„Coltan-Fieber“: Interessante Diskussion zum Thema „Globaler Rohstoffhandel – wer zahlt, wer profitiert?“

„Coltan-Fieber“: Aufführung am 11. Juni im Theater im Depot
Das Stück „Coltan-Fieber“ ist am 11. Juni im Theater im Depot zu sehen. Plakatfoto: Veranstalter

Von Claus Stille

„Wer und was macht Coltan zum Konfliktrohstoff? Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer der globalen Wirtschaftsbeziehungen? Welche Forderungen gilt es an Regierungen, internationale Konzerne und Konsumenten zu stellen, um ein faires und zukunftsfähiges Wirtschaften zu fördern?“  Diese und andere Fragen standen  bei der interessanten Diskussion „Globaler Rohstoffhandel – wer zahlt, wer profitiert?“ im Rathaus an.

Begrüßung der Gäste durch Birgit Jörder – „Coltan-Fieber“ auf NRW-Tournee

Bürgermeisterin Birgit Jörder begrüßte die Gäste im Rathaus.
Dortmunds Bürgermeisterin Birgit Jörder begrüßte die Gäste im Rathaus. Foto: Claus Stille

Bürgermeisterin Birgit Jörder begrüßte die Gäste. Sie wies daraufhin, dass wir alle u.a. durch Nutzung der nicht mehr aus unseren Leben wegzudenkenden Smartphones, mit dem Thema in Berührung stehen: Denn Smartphones sind ohne den Rohstoff Coltan nicht herstellbar.

„Global denken – lokal handeln ist die Maxime. Auf nachhaltiges Handeln kommt es an.“ Sie denke, in Dortmund sei man da ganz gut eingestellt.

Zum Auftakt der NRW-Tournee des Bildungs- und Theaterprojektes „Coltan-Fieber“ für Schulen und Erwachsene informierte Christa Morgenrath, Projektleitung „stimmen afrikas/ Allerweltshaus Köln“ und „africologne/ Theater im Bauturm/Köln“  über das Projekt. Dieses könne beispielhaft über die Problematik globaler Rohstoffhandel informieren.

„Coltan-Fieber“: Aufführung am 11. Juni im Theater im Depot

Gerhardt Haag, Theaterleitung & Künstlerische Leitung africologne, berichtete über die  Entstehungsgeschichte des Theaterprojektes „Coltan-Fieber“.  Den Anstoß dafür lieferte die Goethe-Gesellschaft in Kigali/Rwanda.

Das Stück „Coltan-Fieber“ ist auf NRW-Tournee und macht in der Nordstadt Station. Foto: Veranstalter
Das Stück „Coltan-Fieber“ ist auf NRW-Tournee und macht in der Nordstadt Station. Foto: Veranstalter

Doch das Thema war für das Land zu heiß. Man sei dennoch dran geblieben und habe das von Jan-Christoph Gockel inszenierte Stück zusammen mit dem Theater FALINGA Ouagadougou/Burkina Faso entwickelt. Autor ist Aristide Tarnagda. Dessen Skizze wurde in Köln gezeigt.

Letztlich kristallisierten sich daraus zwei Stücke:  „Coltan-Fieber“ hatte am 31.10.2014 in Ouagadougou verspätet nach einem Volksaufstand in sehr aufgeheizter Situation Premiere. Das deutsche Auswärtige Amt hat das Projekt unterstützt.

Das Stück konnte dann auch in Kinshasa in der Demokratischen Republik Kongo – wenngleich nicht direkt in der Coltan-Region im Ostkongo – aufgeführt werden.

Einer der damaligen Schauspieler, freute sich Gerhardt Haag, sei nun auch endlich dank Hilfe des deutschen Außenamtes nach mehrmaliger Ablehnung eines Visas, am Montagabend in Deutschland eingetroffen. Er befand sich im Publikum.

Das Stück „Coltan-Fieber wird übrigens am 11. Juni im Dortmunder Theater im Depot um 20 Uhr zu sehen sein.

Die Diskutanten präsentierten den wissenschaftlichen und politischen Stand der Debatte

Diskussion über den globalen Rohstoffhandel im Rathaus. V.l.: Dr. Phil Médard Kabanda, Johanna Sydow, Vincent Neussl, Mathias Baier
Dr. Phil Médard Kabanda, Johanna Sydow, Vincent Neussl, Mathias Baier. Foto: Klaus Hartmann

Die von Sandrine Blanchard, Redaktion frankophones Afrika, Deutsche Welle, moderierte Diskussion ging auf viele Aspekte des sehr komplexen Themas der Veranstaltung ein.

