Ab sofort – Ausstellung im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern: „RevierGestalten – Von Orten und Menschen“

Familienportraits der Zeitzeugen sind Teil der Ausstellung RevierGestalten
Familienportraits der Zeitzeugen sind Teil der Ausstellung „RevierGestalten – Von Orten und Menschen“ im Industriemuseum Zeche Zollern. Fotos: Carmen Körner

Das Industriemuseum des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) Zeche Zollern versucht mit seiner neuen Ausstellung „RevierGestalten – Von Orten und Menschen“, die vielschichtigen Auswirkungen des Strukturwandels in einer einst maßgeblich durch Kohle geprägten Region einzufangen – hin zur Melange des „mondän-traditionellen“ Ruhrgebiets der Gegenwart. Als Teil einer neuen Vielfalt, in der die Vergangenheit einen würdigen Platz findet, und ermöglicht durch das Engagement vieler Menschen und gegen Widerstände.

Museal konfigurierte Übergänge der Bergbauvergangenheit in die Gegenwart

Zeche Zollern in Dortmund Bövinghausen
Zeche Zollern in Dortmund Bövinghausen

Die Krise der Kohle an der Ruhr und anderswo: Seit Ende der 50er Jahre ein langsamer, schmerzvoller Prozess des Niedergangs. Finaler Akt: die Schließung der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop Ende dieses Jahres.

Der sukzessive Abbau von Förderkapazitäten überall, wo das schwarze Gold ans Tageslicht geholt wurde, erzwingt Veränderungen – von Orten und bei den Menschen, die an ihnen leben. Und er gebiert Neues, das nicht nur auf dem Grab des Alten tanzt, sondern es in sich aufgehoben hat.

Etwas „aufheben“ bedeutet mindestens dreierlei. Es kann etwas aufgelöst, ausgelöscht werden. Es mag aber auch zugleich in gewisser Hinsicht bewahrt und zudem hochgehoben, auf eine höhere Stufe gesetzt werden. – Alle drei Aspekte dieses Aufhebens – Löschung, Bewahrung, Erhöhung – können auf die Kohleindustrie und das Leben der mit ihr verwobenen Menschen angewandt werden.

Veränderungen schaffen viel Unsicherheit und bergen zugleich Chancen für Neues

Ausstellungsteil von RevierGestalten
Ausstellungsteil von RevierGestalten

Während Gesellschaften steten Veränderungen unterworfen seien, Prozesse des Wandels überall immer schon waren und sind, so Dirk Zache, Direktor des LWL-Industriemuseums, sei die persönliche Perspektive ihnen gegenüber eher eine der Betroffenheit und Abwehr, denn Menschen strebten danach, zu beharren. Zögen es aus dem Bedürfnis nach Sicherheit vor, dass besser alles so bleibe, wie es ist.

Denn ungewisse Ausgänge von Veränderungsprozessen erzeugten Angst, so Zache. Ihr stehen andererseits jene Ideen vom Neuen und der Mut, sie zu realisieren, als Teil des Wandels gegenüber. Die Trauer über den Verlust bedeutet nicht nur nicht notwendig Stagnation, sondern enthält immer auch das Potential für einen Neuanfang, einen Aufbruch.

Nachdem 1966 der Kohlebergbau auf der Zeche Zollern im Nordwesten Dortmunds eingestellt worden war, andere Bergwerke ebenfalls geschlossen werden, setzt nach und nach in der Region ein Strukturwandel ein. Die Lebenswelten von Menschen verändern sich – und die Orte, an denen sie leben und arbeiten.

Alte Produktionsstätten werden mit der Industriedenkmalpflege sorgsam umgestaltet

Die Zeche Zollern selbst wie das dazugehörige LWL-Industriemuseum seien ein Beispiel für den Strukturwandel, so der Museumsdirektor stolz. Und viel von dem, was erhalten und aufgebaut wurde, sei das Resultat der Initiativen vieler engagierter BürgerInnen gewesen.

