„cut & go“: Die neue Ausstellung im Künstlerhaus Dortmund zeigt die Vielfalt des Schnittes als künstlerischem Stilmittel

Wenn Regula Dettwiler Blätter von exotischen Zimmerpflanzen mit Spitzenbordüren einfasst, entstehen Porträts.
Die Wiener Künstlerin Regula Dettwiler macht aus Blättern fragile Kunstwerke. Fotos: Alex Völkel

Von Florian Kohl

Am heutigen Freitag (26. August 2016) um 20 Uhr eröffnet im Künstlerhaus im Sunderweg 1 eine neue Ausstellung mit dem Titel „cut & go“. In sehr heterogener Herangehensweise verhandeln die ausstellenden KünstlerInnen die Frage, welche Wirkung das Teilen, Trennen und Vermischen von Materialien, Ebenen, Inhalten entfaltet.

 Das Teilen, Trennen und Zerschneiden als gemeinsames Thema der Arbeiten

Anett Frontzek vor den Arbeiten von Hansjörg Schneider. Er gibt Einblicke in die räumliche Struktur von Regionen, Städten oder eines Geländes.
Anett Frontzek vor den Arbeiten von Hansjörg Schneider. Er gibt Einblicke in die räumliche Struktur von Regionen, Städten oder eines Geländes.

Die Werke von insgesamt sieben KünstlerInnen hat Kuratorin Anett Frontzek für die am 26. August eröffnende und bis zum 25.September laufende Ausstellung versammelt. Und das einzige, die Arbeit dieser sieben Mitwirkenden einende ist tatsächlich das übergeordnete Thema der Ausstellung: Teilen, Trennen und Zerschneiden. Jedoch verfolgen sie alle einen sehr eigenen Ansatz.

Holger Stark (Rostock/Klein Warin, Mecklenburg) beispielsweise zerschneidet mit einer rundläufigen Konstruktion aus zerschnittenem Holz (also Brettern) den Raum und hebt auf diese Weise seine Eigenheiten hervor, die ohne Starks Konstruktion auch nach mehrmaligem Hinsehen in der Regel unbemerkt bleiben.

Wie er geht auch Ella Ziegler (Kassel/Berlin) in den Raum hinein und wirkt aktiv auf ihn ein. Ihre Arbeiten hingegen sind deutlich perfomativer Natur. So nahm sie beispielsweise am deutsch-tschechischen Obstbauerntrefffen teil, um Reiser, also Obstbaumabschnitte aus ihrem jeweiligen Abstammungsgebiet in ein anderes zu bringen – eine sehr direkte Interpretation von „cut & go“.

Raumgreifende Exponate als Balanceakt aus Stabilität und Labilität

Kunstprofessorin Katja Pfeiffer befasst sich mit dem Balanceakt aus Stabilität und Labilität.
Kunstprofessorin Katja Pfeiffer befasst sich mit dem Balanceakt aus Stabilität und Labilität.

Einen eher abbildenden, darstellenden Charakter wiederum besitzen die Werke von Hansjörg Schneider (Berlin) und Katja Pfeiffer.

Ersterer bearbeitet die Oberfläche von dickwandiger Pappe durch Auftrennen und Einfärben so, dass sie einen Einblick in die räumliche Struktur von Regionen, Städten oder eines Geländes ermöglichen – und als Grundlage dienen Satellitenbilder, wodurch mit seinen Arbeiten eine maximale Distanz zum betrachteten Raum einhergeht.

Die in Berlin lebende und in Wuppertal lehrende Kunstprofessorin Katja Pfeiffer wiederum begeht zwar den Raum, wirkt jedoch nicht auf ihn ein, sondern verarbeitet ihre Eindrücke anschließend in Nachbildungen.

Ihre Exponate befassen sich zuvorderst mit dem Balanceakt aus Stabilität und Labilität, sowie mit der Ästhetik dauerhaft gewordener Improvisation – die Inspiration dazu waren ihre Erfahrungen in der italienischen Stadt L’Aquila, die noch heute schwer gezeichnet ist vom inzwischen sieben Jahre zurückliegenden schweren Erdbeben, das seinerzeit 308 Menschen das Leben kostete und infolgedessen 33.672 Menschen ihre Häuser verlassen mussten.

Bearbeitung: Herbarisierte Pflanzenblätter  als „Rorschach-Bilder“

Wenn Regula Dettwiler Blätter von exotischen Zimmerpflanzen mit Spitzenbordüren einfasst, entstehen Porträts, die Ausdruck unserer eigenen Befindlichkeiten und Bedürfnisse sind.
Wenn Regula Dettwiler Blätter von Pflanzen mit Spitzenbordüren einfasst, entstehen Porträts.

Regula Dettwiler (Wien) setzt verschiedene künstlerische Methoden ein, um den Strategien und Repräsentationsformen naturalisierter Künstlichkeit auf die Spur zu kommen.

Wenn sie Blätter von exotischen Zimmerpflanzen mit Spitzenbordüren einfasst, entstehen Porträts, die Ausdruck unserer eigenen Befindlichkeiten und Bedürfnisse sind.