Die Expertin in der Runde,  Johanna Sydow, Referentin für Ressourcenpolitik, Germanwatch Berlin, und deren männliche Kollegen,  Vincent Neussl, Referent der Afrika Abteilung, Misereor Aachen,  Dr. Phil Médard Kabanda, Dozent der Kultur- und Sozialwissenschaften der Uni Osnabrück und des Otto-Suhr-Instituts der Freien Universität Berlin, sowie Matthias Baier, Internationale Kooperationen – Afrika, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover informierten über den aktuellen wissenschaftlichen und politischen Stand der Debatte um das komplexe Gefüge der Konfliktlage in der Region der Großen Seen zu durchleuchten.

Verbindliche Vorschriften statt freiwilliger Selbstverpflichtungen

Sandrine Blanchard wies daraufhin, dass allein dort 50 bis 60 bewaffnete Gruppen den Coltanabbau kontrollierten. Wobei die Rohstoffe nicht die Ursache der Konflikte seien, sie jedoch anheizten.

Das Fairphone - hier das erste Modell - will den Mechanismus durchbrechen und bietet sogar Reparaturmöglichkeiten an. Foto: Wikipedia/ Sandra Fauconnier
Fairphone – hier das erste Modell –  setzt auf fairen Handel. Foto: Wikipedia/ Sandra Fauconnier

Zunächst zeigte Matthias Baier zwecks Einführung den Interessierten den Film eines Journalisten über die Arbeitsbedingungen in einer zertifizierten Coltanmine im Osten Kongos. Er handelt u.a. von einem einstigen Farmer, der sich – verschuldet – in einer Coltanmine verdingt hat.

Dort wird mit Schaufeln und bloßen Händen wie zu Goldgräberzeiten gearbeitet. Reich kann davon niemand werden. Eine Zertifizierung ermöglicht die Bestimmung der genauen Herkunft der Rohstoffe.

Zwei Drittel der Minen gelten immerhin als konfliktfrei. Heißt, dort gibt es keine bewaffneten Auseinandersetzungen oder Kinderarbeit. Von dort kommt auch das Coltan, das etwa im Fairphone, dass Beier auch privat nutzt, verarbeitet ist.

Die weitere Diskussion erbrachte, dass freiwillige Selbstverpflichtungen der Importeure von Rohstoffen sowie der Hersteller von Handys, Laptops oder Autos bezüglich der Konfliktfreiheit der verwendeten Rohstoffe nicht zielführend sind. Sondern ausschließlich verbindliche Vorschriften. Daran ließ Johanna Sydow keinen Zweifel.

Kritik an Staat und Medien der Demokratischen Republik Kongo 

Dr. Médard Kabanda beschrieb und skandalisierte die Ohnmacht des Staates gegenüber dem stattfindenden Unrecht sowie dessen beklagenswerte Handlungsunfähigkeit in weiten Bereichen im Kongo. Der doch eigentlich ein reiches Land sei.

Profitieren vom Rohstoffabbau würde hauptsächlich – und dass bereits seit Kolonialzeiten – Cliquen und Clans im Lande. Viele Menschen rackerten sich dagegen in den Rohstoffminen barfuß und mit bloßen Händen für lächerlich geringen Lohn ab.

Dr. MÇdard Kabanda. Foto: Claus Stille
Dr. Médard Kabanda. Foto: Claus Stille

Auch kriegerische Auseinandersetzungen nicht nur in Rwanda, sondern auch im Kongo hätten tiefe Spuren in der Bevölkerung hinterlassen. Der Staat komme seinen Aufgaben nicht nach. Rohstoffe verschwänden in die Nachbarländern. Es gebe weder Kontrolle, noch würden Zölle erhoben.

Ein Manko an ermöglichter Bildung sei zu konstatieren. Die aus den Ressourcen des Landes erzielten Gewinne würden nicht gerecht über die Bevölkerung verteilt. „Die Masse der Bevölkerung leidet.“

Die eigene „Verfassung wird mit Füßen getreten“. Kabanda: „Der Staat ist eine Katastrophe.“ Die Medien seien alle von der Regierung gekauft.

Kongo hat sogar einen Minen-Kodex. Dieser werde aber nicht angewandt, wusste Sandrine Blanchard. Der Staatshaushalt des Kongo, auch das darf nicht unbedacht bleiben, beträgt gerade einmal um die acht Milliarden Euro.

Keine einfachen Lösungen: Bemühungen um fairen Rohstoffabbau

Vincent Neussl sprach über die starken Bemühungen zum fairen Rohstoffabbaus, die die fest in der kongolesischen Zivilgesellschaft verankerte katholische Kirche des Landes unternehme.

