institut nun 91 Grabsteine.

Das Ziel der epigraphischen Datenbank zu jüdischen Grabmalen geht über eine reine Bestandsaufnahme der Steine hinaus. „Epigraphik“ entschlüsselt, was die – im Fall der frühen jüdischen Grabsteine durchweg hebräischen – Inschriften mitteilen. Erst mit fortschreitender Anpassung verwendete die Gemeinde ab dem 19. Jahrhundert auch lateinische Schriftzeichen.

Den Anstoß zur Dokumentation jüdischer Friedhöfe in Dortmund gab der Stadthistoriker Klaus Winter, als er das Steinheim-Institut um die Übersetzung hebräischer Texte auf jüdischen Grabsteinen bat. Mit seiner Beteiligung und mit Geldern des Stadtbezirksmarketings Dortmund-Hörde sind die umfangreichen Forschungen zum Friedhof am Hörder Kampweg durchgeführt worden.

Umfangreiche Datenbank des Steinheim-Instituts ist online recherchierbar

Dan Bondy entziffert die deutschen und hebräischen Inschriften.
Dan Bondy entziffert Inschriften.

Die Datenbank des Steinheim-Instituts, die man im Internet findet, dokumentiert und entschlüsselt nicht allein die Grabinschriften. Hier findet man auch weitere Hinweise auf die Familie sowie Lebens- und Todesumstände der Verstorbenen. Als Beispiel sei der 1917, also vor hundert Jahren bestattete Albert Grünewald genannt. Laut Inschrift ist er 1876 geboren, 1917 gestorben. Das Steinheim-Institut konnte nicht nur seine Eltern ermitteln, sondern auch, dass Grünewald im 1. Weltkrieg Soldat war und als solcher ums Leben gekommen ist.

In anderen Fällen sind Traueranzeigen dokumentiert, vereinzelt auch Hochzeits- oder Verlobungsanzeigen oder Angaben zu einer Dissertationsschrift. Ziel wird es nun sein, in den nächsten Jahren alle jüdischen Friedhöfe in Dortmund entsprechend zu dokumentieren und dafür die entsprechenden Geldgeber zu finden.

Mehr Informationen:

  • Der Schlüssel für den jüdischen Friedhof am Hörder Kampweg wird von Mitarbeitern der Stadt Dortmund im Büro des Friedhofs Wellinghofen verwaltet (Auf den Porten 29, 44265 Dortmund, friedhoefe@dortmund.de).
  • Die Datenbank des Salomon Ludwig Steinheim-Instituts für deutsch-jüdische Geschichte an der Universität Duisburg-Essen zur jüdischen Grabsteinepigraphik „epidat“ dient der Inventarisation, Dokumentation, Edition und Präsentation epigraphischer Bestände. Es können Dokumentationen aus ganz Deutschland aufgerufen werden, darunter aktuell die erfassten Grabmäler von vier jüdischen Friedhöfen in Dortmund unter www.steinheim-institut.de/cgi-bin/epidat

 

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