Und auch die herbarisierten Pflanzenblätter sind derart manipuliert, dass sie als „Rorschach-Bilder“ auf eine tiefenpsychologische Dimension verweisen und die „Natur als Projektionsfläche menschlicher Sehnsüchte und Ängste“ zu erkennen geben.

Malen durch Fäden ziehen – diese Technik sorgt für Bilder in Bewegung

Die losen Fäden bei den Arbeiten von Andrea Pesendorfer lassen Bewegung zu. Je nach Luftzirkulation entsteht eine sich fortsetzende Wellenbewegung.
Die losen Fäden bei den Arbeiten von Andrea Pesendorfer lassen Wellenbewegungen zu.

„Die Ursprünge dieses Strangs der künstlerischen Arbeit von Andrea Pesendorfer liegen in einem Malereidiskurs, der sich mit den essentiellen Bestandteilen der Malerei auseinander setzte. In ihren frühen Arbeiten machte sie den Bildträger, die Leinwand selbst, zum Bild.

Durch Heraus- und/oder Verziehen der Fäden entstanden Linien, Transparenzen, Leerstellen, Durchblicke und Verschie­bungen. Mein Interesse galt dem dahinter Liegenden, dem Untergrund, dem Bloßlegen, dem Minuswachstum …

Bei den bewegten Bildern wird dieses Prinzip angewandt und weiterentwickelt. Der Stoff, die weitergeführte Leinwand, ist vom Rahmen gelöst. Die losen Fäden lassen Bewegung zu und je nach Luftzirkulation entsteht eine sich fortsetzende Wellenbewegung.

Schon geringste Luftströme, etwa durch Bewegung der Menschen im Raum, oder durch leicht differierende Lufttempe­ratur hervorgerufen, werden sichtbar. Die Bilder bekommen dadurch eine ganz besondere Präsenz. Sie werden wesenhaft. Es ist skulptural – im klassischen Sinn. Durch Wegnehmen vom vorhandenen Material entsteht eine neue Gestalt(ung).“

Schöner Einblick in die breite Varietät und Facettenreichtum

Im Ganzen betrachtet gibt die Ausstellung einen sehr schönen Einblick in die breite Varietät, die das derzeit eine Art Renaissance erlebende, künstlerische Mittel des Schnitts zu bieten hat.

Dieser Facettenreichtum fordert von den AusstellungsbesucherInnen allerdings auch ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und gedanklicher Flexibilität. Bringt man diese jedoch mit, ist die Ausstellung einen Besuch allemal wert.

Mehr Details:

  • Eröffnung: Freitag, 26. August 2016, 20 Uhr
  • Laufzeit: 27. August bis 25. September
  • Öffnungszeiten: Do. bis So. 16 bis 19 Uhr
  • Samstag, 27. August von 16 bis 22 Uhr: Hafenspaziergang-Spezial
    16 Uhr: Kuratorenführung mit Anett Frontzek
    16-17.30 Uhr: Kinderaktion „Schere dich drum“
    ab 16 Uhr: mex-Konzerte „nyak 11“ – Showcase zum Hafenspaziergang
  • Sonntag, 15. September, 16 Uhr: Kuratorenführung und Finissage
  • Ausstellende Künstlerinnen und Künstler: Petra Johanna Barfs (Frankfurt a. M.), Regula Dettwiler (Wien), Andrea Pesendorfer (Wien), Katja Pfeiffer (Wuppertal/Berlin), Hansjörg Schneider (Berlin), Holger Stark (Rostock/Klein Warin, Mecklenburg), Ella Ziegler (Kassel/Berlin).
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Reaktionen

  1. Künstlerhaus

    „cut & play“ – Kinder & Jugendworkshop

    am 3.+4.9.16, 11-16 Uhr und 10.+11.9.16, 11-16 Uhr
    im Künstlerhaus Dortmund, Sunderweg 1, 44147 Dortmund
    Ausstellungseröffnung: Do 15. September, 17 Uhr

    Der kostenlose und ausstellungsbegleitende Workshop für Kinder und Jugendliche von 10 bis 14 Jahren findet im Rahmen des Kulturrucksack NRW statt.

    In den Räumen des Künstlerhauses ist die spannende Ausstellung „cut & go“ zu sehen. Internationale Künstler/innen haben Werke geschaffen, in denen das Zerteilen und das Zusammenfügen eine wichtige Rolle spielt. Das können handwerkliche Materialien sein, aber auch inhaltlich kann man etwas merkwürdig zusammensetzen!
    Die Jugendlichen können nun selber in die Welt der Bildhauerei einsteigen: Papier, Pappe, Gummi, Glas, Folien, Holz und Metall sind die Materialien. Schneiden, Falten, Kleben, Walzen sind die Techniken. Alles, was zu dem Thema einfällt, kann umgesetzt werden. Es wird auch experimentiert mit Bewegung, Klang, Spiegelung und Licht.
    Die entstandenen Skulpturen und Objekte werden anschließend in der 2. Etage des Künstlerhauses präsentiert.

