Atlantis im Dortmunder Hafen: Die Union-Vorstadt

Die Union-Vorstadt im Dortmunder Hafen ist hinter dem Hafenamt zu erkennen. Archivbild: Sammlung Klaus Winter, Dortmund
Die Union-Vorstadt ist hinter dem Hafenamt zu erkennen. Archivbild: Sammlung Klaus Winter, Dortmund

Von Helmut Lierhaus

Wer sich auf eine Spurensuche der 1961 abgerissenen Union-Vorstadt im Hafengebiet begeben würde, könnte hinter dem Alten Hafenamt zwischen Drehbrücken-, Kanal- und Schäferstraße noch auf alte Bordsteine, Straßenfragmente und Mauerreste stoßen. Diese Straßen begrenzten (teilweise unter anderem Namen) ein Wohnviertel mit Marktplatz, Lebensmittelladen und Amtshaus, das hier genau 90 Jahre lang, von 1871 bis 1961, stand.

1871 begann der Wohnungsbau vor dem Toren der damaligen Stadt Dortmund

Historische Darstellung des Dortmunder Hafens inklusive ursprünglicher Erweiterungspläne (hellblau dargestellt).
Historische Darstellung des Hafens inklusive ursprünglicher Erweiterungspläne. Quelle: Wikipedia

Das Baujahr 1871 ist für die Industrialisierung Dortmunds insgesamt ein entscheidendes Jahr.

Leopold Hoesch verlegte den Hauptsitz des Familienunternehmens vom linken Niederrhein ins Ruhrgebiet und gründete am 1. September auf dem Oesterholz-Areal das „Eisen- und Stahlwerk Hoesch“, bald schon Westfalenhütte und Hoesch AG.

Die „Dortmunder Hütte“ erweiterte sich zur „Union, Aktiengesellschaft für Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie“. Der Zuzug von Arbeitskräften setzte ein.

Der Wohnungsbau verlagerte sich zwangsläufig vor die Tore der damals noch bestehenden Stadtmauern. Die Union-Vorstadt ist Sinnbild für diese rasante Entwicklung.

Hochwertige Werkssiedlung der Dortmunder Union nach englischem Vorbild

Franz Schaffrin vor seinem Haus in der Union-Vorstadt (ca. 1940). Quelle: Wikipedia
Franz Schaffrin vor seinem Haus in der Union-Vorstadt (ca. 1940). Quelle: Wikipedia

Nach englischem Vorbild, Anordnung der Parzellen in Blockform, entstand eine moderne, nach damaligen Maßstäben hochwertige Werkssiedlung der Dortmunder Union. Sie bestand überwiegend aus Doppelhäusern und einigen wenigen, damals noch kaum verbreiteten Mehrfamilienhäusern.

In 40 Gebäuden (30 Wohngebäude und 8 Meisterhäusern sowie einem Konsum und einem Amtshaus) fanden ca. 95 Familien Wohnraum, anfangs nur höhergestellte Arbeiter, wie Meister oder Schichtleiter.

An die Wohnhäuser gliederten sich kleine Gartenparzellen und je ein Schuppen nach dem Vorbild der Siedlung Eisenheim in Oberhausen.

Nahezu alle Spuren der Siedlung sind verschwunden

Nach dem im Internet verfügbaren „Dortmunder Adressbuch 1894“ gab es entsprechend der geometrischen Siedlungsstruktur die Adressen Union-Vorstadt A-Straße 9-12, B-Straße 6-33, C-Straße 11-49, D-Strasse 11-50, E-Strasse 8-25 und Union-Vorstadt Markt 1-18.

Es ist nicht zu weit hergeholt, Parallelen zwischen der nahezu spurlos verschwundenen und nur noch in Erinnerungen ihrer ehemaligen Bewohner lebendigen Union-Vorstadt und dem antiken Atlantis zu ziehen. Nach der vom griechischen Philosophen Platon überlieferten Erzählung ist das mythische Inselreich im Mittelmeer um 9600 v. Chr. infolge einer Naturkatastrophe innerhalb „eines einzigen Tages und einer unglückseligen Nacht“ untergegangen.

