Bingo-Nachmittage in Altenheimen und Begegnungsstätten geraten als illegales Glücksspiel ins Visier der Behörden

Bingonachmittage in Begegnungsstätten können illegales Glücksspiel darstellen. Fotos: Oliver Schaper
Bingo-Nachmittage in Begegnungsstätten können illegales Glücksspiel darstellen. Archivfotos: Oliver Schaper

Illegales Glücksspiel beschäftigt die Behörden: Nicht etwa ganze Existenzen ruinierende Pokerrunden in verruchten Hinterzimmern mafiöser Clans sind in das Visier von Steuerprüfern und Ordnungsbehörden geraten, sondern Bingo-Spiele in Altenheimen und Begegnungsstätten.

Bingo-Nachmittag in einem Altenheim in Köln-Riehl brachte den Stein ins Rollen

In einem Altenheim in Köln-Riehl war einem Rechnungsprüfer aufgefallen, dass unter der Quittung einer gekauften Packung Pralinen „Bingopreis“ stand. Er vermutete einen Verstoß gegen den Glücksspiel-Staatsvertrag. Die Chefin des Altenheims hielt das noch für einen Scherz, leitete den Hinweis aber dennoch an den Justiziar weiter.

Das Problem: Der Rechnungsprüfer hatte recht. Laut § 3 des Glücksspielstaatsvertrags liegt ein Glücksspiel dann vor, wenn „für den Erwerb einer Glücksspielchance ein Entgelt verlangt“ wird und die Entscheidung über den „Gewinn vom Zufall abhängig“ ist. Formaljuristisch erfüllt jeder Bingonachmittag damit alle Voraussetzungen des Glücksspiels, wenn „ für einen größeren, nicht geschlossenen Personenkreis eine Teilnahmemöglichkeit besteht“.

Wenn die Bingokarten kostenlos wären, wäre das kein Problem. Doch zumeist werden 50 Cent oder ein Euro verlangt. Als Preise winken dann Schokolade, Duschgel, Blumen oder ähnliches. Zwei Monate stritten sich das Heim, die Kölner Stadtverwaltung und die Bezirksregierung über Spitzfindigkeiten. Das Bingospiel in der Einrichtung – bisher der Höhepunkt eines jeden Dienstags – musste ausgesetzt werden.

Die Ehrenamtlichen in Dortmunder Begegnungsstätten sind verunsichert

Das sprach sich rum – auch bis nach Dortmund. Immer mehr Einrichtungen sind verunsichert, ob die regelmäßig abgehaltenen Bingo-Nachmittage in Seniorenheimen und Begegnungsstätten überhaupt noch stattfinden sollen oder können.

Mittlerweile ist auch die Stadt Dortmund auf den Plan getreten und teilt auf Nachfrage der Nordstadtblogger mit: „Bingo ist ein Glücksspiel im Sinne des § 3 Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV). Es hat in jedem Fall eine Einzelfallprüfung stattzufinden, ob es sich um ein öffentliches Glücksspiel nach § 4 Abs. 1 GlüStV oder um einen geschlossenen Personenkreis handelt.“

Stadt teilt mit, dass Bingo in Begegnungsstätten als Glücksspiel angemeldet werden muss

Sind die Bingespiele nur für BewohnerInnen in Altenheimen, fallen sie nicht unter die Regelung.
Sind die Bingespiele nur für BewohnerInnen in Altenheimen, fallen sie nicht unter die Regelung.

Im Klartext: „Für ein in einem Seniorenheim stattfindendes Bingo-Spiel, an dem nur die Bewohner dieses Heimes in ihrem Aufenthaltsraum teilnehmen, wäre keine Erlaubnis erforderlich. Es wäre auch nicht anzeigepflichtig, da kein öffentliches Glücksspiel nach § 3 Abs. 2 GlüStV vorliegt“, erklärt Stadtsprecher Maximilian Löchter.

„Findet Bingo in einer Begegnungsstätte statt, die von jedermann aufgesucht werden kann, wäre diese Veranstaltung nach § 4 Abs. 1 GlüStV genehmigungspflichtig“, so der Stadtsprecher. Es wäre dann zu prüfen, ob das angedachte Bingo-Spiel unter die Allgemeine Erlaubnis für Kleine Lotterien und Ausspielungen fällt. Das Bingo-Spiel wäre dann anzuzeigen.