    Kursleitung: Dagmar Lippok, Bildende Künstlerin
    Anmeldung bitte per E-mail an: dagmar.lippok@gmx.de

    Workshoptermine:
    Sa 03./ So 04. September, jeweils von 11 bis 16 Uhr
    Sa 10./ So 11. September, jeweils von 11 bis 16 Uhr
    Do 15. September, 17 Uhr, Ausstellungseröffnung

    Ort:
    Künstlerhaus Dortmund, Sunderweg 1, 44147 Dortmund

    Bus 453, 460 und 475 zur Haltestelle Treibstrasse
    Fußweg vom HBF Nordausgang, 15 Minuten
    Fußweg vom Dortmunder U, 15 Minuten

    Ausstellung:
    15.09. – 25.09.2016
    zu den regulären Öffnungszeiten Do–So von 16-20 Uhr im 2.OG des Künstlerhauses

    Mehr Informationen und Anmeldung hier:
    http://www.kh-do.de/de/Ausstellungen/projekte/cut_play.html

  2. Künstlerhaus

    Herzliche Einladung ins Künstlerhaus Dortmund!

    Zur Finissage mit Kuratorenführung durch die Ausstellung „cut & go – Vom Trennen, Teilen & Zerschneiden“am Sonntag, dem 25. September 2016 um 16 Uhr würden wir Sie gerne im
    Künstlerhaus Dortmund, Sunderweg 1, 44147 Dortmund begrüßen!

    Die Ausstellung „cut & go“ mit Werken von Petra Johanna Barfs (Frankfurt am Main), Regula Dettwiler (Wien), Andrea Pesendorfer (Wien), Katja Pfeiffer (Wuppertal/Berlin), Hansjörg Schneider (Berlin), Holger Stark (Rostock/Klein Warin) und Ella Ziegler (Kassel/Berlin) vereint künstlerische Arbeiten auf Papier, mixed-media, performative Herangehensweisen, Skulptur und installative Beiträge.

    Die Kuratorin Anett Frontzek führt Sie durch die Räume mit den Kunstwerken, die sich durch Teilen, Schneiden und Trennen im weitesten Sinne auszeichnen und den Fragen nachspüren, wie Künstlerinnen und Künstler mit den entstehenden Materialteilen, den Leerstellen und Brüchen umgehen oder was mit den Schnittstellen und -teilen geschieht. Werden sie neu kombiniert, zusammengefügt und transformiert oder werden sie lediglich zu Resten, ja sogar zu Abfall? Hinterlassen sie Lücken? Oder bilden gerade diese Leerstellen das eigentliche Werk?
    Das zentrale Interesse der Ausstellung liegt auf den unterschiedlichen Herangehensweisen der einzelnen KünstlerInnen, ihrer künstlerischen Haltung und ihren individuellen inhaltlichen Fragestellungen. Konzeptionelle Positionen, die trotz oder gerade wegen der Verwendung von trennenden Gestaltungsmitteln auf ihrer inhaltlichen Ebene auch eine politische oder gesellschaftskritische Dimension erreichen können.
    Denn jeder Schnitt hinterlässt nicht nur auf der materiellen Ebene Brüche, Lücken und Leerräume, sondern wirft Fragen nach individueller und gesellschaftlicher Vergangenheit und Zukunft auf.

    Parallel dazu:
    Präsentation der Workshopergebnisse von „cut & play“
    15.09.2016 – 25.09.2016, im 1. Stock des Künstlerhauses Dortmund
    (während der regulären Öffnungszeiten oder auf Anfrage)

    „cut & play“ ist der Titel des ausstellungsbegleitenden Workshop zur Ausstellung „cut & go“.
    Daran angelehnt haben Kinder und Jugendliche zwei Wochenenden lang geschnitten, gerissen, zerteilt, geklebt, gefaltet und montiert. Sie konnten unter Anleitung der Künstlerin Dagmar Lippok selber in die Welt der Bildhauerei einsteigen: Mit den Materialien Papier, Pappe, Gummi, Glas, Folien, Holz und Metall haben sie expermentiert und konnten unter den Augen des Profis mittels Schneiden, Falten, Kleben und Walzen alles, was ihnen zum Thema einfiel, umsetzen.

    Mehr zum Workshop „cut & play“

    Der kostenlose Workshop für Kinder und Jugendliche von 10 bis 14 Jahren fand im Rahmen des Kulturrucksack NRW statt und wurde von Dagmar Lippok konzipiert und durchgeführt.

    Die Ausstellung cut&go und die Präsentation der Workshopergebnisse sind auch während der
    16. Dortmunder DEW21-Museumsnacht am Samstag, dem 17. September von 16 – 24 Uhr in Kurzführungen zu sehen.

    BACK IN 20 MINUTES:
    Führungen durch die Ausstellung „cut and go“ um 17.00, 18.00, 19.00, 20.00 und 21.00 Uhr.

    Wir freuen uns auf Ihr und Euer zahlreiches Kommen!
    Euer Künstlerhaus Dortmund

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