Demokraten kritisieren WDR scharf: Absage als Bankrotterklärung vor Nazis – Rufschädigung an Dortmund

CSD-Teilnehmer und Antifaschisten protestierten gegen Neonazis.
Die Zivilgesellschaft wollte eigentlich heute im Dortmunder Rathaus Strategien gegen rechte Hetze diskutieren.

Ein Stadtgespräch wollte der WDR machen – jetzt ist er selbst das Stadtgespräch. Denn der WDR hat die Live-Sendung zum Thema „Was stoppt rechte Hetze?“, die ursprünglich vor 200 Besucherinnen und Besuchern im Dortmunder Rathaus stattfinden sollte, ins Studio verlegt. „Aus Sicherheitsgründen wird unser WDR 5-Stadtgespräch heute Abend in geänderter Form ohne Publikum stattfinden. Wir haben daher entschieden, die Livesendung aus dem Studio zu senden“, teilte der WDR den angemeldeten Gästen per E-Mail mit.

Massive interne Debatten und Kontroversen innerhalb des WDR

Vorangegangen waren eine ganze Reihe von Kontroversen und organisatorischen Pannen. So waren sich die Verantwortlichen beim WDR nicht über die Art und Weise der Sendung einig.

Neonazis wie Michael Brück, Betreiber des Antisem.it-Versandhandels, ergriffen das Wort.
Neonazis wie Michael Brück hätten erneut das Wort ergreifen können – der WDR wollte dies nicht verhindern.

Das Düsseldorfer Studio, welches federführend die Sendung organisiert, hat offenbar die Bedenken der Dortmunder und der Kölner Kollegen ignoriert.

Intern gab es Kritik an der Auswahl der Studiogäste, dem Konzept der Sendung und – das war der Hauptkritikpunkt – dem Nicht-Ausschluss von Neonazis. Zwar mussten sich die Gäste anmelden – ausgesiebt werden sollte aber nicht.

Im Gegenteil: Den führenden Köpfen der Partei „Die Rechte“, Dennis Giemsch und Michael Brück, war der Besuch ausdrücklich bestätigt worden. Auch hätten sie als Besucher zum Mikro greifen können oder sollen – als Beitrag zur Diskussion. Auch der Vorschlag einer minimal zeitversetzten Übertragung wurde abgelehnt.

Zur Erinnerung: Früher wurde das Stadtgespräch komplett aufgezeichnet und sogar an einem anderen Tag gesendet.  Eine gewisse Zeitspanne als Verzögerung einzubauen, ist gerade bei prekären Anlässen im Ausland durchaus üblich, um zur Not in den Sendeablauf eingreifen zu können.

OB Ullrich Sierau wollte mit Gästen, aber ohne Neonazis diskutieren

Neonazi-Ausschreitungen überschatteten den Wahlabend in Dortmund
Am Wahlabend gab es vor dem Rathaus heftige Auseinandersetzungen. Drohte das erneut?

Sowohl aus dem Rathaus als auch von anderen Partnern gab es daher heftige Kritik. Doch statt die Neonazis auszuladen – bei diesem Thema hätte man das durchaus begründen können – wurden alle Gäste ausgeladen.

Oberbürgermeister Ullrich Sierau hätte die Ausladung der Rechtsextremisten bevorzugt, um der Stadtgesellschaft im Rathaus die Möglichkeit zu geben, sich über das wichtige Thema auszutauschen. Er dankte dem WDR aber gleichwohl für die Deeskalation.

„Trotz der Einschätzungsunterschiede wird Sierau an der Sendung teilnehmen und freut sich auf die Diskussion auf dem Podium und auf die Fragen und Anregungen aus der Hörerschaft“, hieß es dazu offiziell aus dem Rathaus.

Dortmunder Piraten werfen dem WDR eine Bankrott-Erklärung vor

Heftig fällt die Kritik am WDR aus: „Die  Auswahl der ,Experten’ hat bei uns schon für Verwunderung gesorgt, da man niemanden dazu eingeladen hatte, der sich wirklich aktiv gegen die rechte Hetze in dieser Stadt einsetzt, sondern wieder einmal auf die Schreibtischhengste gesetzt hat“, poltert Dirk Pullem, Vorsitzender der Piraten Dortmund.

Dass man nun aber auch noch aus Sicherheitsgründen das direkte Gespräch mit dem Publikum absage, sei eine Bankrotterklärung: „Bei dieser Kapitulation vor dem rechten Mob muss man sich schon die Frage stellen, ob die Verantwortlichen sprichwörtlich noch einen Arsch in der Hose haben.“

Mit Bestürzung und einem offenen Brief an die WDR-Hörfunkleiterin haben die Dortmunder Grünen reagiert: „Mit Ihrer Absage bestätigen Sie damit die Neonazis unserer Stadt darin, dass die Nazis alleine mit ihrer (angekündigten) Präsenz bestimmen können, welche Veranstaltungen in Dortmund stattfinden und welche nicht“, schreiben die Fraktionssprecher Ingrid Reuter und Ulrich Langhorst.

Unverständnis bei den Grünen: Neonazis hätten „on Air“ hetzen können

Auch Neonazi-Ratsmitglied Michael Brück gehörte zu den Störern.
Verschärfte Sicherheitslage?  Michael Brück wurde in der vergangenen Woche als Störer abgeführt.

Unverständlich finden es die Grünen, dass der WDR zur Veranstaltung auch die Ratsmitglieder der RECHTEN und der NPD eingeladen hätten, die mitverantwortlich seien für die Hetze, die in der Veranstaltung diskutiert werden solle.