Union-Vorstand entstand sprichwörtlich auf der grünen Wiese des Westerholzes

Die Union-Vorstadt im Dortmunder Hafen ist hinter dem Hafenamt zu erkennen. Archivbild: Sammlung Klaus Winter, Dortmund
Die Union-Vorstadt am Hafen. Archivbild: Sammlung Klaus Winter, Dortmund

Als die Union-Vorstadt erbaut wurde, stand sie im damaligen Westerholz sprichwörtlich auf der grünen Wiese. Mit dem Bau des Kanalhafens wurde erst knapp 25 Jahre später begonnen.

Doch spätestens mit der ersten Erweiterung 1907, der Verlängerung des Stadthafens, dem Schmiedinghafen, wurde die Siedlung von Hafenbecken umgeben zu einer Wohnenklave in einem industriellen Gewerbegebiet.

Im Zweiten Weltkrieg zu fast 90 Prozent zerstört, wurde sie nur noch schleppend und provisorisch wieder aufgebaut. Die Entscheidung zum Abriss fiel 1960. Die Bewohner wurden umgesiedelt und 1961 das letzte Gebäude abgerissen. Anders als Atlantis stürzte die ehemalige Siedlungsfläche nicht ins Wasser einer Hafenerweiterung, sondern wurde den allgemeinen Gewerbeflächen des Hafens zugewiesen.

 Ergänzungswünsche in Text und Bild sind willkommen

Unter http://de.wikipedia.org/wiki/Unionvorstadt steht der Artikel, der von Wikipedia-Nutzern gerne ergänzt werden kann, insbesondere um weiteres Bildmaterial. Helmut Lierhaus, der ehemalige Sprecher des Mietervereins Dortmund, schreibt und bearbeitet im Altersruhestand Artikel im Online-Lexikon Wikipedia. Er erinnert an die 1961 abgerissene Union-Vorstadt im Hafengebiet, die auf vielen alten Hafenansichten zu sehen ist.

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Reaktionen

  1. Emmi Harbecke (Berwald)

    Ich bin 1938 in der Union-Vorstadt zur Welt gekommen und habe dort bis 1957 gewohnt Dann sind wir nach Canada ausgewandert. Im Krieg waren wir für ein paar Jahre in Hombruch. Es war sehr schön, diese Bilder aus der Nordstadt wieder zu sehen.

    • Birgit Blauth

      Hallo Frau Harbecke,
      meine verstorbene Mutter Hildegard Möller hatte eine Schwester, die in ihrem Alter sein müsste und nach Canada ausgewandert ist. Ich kann mich nicht genau an den Namen der Schwester erinnern, aber ihr Name kommt mir bekannt vor. Kann es sein, dass es sich bei der Schwester um Sie handelt? Ich würde mich freuen, wenn Sie sich bei mir melden könnten.
      Viele Grüße
      Birgit B.

  2. Klaus Jendrichowski

    Hallo Frau Harbecke,
    ich bin 1944 in Olpe geboren worden und habe bis 1959 mit meinen Eltern in der Unionvorstadt gelebt.
    Ich erinnere mich, dass sie in der Vorstadt damals Tagesgespräch waren, als sie mit ihrer Familie nach Kanada ausgewandert sind.
    Ganz besonders traurig war meine Cousine
    Doris Brockmann ( 1993 verstorben), verheiratete Ramlow, denn meines Wissens waren sie wohl miteinander befreundet.
    Des Weiteren erinnere ich mich, dass Ihre Familie einen Schrebergarten an der Schäferstrasse hatte.
    Ich denke oft an die Zeit in der Unionvorstadt / Dortmund. zurück.
    Leider gibt es wohl sehr wenige Fotos aus der Vorstadt.
    Vielleicht haben Sie noch einige von damals.
    Ich hoffe, sie sind wohlauf und verbleibe mit herzlichen Grüßen
    Klaus Jendrichowski

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