Vincent Neussl
Vincent Neussl. Foto: Claus Stille

Er wollte dank der Dodd-Frank-Gesetzgebung in den USA und der Europäischen Richtlinien, die kein zahnloser Tiger sein dürften, zwecks fairen Rohstoffhandels zarte Verbesserungen der Situation auch der Kleinschürfer sehen.

Hundertfünfzig Euro verdiene ein General, schob die Moderatorin ein. Wie solle der denn zu ordentlicher Kontrolle motiviert sein und Bestechungsversuchen gegenüber immun sein?

Matthias Baier wandte ein, einfache Lösungen gebe es nicht. Auch verbindliche Verpflichtungen der Industrie hätten nicht unbedingt Verbesserungen zur Folge. Schließlich gingen auch die Kosten für Kontrollen letztlich zulasten der Minenarbeiter.

Und natürlich sei auch die katholische Kirche zwar Teil der – aber letztlich nicht die Zivilgesellschaft an sich. Viele Kongolesen hätten keinerlei Stimme.

Die Runde war einig in de Analyse der Situation. Doch die Probleme sind komplex

Die spannende Diskussion zu einem hochwichtigen Thema hatte zum Ergebnis, dass die Probleme und die daraus resultierenden Notwendigkeiten des Handeln erkannt sind. Man war sich, wie Martin Baier einvernehmlich für die Runde feststellte schon ziemlich einig.

Es ging gar nicht so kontrovers zu wie zu erwarten gewesen war. Dennoch sind die Probleme sehr komplex. Einfache Lösungen zu finden zu wollen, hieße naiv sein.

Wobei auch zu beachten wäre, was Dr. Kabanda sagte: „Die Worte der Politiker sind oft sehr groß, die Wirkungen vor Ort jedoch klein. Auf Menschlichkeit kommt es an.“

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http://www.depotdortmund.de/theater-im-depot/programm/847-coltan-fieber/event_details.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Dodd%E2%80%93Frank_Act

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Reaktionen

  1. TiD

    COLTAN FIEBER: Bildungs- und Theaterprojekt von stimmen Afrikas und Theater im Bauturm / Africologne.

    Das Erz Coltan befindet sich in allen uns vertrauten elektronischen Geräten: Mobiltelefonen, Laptops, Herzschrittmachern usw. Vom Abbau des Rohstoffs in den Minen in Ost-Kongo bis zur Begegnung mit dem Endverbraucher im Geschäft wird Coltan über verschiedene Stadien der Verarbeitung um die ganze Welt transportiert – und häufig von Gewalt und Kinderarbeit begleitet.

    Coltan-Fieber streift die lange Geschichte der Ausbeutung von Ressourcen im Kongo und schlägt den Bogen von der Kolonialzeit bis zu heutiger Zwangsarbeit und der Rekrutierung von Kindersoldaten. Symbolträger dieser konfliktbeladenen Reise ist die Puppe Leopold, benannt nach König Leopold II, der ein Terrorregime rund um die Ausbeutung von Elfenbein und Kautschuk installierte.

    Die Performance beruht auf Improvisationen und biographischen Erfahrungen der Mitwirkenden – so wird Yves Ndaganos persönliche Geschichte als Kindersoldat und Minenarbeiter in Goma (DR Kongo) erzählt. Coltan-Fieber ist eine Mischung aus Improvisation, Puppenspiel, Dokumentartheater und spielerischem Rollentausch.

    Eine Veranstaltung von stimmen afrikas und Theater im Bauturm / africologne.

    Das Bildungs- und Theaterprojekt Coltan Fieber wird gefördert von der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein- Westfalen.

    Coltan-Fieber ist eine Koproduktion des Theater im Bauturm – Freies Schauspiel Köln mit dem Theater FALINGA und dem Festival Récréâtrales, Ouagadougou/Burkina Faso, dem Tarmac des Auteurs, Kinshasa/DR Kongo und dem Goethe-Institut Kigali/Rwanda. Die Produktion wurde gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes, Bezirksregierung Köln, Kunststiftung NRW, DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH / KfW Bankengruppe, Kulturstiftung Matrong, Rudolf Augstein Stiftung sowie durch das Auswärtige Amt / Aktion Afrika. Schirmherrschaft Prof. Dr. Gesine Schwan und Prof. Dr. Peter Eigen.

    Vorstellung:
    SA 11.06.2016 um 20 Uhr
    Eintritt: VVK 13 € / 8 € erm.
    AK 15 € / 10 € erm.
    Ort: Theater im Depot
    Inszenierung: Jan-Christoph Gockel
    Dramaturgie: Kerstin Ortmeier
    Mit: Yves Ndagano, Gianni La Rocca, Patrick Joseph, Laurenz Leky/Michael Pietsch
    Puppenbau: Michael Pietsch
    Licht: Maman Iro Abdoul Aziz

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