„Da man sich zu Ihrer Veranstaltung im Vorfeld persönlich anmelden musste und der Zugang auch nur mit Personalausweis möglich sein sollte, sind wir davon ausgegangen, dass Sie mit dieser Regelung verhindern wollten, dass Mitglieder der Dortmunder Neonazi-Szene ihre Hetze auch noch live im WDR begründen.“

Wasser auf die Mühlen der Kritiker sind Aussagen von WDR-Sprecher Uwe-Jens Lindner gegenüber „derwesten.de“: „Die Sicherheitslage in der Stadt hätte das nicht zugelassen. Hintergrund ist die Zuspitzung der Konfrontation zwischen Linken und Rechten in Dortmund.“ Konkrete Befürchtungen wollte der WDR nicht äußern. „Darüber wollen wir nicht spekulieren“, so Lindner.

WDR leiste dem demokratischen Widerstand und der Stadt einen Bärendienst

Im Klartext: Der WDR stellt die Angriffe und Bedrohungen der Nazis auf eine Stufe mit dem Widerstand dagegen. Daher laufen die Demokraten Sturm. Durch die Absage der öffentlichen Veranstaltung „leisten Sie der Auseinandersetzung mit der Nazi-Hetze in unserer Stadt, dem demokratischen Widerstand dagegen sowie dem öffentlichen Ansehen der Stadt Dortmund einen Bärendienst“, kritisieren Reuter und Langhorst.

„Tag für Tag setzen sich Menschen gegen Rechtsradikale ein, um zu zeigen, dass deren menschenverachtendes Gedankengut hier nicht gewünscht ist. Sie leben mit Drohungen und Gewaltaktionen gegen sich und ihre Familien“, betont Dirk Pullem. Aber der WDR fühle sich nicht in der Lage, eine öffentliche Livesendung zu dem Thema abzuhalten. „Dazu fällt uns nur noch folgendes ein: Was stoppt rechte Hetze? – Das nicht!“

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Reaktionen

  1. Dietrich Lose

    Hätte man die Rechten in einer Diskussion nicht demaskieren können?
    Man sollte doch annehmen, dass wir Demokraten die besseren Argumente haben, sollte dem nicht so sein, dann ist das ein Armutszeugnis für unsere Demokratie. Auf Taschenspielertricks wie z.B. Aufzeichnen der Sendung sowie die Verlegung derselbigen sollte eine wehrhafte Demokratie verzichten. Auf diese Weise entsteht völlig unnötig bei der Bevölkerung der Glauben, dass die „Rechte“ besser argumentieren kann und dass die Sendung durch Schnitt-Technik verfälscht wird.

    Warum ist es nicht möglich, durch Argumente und durch Fakten, die Rechte auflaufen zu lassen? Es muß nicht ausgeladen oder geschnitten werden, dadurch wird das Publikum bzw. der Hörer als unmündig dargestellt. Wenn es nicht möglich ist, den Menschen die Propaganda der „Rechten“ zuzumuten, dann ist die Demokratie gescheitert, dann sollte man das Wahlrecht nur demokratisch gefestigten Menschen zugestehen und dann ist unsere Demokratie nicht weit von einer Diktatur entfernt. Ist es nicht gerade das, was man der „Rechten“ zu Recht vorwirft? Demokratie muß auch die absurdesten Meinungen aushalten können, wenn wir Demokraten diese Meinungen nicht widerlegen können, dann sind wir einfach armselig und haben aus unserer Geschichte nichts gelernt.

  2. Irmela Mensah-Schramm

    Der WDR agiert nicht anders als div. Organisationen, (und Politiker) die vorgeben, gegen Rechtsextremismus zu sein, aber div. -zudem auch vielfach ausgezeichnete – Projekte verhindern und ablehnen.
    So sehe ich auch bei div. Festveranstaltungen für die Flüchtlinge, auch wenn diese gutgemeint sind, dass es sich eher um Kindergartenspiele handelt. Was oft den erwachsenen Flüchtlingen damit zugemutet wird, wird offensichtlich verkannt.

  3. Ula Richter – Bündnis gegen Rechts

    „Wer stoppt rechte Hetze?“, hieß das Thema einer WDR-Sendung, zu der auch die übelsten Hetzer und Ausländerhasser der sogenannten „Partei Die Rechte“, ehemals der kriminelle und verbotene „Nationale Widerstand Dortmund“, eingeladen waren.

    Wer die wöchentlichen Hasskampagnen dieser Rassisten vor den Flüchtlingsheimen erlebt, weiß, welche geistigen Brandstifter man da zur Diskussion gebeten hat.

    Erinnert sei an ein „Bürgerforum“ zum „Aktionsplan gegen Rechts“, zu dem vor einigen Jahren in die Bürgerhalle im Rathaus eingeladen war: etwa 40 Nazis nutzten im und vor dem Rathaus die Gelegenheit für ihre Propaganda. Zum Entsetzen vieler Teilnehmer war das Podium nicht in der Lage, dieser Provokation ein Ende zu machen.

    Die Lehre daraus sollte sein, dass den Antidemokraten kein Forum bereitet wird. Wenn eine Diskussion zur Vermeidung von Raubmorden geführt wird, lädt man ja auch keine Raubmörder dazu.
    OB Sierau ist zuzustimmen, die Diskussion im Rathaus hätte unter Ausschluss der Nazis stattfinden sollen.

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