Armut: Jedes dritte Kind in Dortmund lebt von Hartz IV

In der Reinoldikirche gab es bereits eine Aktion zu "Armut in Dortmund". Foto: Schuetze/VKK
„Armut in Dortmund“ – ein Thema für Kirchen, Sozialverbände und Politik. Archivfoto: Schuetze/VKK

Dortmund ist die Hochburg der Kinderarmut. Darauf weist die Ratsfraktion „Die Linke & Piraten“ hin. Die Fraktion bezieht sich dabei auf eine Studie der Bertelsmann- Stiftung. Demnach leben in Dortmund 27.787 Kinder und Jugendliche in Familien, die Sozialleistungen beziehen. Das sind 30,3 Prozent. Vor fünf Jahren waren es 27,5 Prozent.

 Sogar 34,2 Prozent der drei bis sechs Jahre alten Kinder in Dortmund betroffen

Carsten Klink ist finanzpolitischer Sprecher der Fraktion „Die Linke & Piraten“ in Dortmund.
Carsten Klink ist finanzpolitischer Sprecher der Fraktion „Die Linke & Piraten“ in Dortmund.

Bundesweit muss jedes siebte Kind von Hartz IV-Leistungen leben, NRW-weit jedes fünfte und in Dortmund jedes dritte. Bei den drei bis sechs Jahre alten Kindern in Dortmund liegt die Quote sogar bei 34,2 Prozent.

Das traurige Fazit: „Dortmund ist somit eine Hochburg der Kinderarmut“,  betont Carsten Klink, der finanzpolitische Sprecher der Fraktion „Die Linke & Piraten“ im Rat der Stadt Dortmund.

Dazu komme noch ein hohes Maß an verdeckter Armut, wenn Familien trotz geringer Einkommen keine Sozialleistungen beantragen.

„Arme Kinder sind materiell unterversorgt, sozial benachteiligt und drohen überdurchschnittlich zu chancenlosen Erwachsenen zu werden“, so Klink.

Forderungen an die Bundespolitik zur Verbesserung der Lage der Kommunen

„Daher muss es auf Bundesebene eine deutliche Erhöhung des Hartz IV-Satzes geben. Des Weiteren muss der Bund endlich die Städte von den Kosten der Unterkunft befreien“, betont der Finanzpolitiker. „Dann wären kommunale Mittel frei, die man in den Aufbau eines freiwilligen, öffentlich-geförderten Beschäftigungssektors mit Tariflöhnen fließen lassen kann, um damit die zur Kinderarmut führende Arbeitslosigkeit der Eltern zu senken. Somit könnte man den vielen Worten der jährlichen Dortmunder Arbeitsmarktkonferenz endlich auch mal Taten folgen lassen.“

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Reaktionen

  1. Wolfgang Richter für ‚Heisse Eisen‘

    Ja, Kinderarmut wächst weiter an!
    Die Bertelsmann-Stiftung ist nicht bekannt für klassenkämpferische Positionen, jedenfalls nicht für solche der Arbeiterbewegung oder der der Erwerbslosen. Sie unterfüttert die Politik der Regierenden in Bund und Ländern mit bezahlten Studien. Umso mehr Aufmerksamkeit erzielte die Veröffentlichung einer Studie zur Kinderarmut in Deutschland (vgl. http://www.bertelsmann-stiftung.de/folgen-kinderarmut ). Darin wurde mit Bezug auf die Kinder in Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften aktuell und regional differenziert festgestellt, wie hoch diese Zahlen sind, wie schnell sie trotz blühender Wirtschaft angewachsen sind und was diese Situation für sie und ihre Entwicklung bedeutet.
    Die Zahl der Kinder, deren Familie von Sozialleistungen lebt, war in Nordrhein-Westfalen 2015 auf rund 542.000 gestiegen. Damit gilt inzwischen fast jedes fünfte Kind als arm (18,6 Prozent). Das ist mehr als im Bundesdurchschnitt, wo die Quote bei 14,7 Prozent liegt, und mehr als noch 2011. Damals lebten in Nordrhein-Westfalen rund 36.500 Kinder weniger in Hartz-IV-Haushalten, ihr Anteil lag bei 17 Prozent. Das höchste Armutsrisiko haben Kinder, die alleinerzogen werden und Kinder, die mit zwei und mehr Geschwistern aufwachsen.
    Dramatisch ist die Lage vor allem in den Ruhrgebietsstädten. So gehörten im Jahr 2015 Gelsenkirchen und Essen zu den Kommunen mit den bundesweit anteilig meisten Kindern im Sozialleistungsbezug. In Gelsenkirchen waren 38,5 Prozent betroffen, bundesweit war die Lage nur in Bremerhaven mit einer Quote von 40,5 Prozent schlimmer. In Essen war nahezu ein Drittel aller Kinder arm, in Dortmund und Duisburg drei von zehn Kindern. Die Armut nahm zwischen 2011 und 2015 deutlich zu: In Gelsenkirchen stieg der Anteil von Kindern in Hartz-IV-Familien um sechs Prozentpunkte, in Dortmund, Essen und Duisburg um rund drei Punkte.
    Eine Trendwende ist nicht zu beobachten und nicht zu erwarten. Überrascht sei sie von den Ergebnissen nicht, sagte Dortmunds Sozialdezernentin Birgit Zoerner (SPD): „Wir kennen die Daten ja.“ Es komme nicht darauf an, das Problem immer neu zu benennen, sondern endlich die Wurzeln der Kinderarmut zu bekämpfen. Konkret forderte sie mehr Engagement des Bundes bei der Bekämpfung der hohen Langzeitarbeitslosigkeit in der Region. Die 2012 erfolgte Halbierung der kommunalen Eingliederungsmittel für die Jobcenter müsse endlich wieder zurückgenommen werden.
    Ob das wirklich die „Wurzel der Kinderarmut“ ist?