Fällt es nicht unter die Allgemeine Erlaubnis, wäre das Bingo-Spiel bei der zuständigen Bezirksregierung anzumelden“, erklärt Löchter.  (Hinweis dazu am Text-Ende)

Happy-End in Köln-Riehl – in Dortmund droht das „dicke Ende“ aber noch

In Arnsberg selbst hüllt man sich in Schweigen. Die Anfrage von Nordstadtblogger an die Bezirksregierung blieb seit zehn Tagen unbeantwortet. In Köln-Riehl dagegen gibt es ein Happy End. Dort geht das Bingo-Spiel nach zwei Monaten Pause wieder los – und das „Krönungs-Bingo“ für die „Bingo-Königin“ wird nachgeholt. Dieses Mal aber mit einem richtig dicken Aufschlag: „Casino Royale“ haben die BewohnerInnen ihren Bingonachmittag im XXL-Format genannt.

Die Gäste sollen sich als Geheimagenten, Mafia-Pate oder Bond-Girl verkleiden. Von juristischen Schikanen befreit will man den Festsaal in eine Spielhölle verwandeln. Die Kölner versuchen – nicht zuletzt in der närrischen Zeit – das juristische Thema mit Humor zu nehmen.

Bezirk fordert AWO-Gliederungen auf, Spiele zu melden – Dortmund widersetzt sich 

Bingo in Begegnungsstätten dient nicht der Gewinnerzielungsabsicht, sondern der Geselligkeit, findet die AWO.
Bingo in Begegnungsstätten dient nicht der Gewinnerzielung, sondern der Geselligkeit, findet die AWO.

In Dortmund – und in vielen anderen Städten – ist man da noch nicht so weit. Im Gegenteil – hier wird es nun ernst: So hat man sich beispielsweise beim AWO-Bezirk Westliches Westfalen in der Geschäftsführerkonferenz mit der „Verfahrensablaufplanung zur Legalisierung von Bingo-Spielen mit monetärer Gewinnorientierung“ beschäftigt. Dazu gibt es einen mehrteiligen Plan, der vorsieht, dass die Gliederungen die Bingo-Nachmittage anmelden sollen.

Der Dortmunder AWO-Geschäftsführer Andreas Gora will dem Plan aber nicht folgen und auch die Spiele nicht anmelden (lassen). Er bestreitet, dass Bingo-Spiele in Begegnungsstätten der monetären Gewinnorientierung dienten. „Es geht nicht um Geld, sondern um Geselligkeit und Zeitvertreib in einer Gruppe“, so Gora.

Daher will er zur Not gerichtlich klären lassen, ob das denn auch wirklich Glücksspiel sei. Denn für ihn sind solche Regelungen „fragwürdige Auswüchse“, die das Vereinsleben so formalisierten, dass „die gesamte Vereinskultur darunter kaputt“ zu gehen drohe. „Die haben einen an der Klatsche. Es macht mich fassungslos“, sagt der Geschäftsführer der mitgliederstarken Dortmunder AWO-Gliederung kopfschüttelnd.

Ist Bingo nur die erste Stufe? Was ist mit Skat und Doppelkopf mit Kleinsteinsätzen?

Begegnungsstätten müssen ihre Bingonachmittage anmelden.
Begegnungsstätten müssen laut der Stadt Dortmund ihre Bingonachmittage anmelden.

„Während in den Städten die Spielhallen wie Pilze aus dem Boden schießen, kümmern sich die Behörden um das Bingo-Spielen von Senioren“, kritisiert Gora. „Das ist wie die Steuerprüfung bei Großkonzernen. Weil die Prüfer dort ganzen Horden von Steuer-Fachanwälten gegenüber sitzen, konzentrieren sie sich dann lieber auf die Prüfung bei Orts- und Kleingartenvereinen.“

Er fürchtet, dass die Bingospiele nur die erste Gruppe darstellen. „Was ist denn eigentlich mit den Skat- und Doppelkopf-Spielen, wo um kleinste Einsätze gespielt wird? Nach deren Definition ist das auch illegales Glücksspiel“, ärgert sich der AWO-Geschäftsführer.

Wie das ausgeht, bleibt abzuwarten. In der Bingo-Causa wird es in Dortmund wohl erst losgehen: Die Stadt Dortmund plant zunächst keine regelmäßigen Kontrollen. Jedoch können ordnungsrechtliche Maßnahmen eingeleitet werden, wenn ein eigentlich anmeldepflichtiges Glücksspiel nicht angemeldet wurde“, betont Stadtsprecher Maximilian Löchter.

Mehr zum Thema:

Der Hinweis auf das Verfahren bezogen auf das Glücksspielwesen kann u. a. auf der Internetseite der Bezirksregierung Arnsberg entnommen werden:
https://www.bezreg-arnsberg.nrw.de/themen/g/gluecksspiel/index.php

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