Mit der in den siebziger Jahren sich in Nordrhein-Westfalen etablierenden Industriedenkmalpflege werden ehemalige Produktionsstätten zu Orten der Erinnerung, die nun unter Denkmalsschutz stehen. Wo einst Kohle produziert wurde, ist jetzt das Kulturschaffen zur Produktivkraft geworden.

Die neue, von der RAG-Stiftung geförderte Ausstellung im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern widmet sich diesem Wandel in der Region – auf zwei Ebenen. Im Erdgeschoss der historischen Zechenwerkstatt erzählt das Museum seine eigene Geschichte. Dokumentiert wird der Werdegang der Zeche Zollern von ihrer Schließung bis zur Einrichtung als Museum.

Initiativen bewahren Orte der Bergbaukultur, andere können nicht gerettet werden

Memorykarten bei RevierGestalten
Memorykarten bei RevierGestalten

Zeitungsausschnitte, Fotos und Interviews zeigen AktivistInnen und Motive der damaligen Rettung der Gebäudeanlagen. Prospekte erinnern an die frühen 1980er Jahre, als ein Möbelhändler die Lohnhalle als Verkaufsraum nutzte. Rosa Gummistiefel gehörten zur Schutzkleidung einer Wissenschaftlerin, die in den 1980er Jahren Akten der Zeche Zollern sichtete.

Dargestellt wird ebenfalls der Kampf um Zechensiedlungen im Revier, zum Beispiel Eisenheim in Oberhausen oder die Alte Kolonie Eving in Dortmund. „Manche Initiativen waren erfolgreich, andere konnten den Abrissbagger nicht stoppen. Gemeinsam aber ist allen, dass Menschen sich zusammentaten, um für ihr Zuhause und ihr soziales Umfeld zu kämpfen“, erklärt Kuratorin Jana Golombek vom LWL-Industriemuseum.

Auf einem stilisierten Marktplatz in der Mitte der Ausstellungsfläche können die Museumsbesucher in alten Zeitungen blättern oder auf Ruhebänken aus Paletten eine Runde Memory spielen: Den ersten Satz erhalten sie am Eingang, das jeweils zweite Stück können sie an den einzelnen Ausstellungsstationen einsammeln.

Was haben die Nachfahren der Bergleute für Bezüge zur Kultur ihrer Vorfahren?

Zeitzeuge Heinz Tafel und die Kuratorinnen der Ausstellung RevierGestalten
Zeitzeuge Heinz Tafel und die beiden Kuratorinnen der Ausstellung RevierGestalten

Auf der Galerie im Obergeschoss der historischen Zechenwerkstatt werden ehemalige „Zolleraner“ Bergleute und deren Nachfahren vorgestellt. Mit acht Familien haben die Ausstellungsmacherinnen Kontakt aufgenommen und Interviews geführt.

„Wir wollten wissen, welche Rolle der Bergbau für die Kinder, Enkel oder Urenkel der aktiven Generation noch hat und was die wandelnde Industrielandschaft für jeden einzelnen bedeutet“, erläutert die Historikerin und Kokuratorin Jana Flieshart, die für diesen Teil der Ausstellung verantwortlich ist.

Vorgestellt werden die Familien mit (Video-)Interviews, Fotos, Texten und persönlichen Erinnerungsstücken. Als wertvoller Schatz für die Vorbereitung erwiesen sich mehr als 100 Interviews mit ehemaligen Bergleuten, die das Industriemuseum in den 1980er Jahren führte.

Weitere Informationen:

  • Eröffnung der Ausstellung: Freitag, den 23. Februar, um 18 Uhr
  • Geschichten vom Pütt: Begleitend zur Ausstellung bietet das Industriemuseum in Kooperation mit dem Fritz-Hüser-Institut eine Reihe von Lesungen mit dem Schauspieler Felix Lampert an. Er liest mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten aus Romanen, Erzählungen und Gedichten. Der Eintritt ist frei.
  • Weitere Begleitveranstaltungen unter: www.lwl-industriemuseum.de
  • Termine (Themen) für „Geschichten im Pütt“: 13.3. (Seilfahrt), 17.4. (Siedlung), 11.9. (Grubenpferde), 9.10. (vor Kohle). Alle Lesungen jeweils um 18 Uhr.
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