    Mein Kommentar:
    Die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich ist im Kapitalismus unvermeidbar, er lebt davon. Man hat sich an die im Herzen des Imperialismus noch sehr moderaten Armutszahlen gewöhnt und sich darin geübt, Armut zuhause nicht zu sehen und Elend in der Ferne wegzuzappen. Das Ganze soll einem nicht zu nahe treten – die Armut aus Dumpinglöhnen, die der teilzeitarbeitenden Frauen, die der Alleinerziehenden, die der Kinderreichen, die der Flüchtlinge, die der Erwerbslosen und Hartz-IV-Angeleinten, die der Alten und der Weggeschlossenen. Das ist alles Armut aus kapitalistischem Prinzip, Gewohnheitssache.
    Aber Kinderarmut. Sie wegzuschieben, fällt schwerer, zumal Weihnachten vor der Tür steht. Da füllen sich die schönen Augen in der Bourgeoisie sowieso schnell mit Tränen und die teure Schminke verschmiert die Maske. Kinder sind so kleine Dinger. Sie hatten noch gar keine Möglichkeit, sich vom System zu trennen, es anzugreifen, die Herrschenden einzukesseln, sie zu entmachten und für ein anderes Prinzip zu leben, eines der Solidarität, der gleichen Ressourcen und Rechte für alle und des Friedens. Die Erwachsenen hatten die Chance, haben sie aber nicht ergriffen oder wieder verloren. Jetzt handeln sie ganz unten – zu Recht – ihr Leben lang um ein paar Euros mehr und ganz oben – im Unrecht – um viele Millionen und Milliarden und um die Macht. Die Auseinandersetzungen zwischen den Klassen sind eingefroren und rühren nicht mehr an das System.
    Das wachsende Elend wird registriert und abgeheftet. Die Folgen für die Kinder in Armut sind untersucht und bekannt – die gesundheitlichen Mängel und die Bildungsdefizite, die körperlichen Schäden und die seelischen Dramen, die drohende Jugendarbeitslosigkeit und das Hineinwachsen in die nächste Generation vorprogrammierten Elends. Ihr Anteil an der Bevölkerung wächst unaufhaltsam. Das ist alles schlimm und fordert zur sofortigen Hilfe heraus. Oft wird sie geleistet, oft bis zur Erschöpfung. Ehrenamtlichkeit wird weiter gefordert und prämiiert werden. Es werden wieder unter vielen Etiketten Sammlungen durchgeführt, auf Wohlfahrtsbällen wird wieder viel Champagner fließen und vieles gespendet werden. In Kindertafeln wird extra getafelt werden. Armutsopfer werden wieder krepieren.
    Es gehört zum inhumanen Prinzip, sich gesellschaftlich immer mal erschüttert zu zeigen, aber unerschütterlich an dem System zu kleben, das diese Not herstellt, aufrechterhält und ausbreitet. Es gilt aber, sich vom Kapitalismus, von den in ihm Herrschenden und den bis hinunter in die Kreise und Kommunen ihn Verwaltenden zu lösen – und ihn zu bekämpfen. Dafür gibt es alle Anlässe und Gründe. Die Kinderarmut gehört zu denjenigen, die Verbrechen gegen die Menschheit sind und derentwegen er gestürzt werden muss.

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